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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

weil ich Bciyreuth, von dem alle Welt sprach, sehen wollte, mußten wir in wahren
Eilmärschen, zu denen wir häufig auch die Nacht gebrauchten, weiter wandern und
gelangten über Erlangen, Nürnberg und Regensburg nach dem Dorfe Neuhauser,
wo mein Kollege schon bekannt war. Wir wanderten nach der Mühle, und mein
Begleiter begrüßte den Müller mit den Worten: "Griaß Gott, he Bauer, wenn
fangets a mit Hopfebrucke?" Der Müller erwiderte, nachdem er uns von oben
bis unten betrachtet hatte: "Mer fangets am Montag a, kennets komme." Damit
waren wir engagiert und wanderten auf das nächste Dorf, wo mir mein Begleiter
ein freies Nachtquartier in Aussicht stellte. Als wir dort angekommen waren,
gingen wir in das erste beste Bauernhaus, und hier fragte der Böhme nach der
üblichen Begrüßung den Besitzer: "He Bauer, wollts uns über Nacht behalte?"
was dieser, nachdem er uns ebenfalls sorgfältig geprüft hatte, bejahte. Wir setzten
uns an einen großen runden Tisch auf der Hausflur und erhielten bald unser
Abendbrot aufgetragen. Die Bauernfamilie ließ aber wohlweislich die Wohnstuben-
tür auf, um uns beobachten zu können. Unsre Wirte begannen mit dem üblichen
Gebet, und auch wir folgten diesem Brauche und unterließen auch nicht, das Kreuz
zu schlagen.

Dann löffelten wir unsre Suppe und wurden bald darauf zum Übermächten
in den Kuhstall geführt. Ich hatte mich, müde wie ich war, ein wenig entkleidet
und auf das Stroh gestreckt, ohne das Lokal und meine Nachbarschaft genau zu
mustern. In der Nacht spürte ich etwas Weiches und Warmes, das meine Füße
bedeckte, und merkte am andern Morgen, daß ich meinen spinatgrünen Fußwttrmer
einer Kuh zu verdanken hatte, die mir ihr Hinterteil zukehrte. Am Morgen machten
wir an der Pumpe Toilette und wuschen uns das Gesicht auf eine mir bis dahin
ungewohnte Weise: wir füllten einen Maßkrug mit Wasser, nahmen davon einen
gehörigen Mund voll, ließen es langsam in die Hände laufen und wuschen uns so
das Gesicht. Das Taschentuch mußte bei dieser Reinigung das fehlende Handtuch
ersetzen. Zum Frühstück gab es wieder eine Suppe, für die wir mit den Worten
"Vergelts Gott" dankten, worauf uns der Bauer mit einem "Segns Gott" ent¬
ließ. Wir benutzten den Sonntag dazu, in den Wirtschaften "schmal zu machen,"
d. h. die Gaste anzubetteln, die auch reichlich steckten. Am Abend begaben wir uns
nach einem andern Dorfe, fanden auch wieder ein freies Nachtquartier und waren
am Montag früh um fünf Uhr schon unterwegs nach Neuhauser. Bevor wir mit
Pferd und Wagen nach dem Hopfengarten aufbrachen, erhielten wir eine Suppe,
der natürlich wieder ein Gebet voranging und folgte. Dann machten wir uns auf
den Weg und erreichten in etwa einer Viertelstunde das Arbeitsfeld, auf dem
wir uns zunächst betätigen sollten. Der Hopfen wurde dort an langen Stangen
gezogen, die er von unten bis oben umwickelte. Wir mußten die Pflanzen dicht
über der Erde abschneiden und die Stange samt ihrer grünen Umhüllung mit dem
Heber aus der Erde heben, umlegen und dann das Hopfengerank abwickeln. Diese
Ranken wurden zu Bündeln vereinigt und nach der Tenne gefahren, wo sich der
Besitzer selbst, seine beiden Töchter, zeitweise auch seine Frau, und vier Handwerks¬
burschen damit beschäftigten, die Blüten abzupflücken, die in Körben gesammelt und
nachher auf dem Boden zum Trocknen ausgebreitet wurden. Zum zweiten Früh¬
stück gab es eine Maß Bier, einen Rettich und ein Stück trocknes Brot, Mittags
Knötel und Fleisch auf Holztellern, Nachmittags wieder eine Maß Bier mit Rettich
und Brot, Abends eine dicke Suppe oder Dampfnudeln. Bei der Arbeit wurde ge¬
sungen und erzählt. Nachts schliefen wir auf dem Heuboden.

In Neuhauser brachte ich mit dem Hopfenznpfcn vierzehn Tage zu, und als
die Arbeit fertig war, wurde ich um einem Sonntag früh entlassen und wanderte
noch an demselben Tage nach Landshut, wo ich Nachmittags um drei Uhr anlangte.
Ich will nicht verschweigen, daß ich auf dieser Wanderung in einem Dorfe, dessen
Name mir leider entfallen ist, das beste Bier getrunken habe, das mir in meinem
Leben vorgekommen ist.


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

weil ich Bciyreuth, von dem alle Welt sprach, sehen wollte, mußten wir in wahren
Eilmärschen, zu denen wir häufig auch die Nacht gebrauchten, weiter wandern und
gelangten über Erlangen, Nürnberg und Regensburg nach dem Dorfe Neuhauser,
wo mein Kollege schon bekannt war. Wir wanderten nach der Mühle, und mein
Begleiter begrüßte den Müller mit den Worten: „Griaß Gott, he Bauer, wenn
fangets a mit Hopfebrucke?" Der Müller erwiderte, nachdem er uns von oben
bis unten betrachtet hatte: „Mer fangets am Montag a, kennets komme." Damit
waren wir engagiert und wanderten auf das nächste Dorf, wo mir mein Begleiter
ein freies Nachtquartier in Aussicht stellte. Als wir dort angekommen waren,
gingen wir in das erste beste Bauernhaus, und hier fragte der Böhme nach der
üblichen Begrüßung den Besitzer: „He Bauer, wollts uns über Nacht behalte?"
was dieser, nachdem er uns ebenfalls sorgfältig geprüft hatte, bejahte. Wir setzten
uns an einen großen runden Tisch auf der Hausflur und erhielten bald unser
Abendbrot aufgetragen. Die Bauernfamilie ließ aber wohlweislich die Wohnstuben-
tür auf, um uns beobachten zu können. Unsre Wirte begannen mit dem üblichen
Gebet, und auch wir folgten diesem Brauche und unterließen auch nicht, das Kreuz
zu schlagen.

Dann löffelten wir unsre Suppe und wurden bald darauf zum Übermächten
in den Kuhstall geführt. Ich hatte mich, müde wie ich war, ein wenig entkleidet
und auf das Stroh gestreckt, ohne das Lokal und meine Nachbarschaft genau zu
mustern. In der Nacht spürte ich etwas Weiches und Warmes, das meine Füße
bedeckte, und merkte am andern Morgen, daß ich meinen spinatgrünen Fußwttrmer
einer Kuh zu verdanken hatte, die mir ihr Hinterteil zukehrte. Am Morgen machten
wir an der Pumpe Toilette und wuschen uns das Gesicht auf eine mir bis dahin
ungewohnte Weise: wir füllten einen Maßkrug mit Wasser, nahmen davon einen
gehörigen Mund voll, ließen es langsam in die Hände laufen und wuschen uns so
das Gesicht. Das Taschentuch mußte bei dieser Reinigung das fehlende Handtuch
ersetzen. Zum Frühstück gab es wieder eine Suppe, für die wir mit den Worten
„Vergelts Gott" dankten, worauf uns der Bauer mit einem „Segns Gott" ent¬
ließ. Wir benutzten den Sonntag dazu, in den Wirtschaften „schmal zu machen,"
d. h. die Gaste anzubetteln, die auch reichlich steckten. Am Abend begaben wir uns
nach einem andern Dorfe, fanden auch wieder ein freies Nachtquartier und waren
am Montag früh um fünf Uhr schon unterwegs nach Neuhauser. Bevor wir mit
Pferd und Wagen nach dem Hopfengarten aufbrachen, erhielten wir eine Suppe,
der natürlich wieder ein Gebet voranging und folgte. Dann machten wir uns auf
den Weg und erreichten in etwa einer Viertelstunde das Arbeitsfeld, auf dem
wir uns zunächst betätigen sollten. Der Hopfen wurde dort an langen Stangen
gezogen, die er von unten bis oben umwickelte. Wir mußten die Pflanzen dicht
über der Erde abschneiden und die Stange samt ihrer grünen Umhüllung mit dem
Heber aus der Erde heben, umlegen und dann das Hopfengerank abwickeln. Diese
Ranken wurden zu Bündeln vereinigt und nach der Tenne gefahren, wo sich der
Besitzer selbst, seine beiden Töchter, zeitweise auch seine Frau, und vier Handwerks¬
burschen damit beschäftigten, die Blüten abzupflücken, die in Körben gesammelt und
nachher auf dem Boden zum Trocknen ausgebreitet wurden. Zum zweiten Früh¬
stück gab es eine Maß Bier, einen Rettich und ein Stück trocknes Brot, Mittags
Knötel und Fleisch auf Holztellern, Nachmittags wieder eine Maß Bier mit Rettich
und Brot, Abends eine dicke Suppe oder Dampfnudeln. Bei der Arbeit wurde ge¬
sungen und erzählt. Nachts schliefen wir auf dem Heuboden.

In Neuhauser brachte ich mit dem Hopfenznpfcn vierzehn Tage zu, und als
die Arbeit fertig war, wurde ich um einem Sonntag früh entlassen und wanderte
noch an demselben Tage nach Landshut, wo ich Nachmittags um drei Uhr anlangte.
Ich will nicht verschweigen, daß ich auf dieser Wanderung in einem Dorfe, dessen
Name mir leider entfallen ist, das beste Bier getrunken habe, das mir in meinem
Leben vorgekommen ist.


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[0158] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren weil ich Bciyreuth, von dem alle Welt sprach, sehen wollte, mußten wir in wahren Eilmärschen, zu denen wir häufig auch die Nacht gebrauchten, weiter wandern und gelangten über Erlangen, Nürnberg und Regensburg nach dem Dorfe Neuhauser, wo mein Kollege schon bekannt war. Wir wanderten nach der Mühle, und mein Begleiter begrüßte den Müller mit den Worten: „Griaß Gott, he Bauer, wenn fangets a mit Hopfebrucke?" Der Müller erwiderte, nachdem er uns von oben bis unten betrachtet hatte: „Mer fangets am Montag a, kennets komme." Damit waren wir engagiert und wanderten auf das nächste Dorf, wo mir mein Begleiter ein freies Nachtquartier in Aussicht stellte. Als wir dort angekommen waren, gingen wir in das erste beste Bauernhaus, und hier fragte der Böhme nach der üblichen Begrüßung den Besitzer: „He Bauer, wollts uns über Nacht behalte?" was dieser, nachdem er uns ebenfalls sorgfältig geprüft hatte, bejahte. Wir setzten uns an einen großen runden Tisch auf der Hausflur und erhielten bald unser Abendbrot aufgetragen. Die Bauernfamilie ließ aber wohlweislich die Wohnstuben- tür auf, um uns beobachten zu können. Unsre Wirte begannen mit dem üblichen Gebet, und auch wir folgten diesem Brauche und unterließen auch nicht, das Kreuz zu schlagen. Dann löffelten wir unsre Suppe und wurden bald darauf zum Übermächten in den Kuhstall geführt. Ich hatte mich, müde wie ich war, ein wenig entkleidet und auf das Stroh gestreckt, ohne das Lokal und meine Nachbarschaft genau zu mustern. In der Nacht spürte ich etwas Weiches und Warmes, das meine Füße bedeckte, und merkte am andern Morgen, daß ich meinen spinatgrünen Fußwttrmer einer Kuh zu verdanken hatte, die mir ihr Hinterteil zukehrte. Am Morgen machten wir an der Pumpe Toilette und wuschen uns das Gesicht auf eine mir bis dahin ungewohnte Weise: wir füllten einen Maßkrug mit Wasser, nahmen davon einen gehörigen Mund voll, ließen es langsam in die Hände laufen und wuschen uns so das Gesicht. Das Taschentuch mußte bei dieser Reinigung das fehlende Handtuch ersetzen. Zum Frühstück gab es wieder eine Suppe, für die wir mit den Worten „Vergelts Gott" dankten, worauf uns der Bauer mit einem „Segns Gott" ent¬ ließ. Wir benutzten den Sonntag dazu, in den Wirtschaften „schmal zu machen," d. h. die Gaste anzubetteln, die auch reichlich steckten. Am Abend begaben wir uns nach einem andern Dorfe, fanden auch wieder ein freies Nachtquartier und waren am Montag früh um fünf Uhr schon unterwegs nach Neuhauser. Bevor wir mit Pferd und Wagen nach dem Hopfengarten aufbrachen, erhielten wir eine Suppe, der natürlich wieder ein Gebet voranging und folgte. Dann machten wir uns auf den Weg und erreichten in etwa einer Viertelstunde das Arbeitsfeld, auf dem wir uns zunächst betätigen sollten. Der Hopfen wurde dort an langen Stangen gezogen, die er von unten bis oben umwickelte. Wir mußten die Pflanzen dicht über der Erde abschneiden und die Stange samt ihrer grünen Umhüllung mit dem Heber aus der Erde heben, umlegen und dann das Hopfengerank abwickeln. Diese Ranken wurden zu Bündeln vereinigt und nach der Tenne gefahren, wo sich der Besitzer selbst, seine beiden Töchter, zeitweise auch seine Frau, und vier Handwerks¬ burschen damit beschäftigten, die Blüten abzupflücken, die in Körben gesammelt und nachher auf dem Boden zum Trocknen ausgebreitet wurden. Zum zweiten Früh¬ stück gab es eine Maß Bier, einen Rettich und ein Stück trocknes Brot, Mittags Knötel und Fleisch auf Holztellern, Nachmittags wieder eine Maß Bier mit Rettich und Brot, Abends eine dicke Suppe oder Dampfnudeln. Bei der Arbeit wurde ge¬ sungen und erzählt. Nachts schliefen wir auf dem Heuboden. In Neuhauser brachte ich mit dem Hopfenznpfcn vierzehn Tage zu, und als die Arbeit fertig war, wurde ich um einem Sonntag früh entlassen und wanderte noch an demselben Tage nach Landshut, wo ich Nachmittags um drei Uhr anlangte. Ich will nicht verschweigen, daß ich auf dieser Wanderung in einem Dorfe, dessen Name mir leider entfallen ist, das beste Bier getrunken habe, das mir in meinem Leben vorgekommen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/158>, abgerufen am 27.09.2024.