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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Fremdenlegionen

nationalen Verfalls Reisläufer in den Kriegen der ans Mittelmeer stoßenden
Großmächte.

Kein Volk des Altertums hat den Beweis, daß die Kraft der Staaten
auf der Verschmelzung des Bürgers mit dem Soldaten beruht, so schlagend
geführt wie das römische. Positiv dadurch, daß auf dieser innigen Vereinigung
die xroxg,Ag,tlo des iinxsrwin Köln^nun beruhte, und mit keinem andern
Mittel soweit Hütte durchgeführt werden können, und negativ durch den end¬
lichen Zusammenbruch seines Weltreichs. Als es in den spätern Zeiten der
Kaiser nicht mehr möglich war, die Reihen der Legionen mit Bürgersoldaten
auszufüllen, sahen sie sich gezwungen, zur Werbung ihre Zuflucht zu nehmen
und die Söldner aufzugreifen, wo man sie nur haben konnte. Die germanischen
Söldner in den Heeren der Römer haben schließlich die feste Fügung des
Staates von innen heraus gesprengt.

Wenn von altrömischen Heereseinrichtungen die Rede ist, so kann das
Thema nicht angeschlagen werden, ohne daß auch ihr Gegensatz gestreift wird.
Als Rom und Karthago nach längerm Zaudern an einem der Punkte, wo sich
beider Machtkreise berührten, feindlich aufeinander stießen, da waren die Mittel,
womit sie in den Kampf eintraten, von Grund aus verschieden. Hier das
Landheer und die nationale Zusammensetzung, dort die Flotte und das Söldner¬
wesen. Wenn auf keiner Seite hierin eine Änderung getroffen wurde, dann
mochte eine Entscheidung überhaupt unmöglich sein. Das mußte über kurz
oder lang die Parteien auf den Gedanken bringen, daß die Besiegung des
Gegners nur dann möglich war, wenn man ihn auf seinem eigensten Gebiete
mit den ihm eigentümlichen Mitteln angriff. Man weiß, daß die Römer
zuerst damit vorgingen, und daß die Karthager erst später ihrem Beispiele
folgten. Aber nicht in dem Vorsprunge, den jene voraus hatten, lag die
Gewähr ihres Sieges, sondern darin, daß sie ihre ganze nationale Stoß- und
Wehrkraft einfach aufs Meer zu verlegen brauchten. Umgekehrt konnten die
Karthager dies nicht tun, oder sie hätten die Grundlage ihrer bisherigen
Heereseinrichtungen ändern müssen, und das war nicht möglich. Daher kam
es, daß nur geniale Heerführer das mangelnde volkstümliche Bindemittel zu
ersetzen vermochten. Das haben diese, der Vater Hamilkar und der Sohn
Hannibal, eine lange Reihe von Jahren mit beispiellosem Erfolge getan, aber
es blieb doch nicht zweifelhaft, wohin schließlich der Sieg fallen mußte. Die
Römer haben gesiegt, weil sie die Herrschaft des Meeres in Händen hatten,
aber dann auch, weil sie zu Lande ihre Schlachten mit Bürgerheeren schlugen.

Die Römer waren die Vermittler zwischen der alten und der neuen Zeit,
aber in dieser Zwischenstellung haben sie von ihrer Kultur den Barbaren des
Westens von Europa kaum etwas andres als die Idee überliefert. Ihre
religiösen Kulte hatte das Christentum verschlungen, und ihre staatlichen und
militärischen Einrichtungen waren unter den: Gewaltschritt der Germanen zer¬
malmt worden. Jedoch auch diese hatten, wo sie seßhaft geblieben waren,
unter der Verwüstung der Völkerwanderung und der spätern Kriege, die im
Namen der Christianisierung geführt wurden, alles verloren, was sie an ent¬
wicklungsfähigen Ansätzen im Staats- und im Heerwesen gehabt hatten. Von


Fremdenlegionen

nationalen Verfalls Reisläufer in den Kriegen der ans Mittelmeer stoßenden
Großmächte.

Kein Volk des Altertums hat den Beweis, daß die Kraft der Staaten
auf der Verschmelzung des Bürgers mit dem Soldaten beruht, so schlagend
geführt wie das römische. Positiv dadurch, daß auf dieser innigen Vereinigung
die xroxg,Ag,tlo des iinxsrwin Köln^nun beruhte, und mit keinem andern
Mittel soweit Hütte durchgeführt werden können, und negativ durch den end¬
lichen Zusammenbruch seines Weltreichs. Als es in den spätern Zeiten der
Kaiser nicht mehr möglich war, die Reihen der Legionen mit Bürgersoldaten
auszufüllen, sahen sie sich gezwungen, zur Werbung ihre Zuflucht zu nehmen
und die Söldner aufzugreifen, wo man sie nur haben konnte. Die germanischen
Söldner in den Heeren der Römer haben schließlich die feste Fügung des
Staates von innen heraus gesprengt.

Wenn von altrömischen Heereseinrichtungen die Rede ist, so kann das
Thema nicht angeschlagen werden, ohne daß auch ihr Gegensatz gestreift wird.
Als Rom und Karthago nach längerm Zaudern an einem der Punkte, wo sich
beider Machtkreise berührten, feindlich aufeinander stießen, da waren die Mittel,
womit sie in den Kampf eintraten, von Grund aus verschieden. Hier das
Landheer und die nationale Zusammensetzung, dort die Flotte und das Söldner¬
wesen. Wenn auf keiner Seite hierin eine Änderung getroffen wurde, dann
mochte eine Entscheidung überhaupt unmöglich sein. Das mußte über kurz
oder lang die Parteien auf den Gedanken bringen, daß die Besiegung des
Gegners nur dann möglich war, wenn man ihn auf seinem eigensten Gebiete
mit den ihm eigentümlichen Mitteln angriff. Man weiß, daß die Römer
zuerst damit vorgingen, und daß die Karthager erst später ihrem Beispiele
folgten. Aber nicht in dem Vorsprunge, den jene voraus hatten, lag die
Gewähr ihres Sieges, sondern darin, daß sie ihre ganze nationale Stoß- und
Wehrkraft einfach aufs Meer zu verlegen brauchten. Umgekehrt konnten die
Karthager dies nicht tun, oder sie hätten die Grundlage ihrer bisherigen
Heereseinrichtungen ändern müssen, und das war nicht möglich. Daher kam
es, daß nur geniale Heerführer das mangelnde volkstümliche Bindemittel zu
ersetzen vermochten. Das haben diese, der Vater Hamilkar und der Sohn
Hannibal, eine lange Reihe von Jahren mit beispiellosem Erfolge getan, aber
es blieb doch nicht zweifelhaft, wohin schließlich der Sieg fallen mußte. Die
Römer haben gesiegt, weil sie die Herrschaft des Meeres in Händen hatten,
aber dann auch, weil sie zu Lande ihre Schlachten mit Bürgerheeren schlugen.

Die Römer waren die Vermittler zwischen der alten und der neuen Zeit,
aber in dieser Zwischenstellung haben sie von ihrer Kultur den Barbaren des
Westens von Europa kaum etwas andres als die Idee überliefert. Ihre
religiösen Kulte hatte das Christentum verschlungen, und ihre staatlichen und
militärischen Einrichtungen waren unter den: Gewaltschritt der Germanen zer¬
malmt worden. Jedoch auch diese hatten, wo sie seßhaft geblieben waren,
unter der Verwüstung der Völkerwanderung und der spätern Kriege, die im
Namen der Christianisierung geführt wurden, alles verloren, was sie an ent¬
wicklungsfähigen Ansätzen im Staats- und im Heerwesen gehabt hatten. Von


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[0124] Fremdenlegionen nationalen Verfalls Reisläufer in den Kriegen der ans Mittelmeer stoßenden Großmächte. Kein Volk des Altertums hat den Beweis, daß die Kraft der Staaten auf der Verschmelzung des Bürgers mit dem Soldaten beruht, so schlagend geführt wie das römische. Positiv dadurch, daß auf dieser innigen Vereinigung die xroxg,Ag,tlo des iinxsrwin Köln^nun beruhte, und mit keinem andern Mittel soweit Hütte durchgeführt werden können, und negativ durch den end¬ lichen Zusammenbruch seines Weltreichs. Als es in den spätern Zeiten der Kaiser nicht mehr möglich war, die Reihen der Legionen mit Bürgersoldaten auszufüllen, sahen sie sich gezwungen, zur Werbung ihre Zuflucht zu nehmen und die Söldner aufzugreifen, wo man sie nur haben konnte. Die germanischen Söldner in den Heeren der Römer haben schließlich die feste Fügung des Staates von innen heraus gesprengt. Wenn von altrömischen Heereseinrichtungen die Rede ist, so kann das Thema nicht angeschlagen werden, ohne daß auch ihr Gegensatz gestreift wird. Als Rom und Karthago nach längerm Zaudern an einem der Punkte, wo sich beider Machtkreise berührten, feindlich aufeinander stießen, da waren die Mittel, womit sie in den Kampf eintraten, von Grund aus verschieden. Hier das Landheer und die nationale Zusammensetzung, dort die Flotte und das Söldner¬ wesen. Wenn auf keiner Seite hierin eine Änderung getroffen wurde, dann mochte eine Entscheidung überhaupt unmöglich sein. Das mußte über kurz oder lang die Parteien auf den Gedanken bringen, daß die Besiegung des Gegners nur dann möglich war, wenn man ihn auf seinem eigensten Gebiete mit den ihm eigentümlichen Mitteln angriff. Man weiß, daß die Römer zuerst damit vorgingen, und daß die Karthager erst später ihrem Beispiele folgten. Aber nicht in dem Vorsprunge, den jene voraus hatten, lag die Gewähr ihres Sieges, sondern darin, daß sie ihre ganze nationale Stoß- und Wehrkraft einfach aufs Meer zu verlegen brauchten. Umgekehrt konnten die Karthager dies nicht tun, oder sie hätten die Grundlage ihrer bisherigen Heereseinrichtungen ändern müssen, und das war nicht möglich. Daher kam es, daß nur geniale Heerführer das mangelnde volkstümliche Bindemittel zu ersetzen vermochten. Das haben diese, der Vater Hamilkar und der Sohn Hannibal, eine lange Reihe von Jahren mit beispiellosem Erfolge getan, aber es blieb doch nicht zweifelhaft, wohin schließlich der Sieg fallen mußte. Die Römer haben gesiegt, weil sie die Herrschaft des Meeres in Händen hatten, aber dann auch, weil sie zu Lande ihre Schlachten mit Bürgerheeren schlugen. Die Römer waren die Vermittler zwischen der alten und der neuen Zeit, aber in dieser Zwischenstellung haben sie von ihrer Kultur den Barbaren des Westens von Europa kaum etwas andres als die Idee überliefert. Ihre religiösen Kulte hatte das Christentum verschlungen, und ihre staatlichen und militärischen Einrichtungen waren unter den: Gewaltschritt der Germanen zer¬ malmt worden. Jedoch auch diese hatten, wo sie seßhaft geblieben waren, unter der Verwüstung der Völkerwanderung und der spätern Kriege, die im Namen der Christianisierung geführt wurden, alles verloren, was sie an ent¬ wicklungsfähigen Ansätzen im Staats- und im Heerwesen gehabt hatten. Von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/124>, abgerufen am 27.09.2024.