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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

der Anfang vom Ende ihrer Selbstherrlichkeit gewesen wäre, wenn sie gesagt hätte:
Heinz, sei wieder gut. Darum hatte sie nicht nachgegeben, nicht mit einer Silbe,
sondern verlangt, daß er sich beugen solle. -- Ich mag ihn nicht, hatte sie zu
ihrem Vater gesagt, und es war ihr ernst mit diesen Worten gewesen. Sie hätte
ihn hassen mögen, daß er so klar und sicher auf seinem Rechte bestand und nicht
nachgab.

Und aus der Tiefe ihrer Seele schrie weinender Jammer auf: Ich kann ihn
ja nicht lassen, ich muß ja ohne ihn sterben. O Heinz!

Was War das? War sie denn gefangen? Hatte sie denn einen Strick am
Fuße? Stricke kann man zerreißen, sie hätte nur zu Heinz zu sagen brauchen:
Gib mir meinen Ring wieder. Aber sie hatte es nicht zu sagen gewagt. Wie,
wenn das Band tiefer und fester sitzt? Am Herzen? an der Seele? Kann man
das mich lösen durch ein: Ich will nicht? Jsts da auch mit einem: "Ich mag
ihn nicht" getan? -- Wo bleiben wir? Wo bleibt unsre Herrschaft über uns
selbst, wenn es unser Los ist, von Mächten überfallen zu werden, die wir nicht
bändigen können, denen wir nicht trotzen können, die uns zu Boden werfen und
uns mit Ketten binden, da, wo es uns am meisten schmerzt, gebunden zu sein?
Einem Pferde legt man den Zügel ins Maul, nicht um den Hals; ist dem Menschen
der Zügel ans Herz gelegt, so ist er sicherer gebändigt als ein Pferd durch den
Zügel im Maule. Es ist nicht Amor der himmlische Gassenbube, der Pfeile versendet,
es sind die Machte, die in uns liegen, die mit uns geboren sind und erwachsen,
und die uns eines Tages mit Rüstung und Wehr überfallen und knechten. Was
hilft dagegen alles kluge Reden, und was weiß man von sich, wenn man das noch
nicht erfahren hat? ^ " ^

Eva hatte in der Pension im Geschichtsunterricht davon gehört, daß eine un¬
glückliche Königin auf der Flucht nach Memel diese Worte mit ihrem Ring in die
Glasscheibe des Fensters eines Bauernhauses geritzt habe. Es hatte ihr nicht imponiert,
sie hatte über den kleinmütigen Jammer gelacht, und als sie einen deutschen Aufsatz
über die Sentenz hatte schreiben sollen, hatte sie das Thema mit kecker Ungezogen¬
heit und völliger Verkennung seines Sinnes behandelt und dafür eine Strafpredigt
erhalten, die sie zu den übrigen gelegt hatte. Jetzt fing sie an einzusehen, daß sie
recht wenig von dem verstanden hatte, was sie sich leichtherzig zu beurteilen er¬
laubte. Wie die Wasserspinne über das Wasser, so war sie über die glatte,
glänzende Oberfläche ihres Lebens gelaufen, ohne auch nur den Fuß zu netzen;
wenn sie jetzt in langen Nächten in ihrem Bette saß, ohne schlafen zu können, fing
das Verständnis an, ihr aufzugehn, daß es uuter der sonnigen Oberfläche des
Lebens dunkle Tiefen gibt, und daß Kräfte in der innern Welt wirken, die die
eigentlichen Herren sind, nicht der Mensch, der sich töricht Herr nennt, weil er
den Zügel, der ihn leitet, verbergen kann. Und wer hatte ihr die Binde von den
Augen genommen? Er! Heinz! Sie hätte ihm darum zürnen mögen, wenn sie
ihn nicht so heiß geliebt hätte. Wie nahe liegen Haß und Liebe beieinander!

Aber Tauenden wurde nicht von finstern Mächten ins Leid hineingestoßen.
Wenn Eva an Tauenden dachte, war es ihr, als wenn sich alle Schatten auseinauder-
täten. Tauenden, die es in ihrem Leben doch wahrlich nicht leicht hatte, ging leichten,
und sichern Schrittes ihres Weges. Alles lag auf ihrer Schulter, jeder hatte sein
Anliegen an sie, keine Minute hatte sie für sich, und doch hatte noch nie jemand sie
unzufrieden gesehen. Wie machte sie das? Sie kämpfte nicht um die Herrschaft
und war doch unbestrittne Herrin ihrer Umgebung; alle, auch "er" mußten tun,
was sie wollte. Wenn man dem Tauenden unter die Flügel kriechen könnte, wenn
man sie um Rat fragen, ihr das Herz ausschütten könnte! Aber das war un-


Grenzboten III 1905 21
Herrenmenschen

der Anfang vom Ende ihrer Selbstherrlichkeit gewesen wäre, wenn sie gesagt hätte:
Heinz, sei wieder gut. Darum hatte sie nicht nachgegeben, nicht mit einer Silbe,
sondern verlangt, daß er sich beugen solle. — Ich mag ihn nicht, hatte sie zu
ihrem Vater gesagt, und es war ihr ernst mit diesen Worten gewesen. Sie hätte
ihn hassen mögen, daß er so klar und sicher auf seinem Rechte bestand und nicht
nachgab.

Und aus der Tiefe ihrer Seele schrie weinender Jammer auf: Ich kann ihn
ja nicht lassen, ich muß ja ohne ihn sterben. O Heinz!

Was War das? War sie denn gefangen? Hatte sie denn einen Strick am
Fuße? Stricke kann man zerreißen, sie hätte nur zu Heinz zu sagen brauchen:
Gib mir meinen Ring wieder. Aber sie hatte es nicht zu sagen gewagt. Wie,
wenn das Band tiefer und fester sitzt? Am Herzen? an der Seele? Kann man
das mich lösen durch ein: Ich will nicht? Jsts da auch mit einem: „Ich mag
ihn nicht" getan? — Wo bleiben wir? Wo bleibt unsre Herrschaft über uns
selbst, wenn es unser Los ist, von Mächten überfallen zu werden, die wir nicht
bändigen können, denen wir nicht trotzen können, die uns zu Boden werfen und
uns mit Ketten binden, da, wo es uns am meisten schmerzt, gebunden zu sein?
Einem Pferde legt man den Zügel ins Maul, nicht um den Hals; ist dem Menschen
der Zügel ans Herz gelegt, so ist er sicherer gebändigt als ein Pferd durch den
Zügel im Maule. Es ist nicht Amor der himmlische Gassenbube, der Pfeile versendet,
es sind die Machte, die in uns liegen, die mit uns geboren sind und erwachsen,
und die uns eines Tages mit Rüstung und Wehr überfallen und knechten. Was
hilft dagegen alles kluge Reden, und was weiß man von sich, wenn man das noch
nicht erfahren hat? ^ " ^

Eva hatte in der Pension im Geschichtsunterricht davon gehört, daß eine un¬
glückliche Königin auf der Flucht nach Memel diese Worte mit ihrem Ring in die
Glasscheibe des Fensters eines Bauernhauses geritzt habe. Es hatte ihr nicht imponiert,
sie hatte über den kleinmütigen Jammer gelacht, und als sie einen deutschen Aufsatz
über die Sentenz hatte schreiben sollen, hatte sie das Thema mit kecker Ungezogen¬
heit und völliger Verkennung seines Sinnes behandelt und dafür eine Strafpredigt
erhalten, die sie zu den übrigen gelegt hatte. Jetzt fing sie an einzusehen, daß sie
recht wenig von dem verstanden hatte, was sie sich leichtherzig zu beurteilen er¬
laubte. Wie die Wasserspinne über das Wasser, so war sie über die glatte,
glänzende Oberfläche ihres Lebens gelaufen, ohne auch nur den Fuß zu netzen;
wenn sie jetzt in langen Nächten in ihrem Bette saß, ohne schlafen zu können, fing
das Verständnis an, ihr aufzugehn, daß es uuter der sonnigen Oberfläche des
Lebens dunkle Tiefen gibt, und daß Kräfte in der innern Welt wirken, die die
eigentlichen Herren sind, nicht der Mensch, der sich töricht Herr nennt, weil er
den Zügel, der ihn leitet, verbergen kann. Und wer hatte ihr die Binde von den
Augen genommen? Er! Heinz! Sie hätte ihm darum zürnen mögen, wenn sie
ihn nicht so heiß geliebt hätte. Wie nahe liegen Haß und Liebe beieinander!

Aber Tauenden wurde nicht von finstern Mächten ins Leid hineingestoßen.
Wenn Eva an Tauenden dachte, war es ihr, als wenn sich alle Schatten auseinauder-
täten. Tauenden, die es in ihrem Leben doch wahrlich nicht leicht hatte, ging leichten,
und sichern Schrittes ihres Weges. Alles lag auf ihrer Schulter, jeder hatte sein
Anliegen an sie, keine Minute hatte sie für sich, und doch hatte noch nie jemand sie
unzufrieden gesehen. Wie machte sie das? Sie kämpfte nicht um die Herrschaft
und war doch unbestrittne Herrin ihrer Umgebung; alle, auch „er" mußten tun,
was sie wollte. Wenn man dem Tauenden unter die Flügel kriechen könnte, wenn
man sie um Rat fragen, ihr das Herz ausschütten könnte! Aber das war un-


Grenzboten III 1905 21
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[0169] Herrenmenschen der Anfang vom Ende ihrer Selbstherrlichkeit gewesen wäre, wenn sie gesagt hätte: Heinz, sei wieder gut. Darum hatte sie nicht nachgegeben, nicht mit einer Silbe, sondern verlangt, daß er sich beugen solle. — Ich mag ihn nicht, hatte sie zu ihrem Vater gesagt, und es war ihr ernst mit diesen Worten gewesen. Sie hätte ihn hassen mögen, daß er so klar und sicher auf seinem Rechte bestand und nicht nachgab. Und aus der Tiefe ihrer Seele schrie weinender Jammer auf: Ich kann ihn ja nicht lassen, ich muß ja ohne ihn sterben. O Heinz! Was War das? War sie denn gefangen? Hatte sie denn einen Strick am Fuße? Stricke kann man zerreißen, sie hätte nur zu Heinz zu sagen brauchen: Gib mir meinen Ring wieder. Aber sie hatte es nicht zu sagen gewagt. Wie, wenn das Band tiefer und fester sitzt? Am Herzen? an der Seele? Kann man das mich lösen durch ein: Ich will nicht? Jsts da auch mit einem: „Ich mag ihn nicht" getan? — Wo bleiben wir? Wo bleibt unsre Herrschaft über uns selbst, wenn es unser Los ist, von Mächten überfallen zu werden, die wir nicht bändigen können, denen wir nicht trotzen können, die uns zu Boden werfen und uns mit Ketten binden, da, wo es uns am meisten schmerzt, gebunden zu sein? Einem Pferde legt man den Zügel ins Maul, nicht um den Hals; ist dem Menschen der Zügel ans Herz gelegt, so ist er sicherer gebändigt als ein Pferd durch den Zügel im Maule. Es ist nicht Amor der himmlische Gassenbube, der Pfeile versendet, es sind die Machte, die in uns liegen, die mit uns geboren sind und erwachsen, und die uns eines Tages mit Rüstung und Wehr überfallen und knechten. Was hilft dagegen alles kluge Reden, und was weiß man von sich, wenn man das noch nicht erfahren hat? ^ " ^ Eva hatte in der Pension im Geschichtsunterricht davon gehört, daß eine un¬ glückliche Königin auf der Flucht nach Memel diese Worte mit ihrem Ring in die Glasscheibe des Fensters eines Bauernhauses geritzt habe. Es hatte ihr nicht imponiert, sie hatte über den kleinmütigen Jammer gelacht, und als sie einen deutschen Aufsatz über die Sentenz hatte schreiben sollen, hatte sie das Thema mit kecker Ungezogen¬ heit und völliger Verkennung seines Sinnes behandelt und dafür eine Strafpredigt erhalten, die sie zu den übrigen gelegt hatte. Jetzt fing sie an einzusehen, daß sie recht wenig von dem verstanden hatte, was sie sich leichtherzig zu beurteilen er¬ laubte. Wie die Wasserspinne über das Wasser, so war sie über die glatte, glänzende Oberfläche ihres Lebens gelaufen, ohne auch nur den Fuß zu netzen; wenn sie jetzt in langen Nächten in ihrem Bette saß, ohne schlafen zu können, fing das Verständnis an, ihr aufzugehn, daß es uuter der sonnigen Oberfläche des Lebens dunkle Tiefen gibt, und daß Kräfte in der innern Welt wirken, die die eigentlichen Herren sind, nicht der Mensch, der sich töricht Herr nennt, weil er den Zügel, der ihn leitet, verbergen kann. Und wer hatte ihr die Binde von den Augen genommen? Er! Heinz! Sie hätte ihm darum zürnen mögen, wenn sie ihn nicht so heiß geliebt hätte. Wie nahe liegen Haß und Liebe beieinander! Aber Tauenden wurde nicht von finstern Mächten ins Leid hineingestoßen. Wenn Eva an Tauenden dachte, war es ihr, als wenn sich alle Schatten auseinauder- täten. Tauenden, die es in ihrem Leben doch wahrlich nicht leicht hatte, ging leichten, und sichern Schrittes ihres Weges. Alles lag auf ihrer Schulter, jeder hatte sein Anliegen an sie, keine Minute hatte sie für sich, und doch hatte noch nie jemand sie unzufrieden gesehen. Wie machte sie das? Sie kämpfte nicht um die Herrschaft und war doch unbestrittne Herrin ihrer Umgebung; alle, auch „er" mußten tun, was sie wollte. Wenn man dem Tauenden unter die Flügel kriechen könnte, wenn man sie um Rat fragen, ihr das Herz ausschütten könnte! Aber das war un- Grenzboten III 1905 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/169>, abgerufen am 27.09.2024.