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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Fremdenlegionen

der Wehrverfassung der Suchen und später der Goten ist zur Weiterentwicklung
nichts auf eine kommende Zeit übertragen worden.

Nach Jahrhunderten der Zerstörung mußten die Völker des Westens ganz
von neuem anfangen, als wenn niemals eine nachahmenswerte Ordnung ge¬
wesen wäre, selbst die Wege suchen, sich das Leben aufzubauen. Mit dem
endgiltigen Siege der Franken über den europäischen Westen, der in gewissem
Sinne im Jahre 1066 mit der Schlacht von Hastings seinen Abschluß fand,
wurde das Feudalwesen maßgebend für die Heereseinrichtungen. Mit der
Vorherrschaft des Adels im Staate und der Geistlichkeit auf dem religiösen
Gebiete trat mich bei der Aufstellung der Wehrkraft die Volksbewaffnung
zurück, und die Ritterheere entschieden auf den Schlachtfeldern. Die Massen
in ihnen kämpften nicht ans eignem Recht und eigner Pflicht, sondern im
Dienst und zur Ehre der Herren. So waren sie nicht von größerm Gewicht
und hatten nicht mehr Bedeutung als die Scharen, die die Könige Odysseus
und Diomedes, Ajax und Teuker vor die Mauern von Troja führten. Die
aufrührerische Rede des Thersites in diesem Griechenheere hat denselben Inhalt
wie die zwölf Artikel, die am Ausgang des Mittelalters die deutschen Bauern
ihren hellen Haufen vorantrugen.

Aus der beschränkten Auffassung, die das Mittelalter von Leben und
Staat hatte, hat sich die moderne Zeit nur langsam, aber in scharfen Zügen
emporgerungen. Die Erfindung des Schießpulvers räumte mit dem Glanz
der Nitterheere auf, wie die Buchdruckerkunst den von den bevorrechtigten
Ständen ausgehenden geistigen Druck brach. Die kriegerische Bedeutung, die
bis dahin in den stahlgepanzerten glänzenden Scharen des Adels gelegen
hatte, ging auf die Schlachthaufen der Landsknechte über, die gegen Sold und
uuter selbstgewählten Führern dem dienten, der sie am besten bezahlte. Von
diesen bildeten die Schweizer, als Reisläufer bekannt, und die deutschen Lands¬
knechte den Hauptbestandteil, wie sie denn auch die gesuchtesten Truppen
waren. In vielen mörderischen Schlachten ging von ihrer Tapferkeit die
Entscheidung aus, große Feldherren haben von ihrer Führung den glänzenden
Namen.

Die Heere, die unter dem Befehl des Grafen von Armagnac und des
Connetable von Bourbon, Schürtlins von Burtenbach und Georgs von Frunds-
berg standen, waren die Versuche zu den spätern stehenden Heeren. Diese
grundstürzende Ordnung wurde in Frankreich schon bei der Beendigung des
englisch-französischen Krieges eingeführt, als die Entlassung der zahlreichen
Söldnerscharen Schwierigkeiten machte. Das war ein mächtiger Hebel in der
Hand der Könige von Frankreich, zum Besten des Landes ihren Willen gegen
die großen Vasallen durchzusetzen. Umgekehrt wie in England wurde hier
also die neue Einrichtung das stärkste Mittel zu nationaler Einigung. Auch
nach außen hin erhielt Frankreich damit einen ungeheuern Vorsprung. Seine
Könige hätten in den folgenden Jahrhunderten nicht die Rolle spielen können,
die sie gespielt haben, wenn ihnen das Mittel nicht zu Gebote gestanden hätte.

Als ungefähr vierzig Jahre später unter Ferdinand und Jsabella der
erste Schritt zur Vereinigung Spaniens getan wurde, da wurde diese nationale


Fremdenlegionen

der Wehrverfassung der Suchen und später der Goten ist zur Weiterentwicklung
nichts auf eine kommende Zeit übertragen worden.

Nach Jahrhunderten der Zerstörung mußten die Völker des Westens ganz
von neuem anfangen, als wenn niemals eine nachahmenswerte Ordnung ge¬
wesen wäre, selbst die Wege suchen, sich das Leben aufzubauen. Mit dem
endgiltigen Siege der Franken über den europäischen Westen, der in gewissem
Sinne im Jahre 1066 mit der Schlacht von Hastings seinen Abschluß fand,
wurde das Feudalwesen maßgebend für die Heereseinrichtungen. Mit der
Vorherrschaft des Adels im Staate und der Geistlichkeit auf dem religiösen
Gebiete trat mich bei der Aufstellung der Wehrkraft die Volksbewaffnung
zurück, und die Ritterheere entschieden auf den Schlachtfeldern. Die Massen
in ihnen kämpften nicht ans eignem Recht und eigner Pflicht, sondern im
Dienst und zur Ehre der Herren. So waren sie nicht von größerm Gewicht
und hatten nicht mehr Bedeutung als die Scharen, die die Könige Odysseus
und Diomedes, Ajax und Teuker vor die Mauern von Troja führten. Die
aufrührerische Rede des Thersites in diesem Griechenheere hat denselben Inhalt
wie die zwölf Artikel, die am Ausgang des Mittelalters die deutschen Bauern
ihren hellen Haufen vorantrugen.

Aus der beschränkten Auffassung, die das Mittelalter von Leben und
Staat hatte, hat sich die moderne Zeit nur langsam, aber in scharfen Zügen
emporgerungen. Die Erfindung des Schießpulvers räumte mit dem Glanz
der Nitterheere auf, wie die Buchdruckerkunst den von den bevorrechtigten
Ständen ausgehenden geistigen Druck brach. Die kriegerische Bedeutung, die
bis dahin in den stahlgepanzerten glänzenden Scharen des Adels gelegen
hatte, ging auf die Schlachthaufen der Landsknechte über, die gegen Sold und
uuter selbstgewählten Führern dem dienten, der sie am besten bezahlte. Von
diesen bildeten die Schweizer, als Reisläufer bekannt, und die deutschen Lands¬
knechte den Hauptbestandteil, wie sie denn auch die gesuchtesten Truppen
waren. In vielen mörderischen Schlachten ging von ihrer Tapferkeit die
Entscheidung aus, große Feldherren haben von ihrer Führung den glänzenden
Namen.

Die Heere, die unter dem Befehl des Grafen von Armagnac und des
Connetable von Bourbon, Schürtlins von Burtenbach und Georgs von Frunds-
berg standen, waren die Versuche zu den spätern stehenden Heeren. Diese
grundstürzende Ordnung wurde in Frankreich schon bei der Beendigung des
englisch-französischen Krieges eingeführt, als die Entlassung der zahlreichen
Söldnerscharen Schwierigkeiten machte. Das war ein mächtiger Hebel in der
Hand der Könige von Frankreich, zum Besten des Landes ihren Willen gegen
die großen Vasallen durchzusetzen. Umgekehrt wie in England wurde hier
also die neue Einrichtung das stärkste Mittel zu nationaler Einigung. Auch
nach außen hin erhielt Frankreich damit einen ungeheuern Vorsprung. Seine
Könige hätten in den folgenden Jahrhunderten nicht die Rolle spielen können,
die sie gespielt haben, wenn ihnen das Mittel nicht zu Gebote gestanden hätte.

Als ungefähr vierzig Jahre später unter Ferdinand und Jsabella der
erste Schritt zur Vereinigung Spaniens getan wurde, da wurde diese nationale


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[0125] Fremdenlegionen der Wehrverfassung der Suchen und später der Goten ist zur Weiterentwicklung nichts auf eine kommende Zeit übertragen worden. Nach Jahrhunderten der Zerstörung mußten die Völker des Westens ganz von neuem anfangen, als wenn niemals eine nachahmenswerte Ordnung ge¬ wesen wäre, selbst die Wege suchen, sich das Leben aufzubauen. Mit dem endgiltigen Siege der Franken über den europäischen Westen, der in gewissem Sinne im Jahre 1066 mit der Schlacht von Hastings seinen Abschluß fand, wurde das Feudalwesen maßgebend für die Heereseinrichtungen. Mit der Vorherrschaft des Adels im Staate und der Geistlichkeit auf dem religiösen Gebiete trat mich bei der Aufstellung der Wehrkraft die Volksbewaffnung zurück, und die Ritterheere entschieden auf den Schlachtfeldern. Die Massen in ihnen kämpften nicht ans eignem Recht und eigner Pflicht, sondern im Dienst und zur Ehre der Herren. So waren sie nicht von größerm Gewicht und hatten nicht mehr Bedeutung als die Scharen, die die Könige Odysseus und Diomedes, Ajax und Teuker vor die Mauern von Troja führten. Die aufrührerische Rede des Thersites in diesem Griechenheere hat denselben Inhalt wie die zwölf Artikel, die am Ausgang des Mittelalters die deutschen Bauern ihren hellen Haufen vorantrugen. Aus der beschränkten Auffassung, die das Mittelalter von Leben und Staat hatte, hat sich die moderne Zeit nur langsam, aber in scharfen Zügen emporgerungen. Die Erfindung des Schießpulvers räumte mit dem Glanz der Nitterheere auf, wie die Buchdruckerkunst den von den bevorrechtigten Ständen ausgehenden geistigen Druck brach. Die kriegerische Bedeutung, die bis dahin in den stahlgepanzerten glänzenden Scharen des Adels gelegen hatte, ging auf die Schlachthaufen der Landsknechte über, die gegen Sold und uuter selbstgewählten Führern dem dienten, der sie am besten bezahlte. Von diesen bildeten die Schweizer, als Reisläufer bekannt, und die deutschen Lands¬ knechte den Hauptbestandteil, wie sie denn auch die gesuchtesten Truppen waren. In vielen mörderischen Schlachten ging von ihrer Tapferkeit die Entscheidung aus, große Feldherren haben von ihrer Führung den glänzenden Namen. Die Heere, die unter dem Befehl des Grafen von Armagnac und des Connetable von Bourbon, Schürtlins von Burtenbach und Georgs von Frunds- berg standen, waren die Versuche zu den spätern stehenden Heeren. Diese grundstürzende Ordnung wurde in Frankreich schon bei der Beendigung des englisch-französischen Krieges eingeführt, als die Entlassung der zahlreichen Söldnerscharen Schwierigkeiten machte. Das war ein mächtiger Hebel in der Hand der Könige von Frankreich, zum Besten des Landes ihren Willen gegen die großen Vasallen durchzusetzen. Umgekehrt wie in England wurde hier also die neue Einrichtung das stärkste Mittel zu nationaler Einigung. Auch nach außen hin erhielt Frankreich damit einen ungeheuern Vorsprung. Seine Könige hätten in den folgenden Jahrhunderten nicht die Rolle spielen können, die sie gespielt haben, wenn ihnen das Mittel nicht zu Gebote gestanden hätte. Als ungefähr vierzig Jahre später unter Ferdinand und Jsabella der erste Schritt zur Vereinigung Spaniens getan wurde, da wurde diese nationale

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/125>, abgerufen am 27.09.2024.