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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

in jungen Jahren ein Augenleiden zum Militärdienst untauglich machte, am Abend
seines Lebens die Anregung zu dem Gedanken, einen Stipendienfonds für junge
Offiziere zu stiften, nicht aus sich selbst, sondern nur aus hohen militärischen Kreisen
empfangen haben konnte. Wer das langjährige und schließlich sehr enge Freund¬
schaftsverhältnis zwischen dem Fürsten und dem verstorbnen Generalfeldmarschall
Grafen Waldersee gekannt hat, durfte ohne weiteres zu der Folgerung gelangen,
daß der Gedanke von diesem ausgegangen war. Graf Waldersee hat in seinen
verschiednen Dienststellungen jederzeit einen tiefen Einblick in die Verhältnisse seiner
Offizierkorps bekundet; besonders als kommandierender General des neunten Armee¬
korps, der er eine Reihe von Jahren gewesen ist, war er über Einzelheiten und
Persönlichkeiten sehr genau unterrichtet. Ganz besonders hat der verewigte Feld¬
marschall nach seiner Rückkehr aus China die Frage des Offizierersatzes im Auge
behalten, und er hat sich im engern Kreise immer in dem Sinne ausgesprochen,
daß der Zugang zur Offizierslaufbahn den Söhnen der minder begüterten Familien
erleichtert werden müsse, aus denen die Offizierkorps früher ihren Ersatz bezogen.
Dies um so mehr, als bei den großen Fortschritten von Industrie und Technik die
bürgerlichen Berufe von Jahr zu Jahr mehr die befähigten und tüchtigen jungen
Leute an sich zögen, ihnen ein reichlicheres Auskommen bei geringerer Anstrengung
böten, als dies die Offizierslaufbahn mit ihrer strengen Disziplin und den unauf¬
hörlich wachsenden körperlichen und geistigen Anforderungen des durch die zweijährige
Dienstzeit so gesteigerten'Dienstes vermöchte. Die vielfachen Änderungen in den
Bekleidungsvorschriften waren infolgedessen nicht nach seinem Sinne. Bei der Ein¬
führung der hellgrauen Litewken mußte er sich für die Uniformen seiner verschiednen
Dienststellungen deren vier oder fünf anfertigen lassen, und er äußerte damals, daß
das ein für den armen Leutnant viel zu kostspieliges Kleidungsstück sei. Ihm waren
eben Fälle genug bekannt, in denen unbemittelte Eltern oder gar Witwen kümmerlich
darben mußten, um eine Zulage für den Sohn zu ermöglichen, oder arme Offiziere
bis zum Hauptmann ein Leben voller Entbehrung führten, um sich für die kranke
Mutter oder unversorgte Geschwister Ersparnisse aufzuerlegen. Die Zahl solcher
Fälle ist in der Armee viel größer, als im Publikum angenommen werden mag
oder bekannt wird, und in der Regel gehören solche Offiziere, von denen ihr Beruf
doppelte Charakterfestigkeit fordert, und die frühzeitig vollen Einblick in den Ernst
des Lebens haben, zu den tüchtigsten. Gewiß ist demgegenüber die Ansicht be¬
rechtigt, daß es Sache des Reichs sei, die Offiziere auskömmlich zu besolden. Aber
die Frage ist sehr schwierig zu lösen, einmal bei dem chronischen Defizit in den
Reichsfinanzen, sodann weil sich eine Gehaltsausbesserung, wenn sie endlich einmal
finanziell erreichbar sein sollte, nicht auf die Leutnants allein beschränken und
dadurch wieder schwieriger werden würde, schließlich weil eine durchgreifende Ge¬
haltsverbesserung in der Armee auf die Beamtengehalte des Reichs und der Einzel¬
staaten zurückwirkt. Kaiser Wilhelm der Erste Pflegte grundsätzlich niemals seine
Einwilligung zu Beamtenaufbesserungen zu geben, wenn eine solche nicht zugleich
für die Armee gesichert war.

Der Erklärung des Fürsten Donnersmarck zufolge sollten 10 Millionen Mark
aufgebracht und dem Kaiser zur Verfügung gestellt werden, um aus dem Zinsertrage
jüngern Offizieren bis zum Hauptmann, also Leutnants und Oberleutnants, eine jähr¬
liche Zulage von 600 Mark zu gewähren. Bei einem Zinsertrag von 400000 Mark
(zu 4 Prozent) würden mithin jährlich 600 bis 700 Offiziere einer solchen Zulage
teilhaftig geworden sein. Das deutsche Landheer hat etatsmnßig 15416 Leutnants
und Oberleutnants. Auf die Kavallerie kommen davon 1763, auf die Feldartillerie
2067, zusammen 3830. Zieht man diese beiden Waffengattungen ab, weil die
ihnen angehörenden Leutnants Wohl von Hause aus besser gestellt siud, so bleiben
für Infanterie, Fußartillerie, Pioniere, Verkehrstruppen usw. noch 11586 Leutnants
und Oberleutnants. Zieht man davon noch 1586 Offiziere ab, die solchen Regi¬
mentern angehören, die über eigne Fonds verfügen, so sind 10000 Offiziere vor¬
handen, von denen jährlich 600 bis 700 die Zulage aus dem geplanten Fonds


Maßgebliches und Unmaßgebliches

in jungen Jahren ein Augenleiden zum Militärdienst untauglich machte, am Abend
seines Lebens die Anregung zu dem Gedanken, einen Stipendienfonds für junge
Offiziere zu stiften, nicht aus sich selbst, sondern nur aus hohen militärischen Kreisen
empfangen haben konnte. Wer das langjährige und schließlich sehr enge Freund¬
schaftsverhältnis zwischen dem Fürsten und dem verstorbnen Generalfeldmarschall
Grafen Waldersee gekannt hat, durfte ohne weiteres zu der Folgerung gelangen,
daß der Gedanke von diesem ausgegangen war. Graf Waldersee hat in seinen
verschiednen Dienststellungen jederzeit einen tiefen Einblick in die Verhältnisse seiner
Offizierkorps bekundet; besonders als kommandierender General des neunten Armee¬
korps, der er eine Reihe von Jahren gewesen ist, war er über Einzelheiten und
Persönlichkeiten sehr genau unterrichtet. Ganz besonders hat der verewigte Feld¬
marschall nach seiner Rückkehr aus China die Frage des Offizierersatzes im Auge
behalten, und er hat sich im engern Kreise immer in dem Sinne ausgesprochen,
daß der Zugang zur Offizierslaufbahn den Söhnen der minder begüterten Familien
erleichtert werden müsse, aus denen die Offizierkorps früher ihren Ersatz bezogen.
Dies um so mehr, als bei den großen Fortschritten von Industrie und Technik die
bürgerlichen Berufe von Jahr zu Jahr mehr die befähigten und tüchtigen jungen
Leute an sich zögen, ihnen ein reichlicheres Auskommen bei geringerer Anstrengung
böten, als dies die Offizierslaufbahn mit ihrer strengen Disziplin und den unauf¬
hörlich wachsenden körperlichen und geistigen Anforderungen des durch die zweijährige
Dienstzeit so gesteigerten'Dienstes vermöchte. Die vielfachen Änderungen in den
Bekleidungsvorschriften waren infolgedessen nicht nach seinem Sinne. Bei der Ein¬
führung der hellgrauen Litewken mußte er sich für die Uniformen seiner verschiednen
Dienststellungen deren vier oder fünf anfertigen lassen, und er äußerte damals, daß
das ein für den armen Leutnant viel zu kostspieliges Kleidungsstück sei. Ihm waren
eben Fälle genug bekannt, in denen unbemittelte Eltern oder gar Witwen kümmerlich
darben mußten, um eine Zulage für den Sohn zu ermöglichen, oder arme Offiziere
bis zum Hauptmann ein Leben voller Entbehrung führten, um sich für die kranke
Mutter oder unversorgte Geschwister Ersparnisse aufzuerlegen. Die Zahl solcher
Fälle ist in der Armee viel größer, als im Publikum angenommen werden mag
oder bekannt wird, und in der Regel gehören solche Offiziere, von denen ihr Beruf
doppelte Charakterfestigkeit fordert, und die frühzeitig vollen Einblick in den Ernst
des Lebens haben, zu den tüchtigsten. Gewiß ist demgegenüber die Ansicht be¬
rechtigt, daß es Sache des Reichs sei, die Offiziere auskömmlich zu besolden. Aber
die Frage ist sehr schwierig zu lösen, einmal bei dem chronischen Defizit in den
Reichsfinanzen, sodann weil sich eine Gehaltsausbesserung, wenn sie endlich einmal
finanziell erreichbar sein sollte, nicht auf die Leutnants allein beschränken und
dadurch wieder schwieriger werden würde, schließlich weil eine durchgreifende Ge¬
haltsverbesserung in der Armee auf die Beamtengehalte des Reichs und der Einzel¬
staaten zurückwirkt. Kaiser Wilhelm der Erste Pflegte grundsätzlich niemals seine
Einwilligung zu Beamtenaufbesserungen zu geben, wenn eine solche nicht zugleich
für die Armee gesichert war.

Der Erklärung des Fürsten Donnersmarck zufolge sollten 10 Millionen Mark
aufgebracht und dem Kaiser zur Verfügung gestellt werden, um aus dem Zinsertrage
jüngern Offizieren bis zum Hauptmann, also Leutnants und Oberleutnants, eine jähr¬
liche Zulage von 600 Mark zu gewähren. Bei einem Zinsertrag von 400000 Mark
(zu 4 Prozent) würden mithin jährlich 600 bis 700 Offiziere einer solchen Zulage
teilhaftig geworden sein. Das deutsche Landheer hat etatsmnßig 15416 Leutnants
und Oberleutnants. Auf die Kavallerie kommen davon 1763, auf die Feldartillerie
2067, zusammen 3830. Zieht man diese beiden Waffengattungen ab, weil die
ihnen angehörenden Leutnants Wohl von Hause aus besser gestellt siud, so bleiben
für Infanterie, Fußartillerie, Pioniere, Verkehrstruppen usw. noch 11586 Leutnants
und Oberleutnants. Zieht man davon noch 1586 Offiziere ab, die solchen Regi¬
mentern angehören, die über eigne Fonds verfügen, so sind 10000 Offiziere vor¬
handen, von denen jährlich 600 bis 700 die Zulage aus dem geplanten Fonds


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[0117] Maßgebliches und Unmaßgebliches in jungen Jahren ein Augenleiden zum Militärdienst untauglich machte, am Abend seines Lebens die Anregung zu dem Gedanken, einen Stipendienfonds für junge Offiziere zu stiften, nicht aus sich selbst, sondern nur aus hohen militärischen Kreisen empfangen haben konnte. Wer das langjährige und schließlich sehr enge Freund¬ schaftsverhältnis zwischen dem Fürsten und dem verstorbnen Generalfeldmarschall Grafen Waldersee gekannt hat, durfte ohne weiteres zu der Folgerung gelangen, daß der Gedanke von diesem ausgegangen war. Graf Waldersee hat in seinen verschiednen Dienststellungen jederzeit einen tiefen Einblick in die Verhältnisse seiner Offizierkorps bekundet; besonders als kommandierender General des neunten Armee¬ korps, der er eine Reihe von Jahren gewesen ist, war er über Einzelheiten und Persönlichkeiten sehr genau unterrichtet. Ganz besonders hat der verewigte Feld¬ marschall nach seiner Rückkehr aus China die Frage des Offizierersatzes im Auge behalten, und er hat sich im engern Kreise immer in dem Sinne ausgesprochen, daß der Zugang zur Offizierslaufbahn den Söhnen der minder begüterten Familien erleichtert werden müsse, aus denen die Offizierkorps früher ihren Ersatz bezogen. Dies um so mehr, als bei den großen Fortschritten von Industrie und Technik die bürgerlichen Berufe von Jahr zu Jahr mehr die befähigten und tüchtigen jungen Leute an sich zögen, ihnen ein reichlicheres Auskommen bei geringerer Anstrengung böten, als dies die Offizierslaufbahn mit ihrer strengen Disziplin und den unauf¬ hörlich wachsenden körperlichen und geistigen Anforderungen des durch die zweijährige Dienstzeit so gesteigerten'Dienstes vermöchte. Die vielfachen Änderungen in den Bekleidungsvorschriften waren infolgedessen nicht nach seinem Sinne. Bei der Ein¬ führung der hellgrauen Litewken mußte er sich für die Uniformen seiner verschiednen Dienststellungen deren vier oder fünf anfertigen lassen, und er äußerte damals, daß das ein für den armen Leutnant viel zu kostspieliges Kleidungsstück sei. Ihm waren eben Fälle genug bekannt, in denen unbemittelte Eltern oder gar Witwen kümmerlich darben mußten, um eine Zulage für den Sohn zu ermöglichen, oder arme Offiziere bis zum Hauptmann ein Leben voller Entbehrung führten, um sich für die kranke Mutter oder unversorgte Geschwister Ersparnisse aufzuerlegen. Die Zahl solcher Fälle ist in der Armee viel größer, als im Publikum angenommen werden mag oder bekannt wird, und in der Regel gehören solche Offiziere, von denen ihr Beruf doppelte Charakterfestigkeit fordert, und die frühzeitig vollen Einblick in den Ernst des Lebens haben, zu den tüchtigsten. Gewiß ist demgegenüber die Ansicht be¬ rechtigt, daß es Sache des Reichs sei, die Offiziere auskömmlich zu besolden. Aber die Frage ist sehr schwierig zu lösen, einmal bei dem chronischen Defizit in den Reichsfinanzen, sodann weil sich eine Gehaltsausbesserung, wenn sie endlich einmal finanziell erreichbar sein sollte, nicht auf die Leutnants allein beschränken und dadurch wieder schwieriger werden würde, schließlich weil eine durchgreifende Ge¬ haltsverbesserung in der Armee auf die Beamtengehalte des Reichs und der Einzel¬ staaten zurückwirkt. Kaiser Wilhelm der Erste Pflegte grundsätzlich niemals seine Einwilligung zu Beamtenaufbesserungen zu geben, wenn eine solche nicht zugleich für die Armee gesichert war. Der Erklärung des Fürsten Donnersmarck zufolge sollten 10 Millionen Mark aufgebracht und dem Kaiser zur Verfügung gestellt werden, um aus dem Zinsertrage jüngern Offizieren bis zum Hauptmann, also Leutnants und Oberleutnants, eine jähr¬ liche Zulage von 600 Mark zu gewähren. Bei einem Zinsertrag von 400000 Mark (zu 4 Prozent) würden mithin jährlich 600 bis 700 Offiziere einer solchen Zulage teilhaftig geworden sein. Das deutsche Landheer hat etatsmnßig 15416 Leutnants und Oberleutnants. Auf die Kavallerie kommen davon 1763, auf die Feldartillerie 2067, zusammen 3830. Zieht man diese beiden Waffengattungen ab, weil die ihnen angehörenden Leutnants Wohl von Hause aus besser gestellt siud, so bleiben für Infanterie, Fußartillerie, Pioniere, Verkehrstruppen usw. noch 11586 Leutnants und Oberleutnants. Zieht man davon noch 1586 Offiziere ab, die solchen Regi¬ mentern angehören, die über eigne Fonds verfügen, so sind 10000 Offiziere vor¬ handen, von denen jährlich 600 bis 700 die Zulage aus dem geplanten Fonds

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/117>, abgerufen am 27.09.2024.