Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Afghanistan

anschlag der aus ihnen zu erwartenden Steuerbeträge nicht sehr fehlgeht.
Bei den großen Nachlassen dagegen muß ein Anschlag äußerst unsicher sein.
Die umfangreichste Klasse, Nachlasse von 1000 bis 10000 -F, hat sich in den
letzten fünf Jahren innerhalb der Grenzen von 61'^ Millionen (16419 Fälle)
und 58 Millionen (15773 Fälle) gehalten, während sich die Nachlasse von
mehr als 1 Million in derselben Zeit zwischen 12 Millionen (4 Fälle) und
38^ Millionen (8 Fälle) bewegt haben.

Im Durchschnitt der neun Jahre seit der Einführung der neuen Steuer
haben die Nachlasse von mehr als 100000 -F, die 6 bis 8 Prozent zu ent¬
richten haben, 30,7 Prozent der ganzen schatzpflichtigcn Masse ausgemacht.
Der niedrigste Anteil war 26,5 Prozent 1895/96, der höchste 36,8 Prozent
1901/02, wo die Vermögen von acht Millionären mit zusammen 38'/^ Millionen
der Teilnahme des Staats anheimfielen. Durch den höhern Steuersatz sind
diese großen Nachlasse natürlich im Verhältnis weit mehr als die kleinen an
dem Steuerertrage beteiligt, und es ergibt sich daraus, wie sehr die Höhe des
Einkommens aus dieser Steuer vom Zufall abhängt. Im Laufe der Zeit
muß ja jedes Vermögen seinen Zoll entrichten; für ein einzelnes Jahr jedoch
tut der Schatzkanzler gut, in seinem Anschlage mit einem mäßigen Ertrage zu
rechnen. Für 1903/04 hatte er mit Einschluß der vom Einkommen von
Körperschaften erhobnen Korporationssteuer, die mit den Todesfallsteuern zu¬
sammengerechnet wird, auf 13300000 ^ gerechnet, aber nur 13 Millionen
erhalten. Insgesamt hatte die Nachlaßsteuer 13615344 ^ ergeben, aber nach
Überweisung von 4291191 an die örtlichen Behörden blieben bloß noch
9324153 -F; Vermächtnissteuer 2966959-F, Erbfolgesteuer 698184-F und
Korporationssteuer 45649 °F brachten den dem Schatzamte zukommenden Er¬
trag auf 13034946 -F, wovon die runde Summe von 13000000 -F an die
Schatzkasse abgeführt wurde. Schluß folgt)




Afghanistan
Franz Korton Schilderungen und Skizzen von
(Fortsetzung)

issenschaftlich gebildete einheimische Ärzte gibt es in Afghanistan
nicht, sogar der Emir und die Prinzen rufen die Hilfe von Quack¬
salbern an, da sie ihr Leben europäischen Ärzten nicht anvertrauen
wollen. Als hauptsächliche Arznei gegen alle innern Krankheiten
wird ein gewisser Grassamen angewandt, der leichte Diarrhöen
erzeugt. Bei vorübergehender Unpäßlichkeit erweist sich diese Arznei selbstver¬
ständlich wirksam, schweren Krankheiten gegenüber ist sie aber völlig unwirksam,
und die Kranken sterben. Die Ärzte wissen die Hinterbliebnen mit den: im Islam
begründeten fatalistischen Troste zu beruhigen, daß der Patient infolge höherer
Bestimmung habe aus dem Leben scheiden müssen. Dagegen sei kein Kraut


Afghanistan

anschlag der aus ihnen zu erwartenden Steuerbeträge nicht sehr fehlgeht.
Bei den großen Nachlassen dagegen muß ein Anschlag äußerst unsicher sein.
Die umfangreichste Klasse, Nachlasse von 1000 bis 10000 -F, hat sich in den
letzten fünf Jahren innerhalb der Grenzen von 61'^ Millionen (16419 Fälle)
und 58 Millionen (15773 Fälle) gehalten, während sich die Nachlasse von
mehr als 1 Million in derselben Zeit zwischen 12 Millionen (4 Fälle) und
38^ Millionen (8 Fälle) bewegt haben.

Im Durchschnitt der neun Jahre seit der Einführung der neuen Steuer
haben die Nachlasse von mehr als 100000 -F, die 6 bis 8 Prozent zu ent¬
richten haben, 30,7 Prozent der ganzen schatzpflichtigcn Masse ausgemacht.
Der niedrigste Anteil war 26,5 Prozent 1895/96, der höchste 36,8 Prozent
1901/02, wo die Vermögen von acht Millionären mit zusammen 38'/^ Millionen
der Teilnahme des Staats anheimfielen. Durch den höhern Steuersatz sind
diese großen Nachlasse natürlich im Verhältnis weit mehr als die kleinen an
dem Steuerertrage beteiligt, und es ergibt sich daraus, wie sehr die Höhe des
Einkommens aus dieser Steuer vom Zufall abhängt. Im Laufe der Zeit
muß ja jedes Vermögen seinen Zoll entrichten; für ein einzelnes Jahr jedoch
tut der Schatzkanzler gut, in seinem Anschlage mit einem mäßigen Ertrage zu
rechnen. Für 1903/04 hatte er mit Einschluß der vom Einkommen von
Körperschaften erhobnen Korporationssteuer, die mit den Todesfallsteuern zu¬
sammengerechnet wird, auf 13300000 ^ gerechnet, aber nur 13 Millionen
erhalten. Insgesamt hatte die Nachlaßsteuer 13615344 ^ ergeben, aber nach
Überweisung von 4291191 an die örtlichen Behörden blieben bloß noch
9324153 -F; Vermächtnissteuer 2966959-F, Erbfolgesteuer 698184-F und
Korporationssteuer 45649 °F brachten den dem Schatzamte zukommenden Er¬
trag auf 13034946 -F, wovon die runde Summe von 13000000 -F an die
Schatzkasse abgeführt wurde. Schluß folgt)




Afghanistan
Franz Korton Schilderungen und Skizzen von
(Fortsetzung)

issenschaftlich gebildete einheimische Ärzte gibt es in Afghanistan
nicht, sogar der Emir und die Prinzen rufen die Hilfe von Quack¬
salbern an, da sie ihr Leben europäischen Ärzten nicht anvertrauen
wollen. Als hauptsächliche Arznei gegen alle innern Krankheiten
wird ein gewisser Grassamen angewandt, der leichte Diarrhöen
erzeugt. Bei vorübergehender Unpäßlichkeit erweist sich diese Arznei selbstver¬
ständlich wirksam, schweren Krankheiten gegenüber ist sie aber völlig unwirksam,
und die Kranken sterben. Die Ärzte wissen die Hinterbliebnen mit den: im Islam
begründeten fatalistischen Troste zu beruhigen, daß der Patient infolge höherer
Bestimmung habe aus dem Leben scheiden müssen. Dagegen sei kein Kraut


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297711"/>
          <fw type="header" place="top"> Afghanistan</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_815" prev="#ID_814"> anschlag der aus ihnen zu erwartenden Steuerbeträge nicht sehr fehlgeht.<lb/>
Bei den großen Nachlassen dagegen muß ein Anschlag äußerst unsicher sein.<lb/>
Die umfangreichste Klasse, Nachlasse von 1000 bis 10000 -F, hat sich in den<lb/>
letzten fünf Jahren innerhalb der Grenzen von 61'^ Millionen (16419 Fälle)<lb/>
und 58 Millionen (15773 Fälle) gehalten, während sich die Nachlasse von<lb/>
mehr als 1 Million in derselben Zeit zwischen 12 Millionen (4 Fälle) und<lb/>
38^ Millionen (8 Fälle) bewegt haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_816"> Im Durchschnitt der neun Jahre seit der Einführung der neuen Steuer<lb/>
haben die Nachlasse von mehr als 100000 -F, die 6 bis 8 Prozent zu ent¬<lb/>
richten haben, 30,7 Prozent der ganzen schatzpflichtigcn Masse ausgemacht.<lb/>
Der niedrigste Anteil war 26,5 Prozent 1895/96, der höchste 36,8 Prozent<lb/>
1901/02, wo die Vermögen von acht Millionären mit zusammen 38'/^ Millionen<lb/>
der Teilnahme des Staats anheimfielen. Durch den höhern Steuersatz sind<lb/>
diese großen Nachlasse natürlich im Verhältnis weit mehr als die kleinen an<lb/>
dem Steuerertrage beteiligt, und es ergibt sich daraus, wie sehr die Höhe des<lb/>
Einkommens aus dieser Steuer vom Zufall abhängt. Im Laufe der Zeit<lb/>
muß ja jedes Vermögen seinen Zoll entrichten; für ein einzelnes Jahr jedoch<lb/>
tut der Schatzkanzler gut, in seinem Anschlage mit einem mäßigen Ertrage zu<lb/>
rechnen. Für 1903/04 hatte er mit Einschluß der vom Einkommen von<lb/>
Körperschaften erhobnen Korporationssteuer, die mit den Todesfallsteuern zu¬<lb/>
sammengerechnet wird, auf 13300000 ^ gerechnet, aber nur 13 Millionen<lb/>
erhalten. Insgesamt hatte die Nachlaßsteuer 13615344 ^ ergeben, aber nach<lb/>
Überweisung von 4291191 an die örtlichen Behörden blieben bloß noch<lb/>
9324153 -F; Vermächtnissteuer 2966959-F, Erbfolgesteuer 698184-F und<lb/>
Korporationssteuer 45649 °F brachten den dem Schatzamte zukommenden Er¬<lb/>
trag auf 13034946 -F, wovon die runde Summe von 13000000 -F an die<lb/>
Schatzkasse abgeführt wurde.   Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Afghanistan<lb/><note type="byline"> Franz Korton</note> Schilderungen und Skizzen von<lb/>
(Fortsetzung) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_817" next="#ID_818"> issenschaftlich gebildete einheimische Ärzte gibt es in Afghanistan<lb/>
nicht, sogar der Emir und die Prinzen rufen die Hilfe von Quack¬<lb/>
salbern an, da sie ihr Leben europäischen Ärzten nicht anvertrauen<lb/>
wollen. Als hauptsächliche Arznei gegen alle innern Krankheiten<lb/>
wird ein gewisser Grassamen angewandt, der leichte Diarrhöen<lb/>
erzeugt. Bei vorübergehender Unpäßlichkeit erweist sich diese Arznei selbstver¬<lb/>
ständlich wirksam, schweren Krankheiten gegenüber ist sie aber völlig unwirksam,<lb/>
und die Kranken sterben. Die Ärzte wissen die Hinterbliebnen mit den: im Islam<lb/>
begründeten fatalistischen Troste zu beruhigen, daß der Patient infolge höherer<lb/>
Bestimmung habe aus dem Leben scheiden müssen. Dagegen sei kein Kraut</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] Afghanistan anschlag der aus ihnen zu erwartenden Steuerbeträge nicht sehr fehlgeht. Bei den großen Nachlassen dagegen muß ein Anschlag äußerst unsicher sein. Die umfangreichste Klasse, Nachlasse von 1000 bis 10000 -F, hat sich in den letzten fünf Jahren innerhalb der Grenzen von 61'^ Millionen (16419 Fälle) und 58 Millionen (15773 Fälle) gehalten, während sich die Nachlasse von mehr als 1 Million in derselben Zeit zwischen 12 Millionen (4 Fälle) und 38^ Millionen (8 Fälle) bewegt haben. Im Durchschnitt der neun Jahre seit der Einführung der neuen Steuer haben die Nachlasse von mehr als 100000 -F, die 6 bis 8 Prozent zu ent¬ richten haben, 30,7 Prozent der ganzen schatzpflichtigcn Masse ausgemacht. Der niedrigste Anteil war 26,5 Prozent 1895/96, der höchste 36,8 Prozent 1901/02, wo die Vermögen von acht Millionären mit zusammen 38'/^ Millionen der Teilnahme des Staats anheimfielen. Durch den höhern Steuersatz sind diese großen Nachlasse natürlich im Verhältnis weit mehr als die kleinen an dem Steuerertrage beteiligt, und es ergibt sich daraus, wie sehr die Höhe des Einkommens aus dieser Steuer vom Zufall abhängt. Im Laufe der Zeit muß ja jedes Vermögen seinen Zoll entrichten; für ein einzelnes Jahr jedoch tut der Schatzkanzler gut, in seinem Anschlage mit einem mäßigen Ertrage zu rechnen. Für 1903/04 hatte er mit Einschluß der vom Einkommen von Körperschaften erhobnen Korporationssteuer, die mit den Todesfallsteuern zu¬ sammengerechnet wird, auf 13300000 ^ gerechnet, aber nur 13 Millionen erhalten. Insgesamt hatte die Nachlaßsteuer 13615344 ^ ergeben, aber nach Überweisung von 4291191 an die örtlichen Behörden blieben bloß noch 9324153 -F; Vermächtnissteuer 2966959-F, Erbfolgesteuer 698184-F und Korporationssteuer 45649 °F brachten den dem Schatzamte zukommenden Er¬ trag auf 13034946 -F, wovon die runde Summe von 13000000 -F an die Schatzkasse abgeführt wurde. Schluß folgt) Afghanistan Franz Korton Schilderungen und Skizzen von (Fortsetzung) issenschaftlich gebildete einheimische Ärzte gibt es in Afghanistan nicht, sogar der Emir und die Prinzen rufen die Hilfe von Quack¬ salbern an, da sie ihr Leben europäischen Ärzten nicht anvertrauen wollen. Als hauptsächliche Arznei gegen alle innern Krankheiten wird ein gewisser Grassamen angewandt, der leichte Diarrhöen erzeugt. Bei vorübergehender Unpäßlichkeit erweist sich diese Arznei selbstver¬ ständlich wirksam, schweren Krankheiten gegenüber ist sie aber völlig unwirksam, und die Kranken sterben. Die Ärzte wissen die Hinterbliebnen mit den: im Islam begründeten fatalistischen Troste zu beruhigen, daß der Patient infolge höherer Bestimmung habe aus dem Leben scheiden müssen. Dagegen sei kein Kraut

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/192>, abgerufen am 27.09.2024.