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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

als besondres Zugstück einen Elefanten. Mit der Böhmeschen Menagerie hatten
wir eine neue Drcssnrnummer bekommen, eine Dame (Böhmes Tochter), die sich
mit Wölfen und Hyänen produzierte. Allerdings war auch ein Tierbändiger namens
Robert Webelhorst vorhanden, der aber noch nicht auftrat, sonder" erst mit drei
etwa zweieinhalbjährigen Löwen übte. Unter den Tieren war eine Löwin, die dem
Unterricht wenig Geschmack abzugewinnen wußte und sich eines Tages dazu hin¬
reißen ließ, ihren Lehrmeister in die Wade zu beißen. Die Löwin wurde fortan
als unbrauchbar aus der Gruppe ausgeschieden, aber Webelhorst hatte sechs Wochen
an seiner Wunde zu laborieren.

Das Geschäft in München ging sehr flott, besonders der dritte Platz war gut
besucht, sodaß einmal die sich dort drängenden Bauern beinahe das Lattenspalier
durchbrochen hätten. Schon frühmorgens wurde mit Parademachen und Vor-
stellunggebeu begonnen, dafür mußte die Bude aber Abends um sieben schon ge¬
schlossen werden. Außer den Schaubuden gab es auf der Theresienwiese noch manche
andre Sehenswürdigkeiten und Zerstreuungen; so eine Tombola, ein Wettrennen
und eine Ochsenbraterei, auch war mit dem Volksfeste eine landwirtschaftliche Aus¬
stellung verbunden. Gegen Schluß des Oktoberfestes trat plötzlich Winterwetter
mit Schneefall ein. Ehe wir abbrachen und einpackten, verließ einer der Böhmischen
Angestellten, ein Luzerner namens Anton Brunner, den Dienst und trat bei Böhmes
Bruder, dem Panoramenbesitzer, ein. Ich erwähne dieses, weil ich mit dem Manne
später wieder zusammengetroffen bin und lange Zeit mit ihm gemeinsam ge¬
arbeitet habe.

Nach dem Abbrechen und Verladen der Menagerie, was bis zum Abend gegen
fünf Uhr gedauert hatte, erhielt ich den Auftrag, in Gesellschaft des Kutschers zwei
Schlachtpferde uach Regensburg zu bringen, wo wir Vorstellungen geben wollten.
Wir nahmen den kleinen Wagen, der zum Einholen des Proviants diente, be¬
spannten ihn mit den beiden Schlachtopfern und fuhren vom Abend fünf bis zur
nächsten Nacht um zwei Uhr früh. In Regensburg stellten wir die Pferde in den
Stall eines Gasthofs, gingen auf die Bahn und suchten uns unser Nachtquartier
im Zentralkäfig. Am andern Morgen luden wir aus, brachten unsre vierzehn
Wagen auf den uns angewiesnen Platz in Stadt am Hof, gegenüber von Regens¬
burg, und bauten dort auf. Hier blieben wir vier Wochen, machten gute Geschäfte
und erwarben von der Kaufmannschen Menagerie, die damals gerade in Augsburg
ihren Ticrbestand verkaufte, einen Wagen mit Affen, worunter drei der sehr seltnen
Dscheladaaffen (cÜMoooxlilllns (ZÄ-M) waren, und ein Lama. Die Dscheladas ge¬
hören zu deu Hundskopfaffen, stammen aus Abessinien und zeichnen sich durch ihre
lange schwarze Behaarung, durch die pelerinenartig hängenden Schulterhaare und
ganz besonders durch eine kahle Stelle auf der Brust aus, deren Farbe je nach
der Gemütsstimmung des Tieres wechselt. Der Fleck ist gewöhnlich fleischfarben,
wird aber, sobald das Tier gereizt wird, hochrot. Man sieht diese Affen in Me¬
nagerien und zoologischen Gärten sehr selten, ich selbst habe nach diesen nie wieder
welche zu Gesicht bekommen.

Von Regensburg reisten wir wieder nach München, wo wir bei einem Zimmer¬
meister einen großen Bretterbau für unser Winterquartier bestellt hatten. Vier
der Angestellten, d. h. der Kutscher, zwei Böhmische Leute und ich, sollten von
Regensburg neun Schlachtpferde nachbringen und erhielten als Wegzehrung für
uns und die neun Pferde im ganzen neun Mark. Wir luden zur Vorsicht das
Werkzeug zum Schlachten und etwas Futter auf den Wagen und machten uns mit
unsern neun Schutzbefohlnen bei naßkalten Novemberwetter auf den Weg, Die
Pferde Sachen nicht gerade verführerisch aus, einer der Gäule war so mager, daß
ihm die Knochen an allen Seiten herausstanden, ein andrer war blind, ein dritter
lahm. Unterwegs mußten wir hier und da auch uoch Chausseegeld bezahlen, wo¬
durch unser Reisestipeudium sehr zusammenschmolz. Ich kam ans den Gedanken, mich
beritten zu macheu, und kletterte mit Hilfe eines Bauern auf einen alten, hoch-


Grenzboten III 1905 20
Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

als besondres Zugstück einen Elefanten. Mit der Böhmeschen Menagerie hatten
wir eine neue Drcssnrnummer bekommen, eine Dame (Böhmes Tochter), die sich
mit Wölfen und Hyänen produzierte. Allerdings war auch ein Tierbändiger namens
Robert Webelhorst vorhanden, der aber noch nicht auftrat, sonder» erst mit drei
etwa zweieinhalbjährigen Löwen übte. Unter den Tieren war eine Löwin, die dem
Unterricht wenig Geschmack abzugewinnen wußte und sich eines Tages dazu hin¬
reißen ließ, ihren Lehrmeister in die Wade zu beißen. Die Löwin wurde fortan
als unbrauchbar aus der Gruppe ausgeschieden, aber Webelhorst hatte sechs Wochen
an seiner Wunde zu laborieren.

Das Geschäft in München ging sehr flott, besonders der dritte Platz war gut
besucht, sodaß einmal die sich dort drängenden Bauern beinahe das Lattenspalier
durchbrochen hätten. Schon frühmorgens wurde mit Parademachen und Vor-
stellunggebeu begonnen, dafür mußte die Bude aber Abends um sieben schon ge¬
schlossen werden. Außer den Schaubuden gab es auf der Theresienwiese noch manche
andre Sehenswürdigkeiten und Zerstreuungen; so eine Tombola, ein Wettrennen
und eine Ochsenbraterei, auch war mit dem Volksfeste eine landwirtschaftliche Aus¬
stellung verbunden. Gegen Schluß des Oktoberfestes trat plötzlich Winterwetter
mit Schneefall ein. Ehe wir abbrachen und einpackten, verließ einer der Böhmischen
Angestellten, ein Luzerner namens Anton Brunner, den Dienst und trat bei Böhmes
Bruder, dem Panoramenbesitzer, ein. Ich erwähne dieses, weil ich mit dem Manne
später wieder zusammengetroffen bin und lange Zeit mit ihm gemeinsam ge¬
arbeitet habe.

Nach dem Abbrechen und Verladen der Menagerie, was bis zum Abend gegen
fünf Uhr gedauert hatte, erhielt ich den Auftrag, in Gesellschaft des Kutschers zwei
Schlachtpferde uach Regensburg zu bringen, wo wir Vorstellungen geben wollten.
Wir nahmen den kleinen Wagen, der zum Einholen des Proviants diente, be¬
spannten ihn mit den beiden Schlachtopfern und fuhren vom Abend fünf bis zur
nächsten Nacht um zwei Uhr früh. In Regensburg stellten wir die Pferde in den
Stall eines Gasthofs, gingen auf die Bahn und suchten uns unser Nachtquartier
im Zentralkäfig. Am andern Morgen luden wir aus, brachten unsre vierzehn
Wagen auf den uns angewiesnen Platz in Stadt am Hof, gegenüber von Regens¬
burg, und bauten dort auf. Hier blieben wir vier Wochen, machten gute Geschäfte
und erwarben von der Kaufmannschen Menagerie, die damals gerade in Augsburg
ihren Ticrbestand verkaufte, einen Wagen mit Affen, worunter drei der sehr seltnen
Dscheladaaffen (cÜMoooxlilllns (ZÄ-M) waren, und ein Lama. Die Dscheladas ge¬
hören zu deu Hundskopfaffen, stammen aus Abessinien und zeichnen sich durch ihre
lange schwarze Behaarung, durch die pelerinenartig hängenden Schulterhaare und
ganz besonders durch eine kahle Stelle auf der Brust aus, deren Farbe je nach
der Gemütsstimmung des Tieres wechselt. Der Fleck ist gewöhnlich fleischfarben,
wird aber, sobald das Tier gereizt wird, hochrot. Man sieht diese Affen in Me¬
nagerien und zoologischen Gärten sehr selten, ich selbst habe nach diesen nie wieder
welche zu Gesicht bekommen.

Von Regensburg reisten wir wieder nach München, wo wir bei einem Zimmer¬
meister einen großen Bretterbau für unser Winterquartier bestellt hatten. Vier
der Angestellten, d. h. der Kutscher, zwei Böhmische Leute und ich, sollten von
Regensburg neun Schlachtpferde nachbringen und erhielten als Wegzehrung für
uns und die neun Pferde im ganzen neun Mark. Wir luden zur Vorsicht das
Werkzeug zum Schlachten und etwas Futter auf den Wagen und machten uns mit
unsern neun Schutzbefohlnen bei naßkalten Novemberwetter auf den Weg, Die
Pferde Sachen nicht gerade verführerisch aus, einer der Gäule war so mager, daß
ihm die Knochen an allen Seiten herausstanden, ein andrer war blind, ein dritter
lahm. Unterwegs mußten wir hier und da auch uoch Chausseegeld bezahlen, wo¬
durch unser Reisestipeudium sehr zusammenschmolz. Ich kam ans den Gedanken, mich
beritten zu macheu, und kletterte mit Hilfe eines Bauern auf einen alten, hoch-


Grenzboten III 1905 20
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[0161] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren als besondres Zugstück einen Elefanten. Mit der Böhmeschen Menagerie hatten wir eine neue Drcssnrnummer bekommen, eine Dame (Böhmes Tochter), die sich mit Wölfen und Hyänen produzierte. Allerdings war auch ein Tierbändiger namens Robert Webelhorst vorhanden, der aber noch nicht auftrat, sonder» erst mit drei etwa zweieinhalbjährigen Löwen übte. Unter den Tieren war eine Löwin, die dem Unterricht wenig Geschmack abzugewinnen wußte und sich eines Tages dazu hin¬ reißen ließ, ihren Lehrmeister in die Wade zu beißen. Die Löwin wurde fortan als unbrauchbar aus der Gruppe ausgeschieden, aber Webelhorst hatte sechs Wochen an seiner Wunde zu laborieren. Das Geschäft in München ging sehr flott, besonders der dritte Platz war gut besucht, sodaß einmal die sich dort drängenden Bauern beinahe das Lattenspalier durchbrochen hätten. Schon frühmorgens wurde mit Parademachen und Vor- stellunggebeu begonnen, dafür mußte die Bude aber Abends um sieben schon ge¬ schlossen werden. Außer den Schaubuden gab es auf der Theresienwiese noch manche andre Sehenswürdigkeiten und Zerstreuungen; so eine Tombola, ein Wettrennen und eine Ochsenbraterei, auch war mit dem Volksfeste eine landwirtschaftliche Aus¬ stellung verbunden. Gegen Schluß des Oktoberfestes trat plötzlich Winterwetter mit Schneefall ein. Ehe wir abbrachen und einpackten, verließ einer der Böhmischen Angestellten, ein Luzerner namens Anton Brunner, den Dienst und trat bei Böhmes Bruder, dem Panoramenbesitzer, ein. Ich erwähne dieses, weil ich mit dem Manne später wieder zusammengetroffen bin und lange Zeit mit ihm gemeinsam ge¬ arbeitet habe. Nach dem Abbrechen und Verladen der Menagerie, was bis zum Abend gegen fünf Uhr gedauert hatte, erhielt ich den Auftrag, in Gesellschaft des Kutschers zwei Schlachtpferde uach Regensburg zu bringen, wo wir Vorstellungen geben wollten. Wir nahmen den kleinen Wagen, der zum Einholen des Proviants diente, be¬ spannten ihn mit den beiden Schlachtopfern und fuhren vom Abend fünf bis zur nächsten Nacht um zwei Uhr früh. In Regensburg stellten wir die Pferde in den Stall eines Gasthofs, gingen auf die Bahn und suchten uns unser Nachtquartier im Zentralkäfig. Am andern Morgen luden wir aus, brachten unsre vierzehn Wagen auf den uns angewiesnen Platz in Stadt am Hof, gegenüber von Regens¬ burg, und bauten dort auf. Hier blieben wir vier Wochen, machten gute Geschäfte und erwarben von der Kaufmannschen Menagerie, die damals gerade in Augsburg ihren Ticrbestand verkaufte, einen Wagen mit Affen, worunter drei der sehr seltnen Dscheladaaffen (cÜMoooxlilllns (ZÄ-M) waren, und ein Lama. Die Dscheladas ge¬ hören zu deu Hundskopfaffen, stammen aus Abessinien und zeichnen sich durch ihre lange schwarze Behaarung, durch die pelerinenartig hängenden Schulterhaare und ganz besonders durch eine kahle Stelle auf der Brust aus, deren Farbe je nach der Gemütsstimmung des Tieres wechselt. Der Fleck ist gewöhnlich fleischfarben, wird aber, sobald das Tier gereizt wird, hochrot. Man sieht diese Affen in Me¬ nagerien und zoologischen Gärten sehr selten, ich selbst habe nach diesen nie wieder welche zu Gesicht bekommen. Von Regensburg reisten wir wieder nach München, wo wir bei einem Zimmer¬ meister einen großen Bretterbau für unser Winterquartier bestellt hatten. Vier der Angestellten, d. h. der Kutscher, zwei Böhmische Leute und ich, sollten von Regensburg neun Schlachtpferde nachbringen und erhielten als Wegzehrung für uns und die neun Pferde im ganzen neun Mark. Wir luden zur Vorsicht das Werkzeug zum Schlachten und etwas Futter auf den Wagen und machten uns mit unsern neun Schutzbefohlnen bei naßkalten Novemberwetter auf den Weg, Die Pferde Sachen nicht gerade verführerisch aus, einer der Gäule war so mager, daß ihm die Knochen an allen Seiten herausstanden, ein andrer war blind, ein dritter lahm. Unterwegs mußten wir hier und da auch uoch Chausseegeld bezahlen, wo¬ durch unser Reisestipeudium sehr zusammenschmolz. Ich kam ans den Gedanken, mich beritten zu macheu, und kletterte mit Hilfe eines Bauern auf einen alten, hoch- Grenzboten III 1905 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/161>, abgerufen am 27.09.2024.