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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Romödianten und wilden Tieren

bei ich aber für das Menageriewesen schon lange eine stille Leidenschaft hatte und
mir überdies sagte, daß ich als Backer in Bayern kaum Arbeit finden würde, so
entschloß ich mich, die Stelle bei Berg anzunehmen. Zu der Menagerie gehörte
ein Wohnwagen, worin der Besitzer mit seiner Frau, zwei Kindern und dem Dienst¬
mädchen wohnte, der Wagen des Zentralkäfigs, worin die kleinern Holzteile, die
Leinwand und Gerätschaften verwahrt wurden, und außerdem gehörten dazu fünf
Tierwagen. Während bei andern Menagerien das Budenholz einen besondern Last¬
wagen beansprucht, der in der Regel von einem Spediteur gestellt wird, wurde
bei der Bergheher Menagerie das gesamte Holz unter die Wagen geladen. Ich
bekam nun zwei Tierwagen zugewiesen und mußte die zu diesen Wagen gehörenden
Käfige reinigen und die Tiere verpflegen. Meine Schutzbefohlnen waren der Eis¬
bär, der bengalische Tiger, die beiden Hyänen, die Wölfe und der Rehbock. Von
Personal waren bei der Menagerie außer dem schon genannten Dienstmädchen, das
die Dressur "machte," ein Kutscher, der den Ponywagen zu Reklamezwecken kut¬
schierte und die Einkäufe besorgte, drei Wärter, von denen einer zugleich die Re-
kommendation und die Explikation machte, und sieben böhmische Musiker, die als
"echte Böhmen" an ihren hohen Mützen kenntlich waren. Diese Musikanten er¬
hielten an den Tagen, wo sie spielten, jeder drei Mark, sonst zwei Mark bis zwei
Mark fünfzig Pfennige. Sie kochten selbst und lebten sehr bescheiden, da sie Geld
für die Heimreise im Herbst nach Böhmen und für die Rückreise im Frühjahr
sparen mußten und außerdem ihren Familien daheim Geld zu schicken pflegten. Sie
mußten auch beim Aufbau und beim Abbrechen der Bude zugreifen, sich beim Reine¬
machen beteiligen und etwaige Reparaturen vornehmen. Sie schliefen in der Bude
selbst auf dem dritten Platze, während die übrigen Angestellten im Zentralkäfig auf
Stroh ihr Nachtlager aufschlugen.

Eines Tages wurde nach der Abendvorstellung bekannt gemacht, daß die
Menagerie nur noch wenig Tage in Landshut bliebe. Als die letzte Vorstellung
um zehn Uhr beendet war, brachen wir ab, versorgten noch einmal die Tiere und
schlössen die Wagen. Früh um sechs ging es dann nach der Bahn, wo die Wagen
auf Loris verladen und nach Deggendorf, wo ein großes Volksfest stattfinde" sollte,
verfrachtet wurden. Dort waren auf der Festwiese schon zwei Menagerien, die
von Wilhelm Böhme und die von Endres. Wir mußten uns deshalb mit dem
Ausladen auf der Bahn und dem Transport nach der Wiese beeilen. Der Platz
war schon abgesteckt; dem Rekommandeur und mir wurde nun der Auftrag, die
Wagen in einer langen Reihe aufzustellen, was in der Regel keine leichte Arbeit
ist, denn da das Terrain gewöhnlich uneben ist, muß der Platz stellenweise vertieft,
stellenweise durch untergelegte Holzstücke erhöht werden. Außerdem Pflegt man die
Wagen an der hintern Seite etwas höher zu stellen als vorn, damit das Wasser
leichter ablaufen kann. Während wir dieses Geschäft verrichteten, schraubten die
Musikanten die Holzteile zusammen und stellten die Wände auf. Dann besorgten
sie die Dekoration der Kasse und bauten ihr Orchester in der Bude und das
Paradepodium vor der Bude auf, während wir Tierwttrter die Wagen öffneten und
die Käfige reinigten. Bei diesem Volksfeste veranstalteten wir jeden Tag sechs
Vorstellungen und konnten mit dem Erfolge zufrieden sein, obwohl wir einen harten
Konkurrenzkampf mit den beiden andern Menagerien zu bestehn hatten. Wir mußten
alles mögliche tun, das Publikum anzulocken, mußten Zettel austragen, den Reklame¬
wagen fahren lassen und anstrengende Paraden machen.

Nach Ablauf des Volksfestes, das acht Tage gedauert hatte, reisten wir nach
Freising, wo wir "privat" standen, d. h. ohne besondern festlichen Anlaß Vor¬
stellungen gaben. Von Freising ging es zum Oktoberfest nach München. Dort
wurde unsre Menagerie mit der von Wilhelm Böhme unter der Firma "Christian
Berg" vereinigt, jedoch so, daß jeder der Teilhaber die Futterkosten für seine Ab¬
teilung auf eigne Rechnung übernahm. Dadurch war die Menagerie wesentlich ver¬
größert worden, wir hatten jetzt vierzehn Wagen, darunter einen Affenwagen, und


Unter Runden, Romödianten und wilden Tieren

bei ich aber für das Menageriewesen schon lange eine stille Leidenschaft hatte und
mir überdies sagte, daß ich als Backer in Bayern kaum Arbeit finden würde, so
entschloß ich mich, die Stelle bei Berg anzunehmen. Zu der Menagerie gehörte
ein Wohnwagen, worin der Besitzer mit seiner Frau, zwei Kindern und dem Dienst¬
mädchen wohnte, der Wagen des Zentralkäfigs, worin die kleinern Holzteile, die
Leinwand und Gerätschaften verwahrt wurden, und außerdem gehörten dazu fünf
Tierwagen. Während bei andern Menagerien das Budenholz einen besondern Last¬
wagen beansprucht, der in der Regel von einem Spediteur gestellt wird, wurde
bei der Bergheher Menagerie das gesamte Holz unter die Wagen geladen. Ich
bekam nun zwei Tierwagen zugewiesen und mußte die zu diesen Wagen gehörenden
Käfige reinigen und die Tiere verpflegen. Meine Schutzbefohlnen waren der Eis¬
bär, der bengalische Tiger, die beiden Hyänen, die Wölfe und der Rehbock. Von
Personal waren bei der Menagerie außer dem schon genannten Dienstmädchen, das
die Dressur „machte," ein Kutscher, der den Ponywagen zu Reklamezwecken kut¬
schierte und die Einkäufe besorgte, drei Wärter, von denen einer zugleich die Re-
kommendation und die Explikation machte, und sieben böhmische Musiker, die als
„echte Böhmen" an ihren hohen Mützen kenntlich waren. Diese Musikanten er¬
hielten an den Tagen, wo sie spielten, jeder drei Mark, sonst zwei Mark bis zwei
Mark fünfzig Pfennige. Sie kochten selbst und lebten sehr bescheiden, da sie Geld
für die Heimreise im Herbst nach Böhmen und für die Rückreise im Frühjahr
sparen mußten und außerdem ihren Familien daheim Geld zu schicken pflegten. Sie
mußten auch beim Aufbau und beim Abbrechen der Bude zugreifen, sich beim Reine¬
machen beteiligen und etwaige Reparaturen vornehmen. Sie schliefen in der Bude
selbst auf dem dritten Platze, während die übrigen Angestellten im Zentralkäfig auf
Stroh ihr Nachtlager aufschlugen.

Eines Tages wurde nach der Abendvorstellung bekannt gemacht, daß die
Menagerie nur noch wenig Tage in Landshut bliebe. Als die letzte Vorstellung
um zehn Uhr beendet war, brachen wir ab, versorgten noch einmal die Tiere und
schlössen die Wagen. Früh um sechs ging es dann nach der Bahn, wo die Wagen
auf Loris verladen und nach Deggendorf, wo ein großes Volksfest stattfinde» sollte,
verfrachtet wurden. Dort waren auf der Festwiese schon zwei Menagerien, die
von Wilhelm Böhme und die von Endres. Wir mußten uns deshalb mit dem
Ausladen auf der Bahn und dem Transport nach der Wiese beeilen. Der Platz
war schon abgesteckt; dem Rekommandeur und mir wurde nun der Auftrag, die
Wagen in einer langen Reihe aufzustellen, was in der Regel keine leichte Arbeit
ist, denn da das Terrain gewöhnlich uneben ist, muß der Platz stellenweise vertieft,
stellenweise durch untergelegte Holzstücke erhöht werden. Außerdem Pflegt man die
Wagen an der hintern Seite etwas höher zu stellen als vorn, damit das Wasser
leichter ablaufen kann. Während wir dieses Geschäft verrichteten, schraubten die
Musikanten die Holzteile zusammen und stellten die Wände auf. Dann besorgten
sie die Dekoration der Kasse und bauten ihr Orchester in der Bude und das
Paradepodium vor der Bude auf, während wir Tierwttrter die Wagen öffneten und
die Käfige reinigten. Bei diesem Volksfeste veranstalteten wir jeden Tag sechs
Vorstellungen und konnten mit dem Erfolge zufrieden sein, obwohl wir einen harten
Konkurrenzkampf mit den beiden andern Menagerien zu bestehn hatten. Wir mußten
alles mögliche tun, das Publikum anzulocken, mußten Zettel austragen, den Reklame¬
wagen fahren lassen und anstrengende Paraden machen.

Nach Ablauf des Volksfestes, das acht Tage gedauert hatte, reisten wir nach
Freising, wo wir „privat" standen, d. h. ohne besondern festlichen Anlaß Vor¬
stellungen gaben. Von Freising ging es zum Oktoberfest nach München. Dort
wurde unsre Menagerie mit der von Wilhelm Böhme unter der Firma „Christian
Berg" vereinigt, jedoch so, daß jeder der Teilhaber die Futterkosten für seine Ab¬
teilung auf eigne Rechnung übernahm. Dadurch war die Menagerie wesentlich ver¬
größert worden, wir hatten jetzt vierzehn Wagen, darunter einen Affenwagen, und


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[0160] Unter Runden, Romödianten und wilden Tieren bei ich aber für das Menageriewesen schon lange eine stille Leidenschaft hatte und mir überdies sagte, daß ich als Backer in Bayern kaum Arbeit finden würde, so entschloß ich mich, die Stelle bei Berg anzunehmen. Zu der Menagerie gehörte ein Wohnwagen, worin der Besitzer mit seiner Frau, zwei Kindern und dem Dienst¬ mädchen wohnte, der Wagen des Zentralkäfigs, worin die kleinern Holzteile, die Leinwand und Gerätschaften verwahrt wurden, und außerdem gehörten dazu fünf Tierwagen. Während bei andern Menagerien das Budenholz einen besondern Last¬ wagen beansprucht, der in der Regel von einem Spediteur gestellt wird, wurde bei der Bergheher Menagerie das gesamte Holz unter die Wagen geladen. Ich bekam nun zwei Tierwagen zugewiesen und mußte die zu diesen Wagen gehörenden Käfige reinigen und die Tiere verpflegen. Meine Schutzbefohlnen waren der Eis¬ bär, der bengalische Tiger, die beiden Hyänen, die Wölfe und der Rehbock. Von Personal waren bei der Menagerie außer dem schon genannten Dienstmädchen, das die Dressur „machte," ein Kutscher, der den Ponywagen zu Reklamezwecken kut¬ schierte und die Einkäufe besorgte, drei Wärter, von denen einer zugleich die Re- kommendation und die Explikation machte, und sieben böhmische Musiker, die als „echte Böhmen" an ihren hohen Mützen kenntlich waren. Diese Musikanten er¬ hielten an den Tagen, wo sie spielten, jeder drei Mark, sonst zwei Mark bis zwei Mark fünfzig Pfennige. Sie kochten selbst und lebten sehr bescheiden, da sie Geld für die Heimreise im Herbst nach Böhmen und für die Rückreise im Frühjahr sparen mußten und außerdem ihren Familien daheim Geld zu schicken pflegten. Sie mußten auch beim Aufbau und beim Abbrechen der Bude zugreifen, sich beim Reine¬ machen beteiligen und etwaige Reparaturen vornehmen. Sie schliefen in der Bude selbst auf dem dritten Platze, während die übrigen Angestellten im Zentralkäfig auf Stroh ihr Nachtlager aufschlugen. Eines Tages wurde nach der Abendvorstellung bekannt gemacht, daß die Menagerie nur noch wenig Tage in Landshut bliebe. Als die letzte Vorstellung um zehn Uhr beendet war, brachen wir ab, versorgten noch einmal die Tiere und schlössen die Wagen. Früh um sechs ging es dann nach der Bahn, wo die Wagen auf Loris verladen und nach Deggendorf, wo ein großes Volksfest stattfinde» sollte, verfrachtet wurden. Dort waren auf der Festwiese schon zwei Menagerien, die von Wilhelm Böhme und die von Endres. Wir mußten uns deshalb mit dem Ausladen auf der Bahn und dem Transport nach der Wiese beeilen. Der Platz war schon abgesteckt; dem Rekommandeur und mir wurde nun der Auftrag, die Wagen in einer langen Reihe aufzustellen, was in der Regel keine leichte Arbeit ist, denn da das Terrain gewöhnlich uneben ist, muß der Platz stellenweise vertieft, stellenweise durch untergelegte Holzstücke erhöht werden. Außerdem Pflegt man die Wagen an der hintern Seite etwas höher zu stellen als vorn, damit das Wasser leichter ablaufen kann. Während wir dieses Geschäft verrichteten, schraubten die Musikanten die Holzteile zusammen und stellten die Wände auf. Dann besorgten sie die Dekoration der Kasse und bauten ihr Orchester in der Bude und das Paradepodium vor der Bude auf, während wir Tierwttrter die Wagen öffneten und die Käfige reinigten. Bei diesem Volksfeste veranstalteten wir jeden Tag sechs Vorstellungen und konnten mit dem Erfolge zufrieden sein, obwohl wir einen harten Konkurrenzkampf mit den beiden andern Menagerien zu bestehn hatten. Wir mußten alles mögliche tun, das Publikum anzulocken, mußten Zettel austragen, den Reklame¬ wagen fahren lassen und anstrengende Paraden machen. Nach Ablauf des Volksfestes, das acht Tage gedauert hatte, reisten wir nach Freising, wo wir „privat" standen, d. h. ohne besondern festlichen Anlaß Vor¬ stellungen gaben. Von Freising ging es zum Oktoberfest nach München. Dort wurde unsre Menagerie mit der von Wilhelm Böhme unter der Firma „Christian Berg" vereinigt, jedoch so, daß jeder der Teilhaber die Futterkosten für seine Ab¬ teilung auf eigne Rechnung übernahm. Dadurch war die Menagerie wesentlich ver¬ größert worden, wir hatten jetzt vierzehn Wagen, darunter einen Affenwagen, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/160>, abgerufen am 27.09.2024.