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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Der Zweikampf bei Goethe

namentlich von den Überresten des tapfern Stammes der Hasareh, der sich am
Ausgang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gegen die Tyrannei
des Emirs empörte und erst nach drei und einem halben Jahr (1893), zum
größten Teile hingeschlachtet, zur Ruhe gebracht wurde. Dieser Hinweis auf
die Kurzsichtigkeit der Politik Abd-ur-Nahmnn Khans und seine gefährliche
Prahlsucht sei mit der Bemerkung geschlossen, daß sein Nachfolger, Habib Allah,
ein Sohn Abd-ur-Rahmnn Khans aus erster Ehe, weitaus befähigter zu sein
scheint als sein Vater, Afghanistan zu einem geordneten, nach den Grundsätzen
wahrer Gesittung geleiteten Staatswesen zu machen und seine Bewohner mit
den Segnungen europäischer Kultur zu beschenken. Er ist, um diesen einge¬
bürgerten Ausdruck zu gebrauchen, entschieden reformfreundlich.

(Fortsetzung folgt)




Der Zweikampf bei Goethe
(Schluß)

n dem politischen Drama "Die Aufgeregten" braust der Chirurgus
Breme von Bremenfeld auf, als seine Tochter Karoline von der
zudringlichen Werbung des Barons erzählt. Die Tochter dürfe
ihm nichts weiter sagen, er sei hitzigen Temperaments, ein alter
Soldat; er würde sich nicht fassen können und einen tollen
Streich machen. Aber der alte Herr läßt es bei der Drohung, er tröstet sich
mit der sozialen Umwälzung, die er plant, in kurzem werde alles anders sein,
die Hunde würden von der Kette losgelassen und den Füchsen den Weg zum
Taubenschlag verrennen.

Im ersten Teil des "Faust" kämpft Valentin mit Faust, um seiue Schwester
Gretchen an ihm zu rächen. Er fällt nach kurzem Kampfe, weil Mephisto
Fausts Klinge führt. Im vierten Akte des zweiten Teils fühlt sich der Kaiser
mächtig getrieben, mit dem Empörer, der sich Gegenkaiser nennt, in eigner
Person zu kämpfen und ihn mit eigner Hand ins Totenreich zu stoßen. Faust
aber weist darauf hin, daß der Kaiser nicht wohl daran tue, das Haupt zu
verpfänden, das alle schützen soll.

In den Theaterstücken jener Zeit, die auf die Bühne kamen und meist
bald wieder verschwanden, spielte der Zweikampf allgemein eine gewisse Rolle.
In seinen Rezensionen in den Frankfurter gelehrten Anzeigen der Jahre 1772
und 1773 gibt Goethe unter der Überschrift "Neue Schauspiele, aufgeführt in den
Kaiserlich Königlichen Theatern zu Wien" den gedrängten Inhalt des Schau¬
spiels "Hannchen" und sagt zum Schluß, man schießt, sticht, heult, zankt, fällt
in Ohnmacht und auf die Knie, spricht Sentenzen, versöhnt sich, und wie am
Schluß versichert wird, alle bezeugen ihre Freude, daß der Vorhang fällt. In
denselben Rezensionen sagt der Dichter unter der Überschrift "Lustspiele ohne
Heiraten, von dein Verfasser der empfindsamen Reise durch Deutschland" von


Der Zweikampf bei Goethe

namentlich von den Überresten des tapfern Stammes der Hasareh, der sich am
Ausgang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts gegen die Tyrannei
des Emirs empörte und erst nach drei und einem halben Jahr (1893), zum
größten Teile hingeschlachtet, zur Ruhe gebracht wurde. Dieser Hinweis auf
die Kurzsichtigkeit der Politik Abd-ur-Nahmnn Khans und seine gefährliche
Prahlsucht sei mit der Bemerkung geschlossen, daß sein Nachfolger, Habib Allah,
ein Sohn Abd-ur-Rahmnn Khans aus erster Ehe, weitaus befähigter zu sein
scheint als sein Vater, Afghanistan zu einem geordneten, nach den Grundsätzen
wahrer Gesittung geleiteten Staatswesen zu machen und seine Bewohner mit
den Segnungen europäischer Kultur zu beschenken. Er ist, um diesen einge¬
bürgerten Ausdruck zu gebrauchen, entschieden reformfreundlich.

(Fortsetzung folgt)




Der Zweikampf bei Goethe
(Schluß)

n dem politischen Drama „Die Aufgeregten" braust der Chirurgus
Breme von Bremenfeld auf, als seine Tochter Karoline von der
zudringlichen Werbung des Barons erzählt. Die Tochter dürfe
ihm nichts weiter sagen, er sei hitzigen Temperaments, ein alter
Soldat; er würde sich nicht fassen können und einen tollen
Streich machen. Aber der alte Herr läßt es bei der Drohung, er tröstet sich
mit der sozialen Umwälzung, die er plant, in kurzem werde alles anders sein,
die Hunde würden von der Kette losgelassen und den Füchsen den Weg zum
Taubenschlag verrennen.

Im ersten Teil des „Faust" kämpft Valentin mit Faust, um seiue Schwester
Gretchen an ihm zu rächen. Er fällt nach kurzem Kampfe, weil Mephisto
Fausts Klinge führt. Im vierten Akte des zweiten Teils fühlt sich der Kaiser
mächtig getrieben, mit dem Empörer, der sich Gegenkaiser nennt, in eigner
Person zu kämpfen und ihn mit eigner Hand ins Totenreich zu stoßen. Faust
aber weist darauf hin, daß der Kaiser nicht wohl daran tue, das Haupt zu
verpfänden, das alle schützen soll.

In den Theaterstücken jener Zeit, die auf die Bühne kamen und meist
bald wieder verschwanden, spielte der Zweikampf allgemein eine gewisse Rolle.
In seinen Rezensionen in den Frankfurter gelehrten Anzeigen der Jahre 1772
und 1773 gibt Goethe unter der Überschrift „Neue Schauspiele, aufgeführt in den
Kaiserlich Königlichen Theatern zu Wien" den gedrängten Inhalt des Schau¬
spiels „Hannchen" und sagt zum Schluß, man schießt, sticht, heult, zankt, fällt
in Ohnmacht und auf die Knie, spricht Sentenzen, versöhnt sich, und wie am
Schluß versichert wird, alle bezeugen ihre Freude, daß der Vorhang fällt. In
denselben Rezensionen sagt der Dichter unter der Überschrift „Lustspiele ohne
Heiraten, von dein Verfasser der empfindsamen Reise durch Deutschland" von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/200>, abgerufen am 27.09.2024.