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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Die müssen nicht hungern, die bekommen allemal eher ihr Essen, als wir uns
selbst hinsetzen. Aber sie wollen Geld haben, und das haben wir nicht. Herr
Schwechting, es ist schwer, die zwölfhundert Mark zu verdienen, die uns jetzt
fehlen. Und seitdem sie uns das Boot in den Grund gefahren haben, verdienen
wir gar nichts mehr. Herr, dein Zorn liegt schwer auf uns. Aber die zweiund¬
vierzig Monate, die zweiundvierzig Monate sind bald um. . . .

Statt zu antworten öffnete Schwechting die Haustür, die in das Zimmer
führte, aus dem der Jammergesang heraustönte. Das Zimmer sah dunkel und
unordentlich aus, und es herrschte eine müssige Luft. Der alte Mann, ein alter
krummer Knorren mit einem kahlen Kopf und einem großen Mund ohne Zähne,
saß auf dem Bettrande, vermutlich auf dem Geldstrumpfe, und die alte Frau, die
schief und bucklig und schlecht angezogen war, störte im Ofen herum, der weder Glut
noch Asche hatte. Und dabei sangen sie ihre zittrige Trauermelodie. Als Schwechting
eingetreten war, kamen sie ihm entgegen wie ein paar neugierige Tierchen.

Nun seht mal, ihr alten Eulen, sagte Schwechting, der sich über sie belustigte,
was lamentiert ihr denn? Habt ihr denn so großen Hunger?

Flinsen! Flinsen! jammerten die beiden Alten.

Arte, so backe ihnen doch Flinsen.

Die essen sie nicht, sagte die Arte, sie essen nur, was sie selber gebacken haben.

Ach, sagte Schwechting scherzend, ihr denkt wohl, daß ihr vergiftet werdet?

Die Alten grinsten. Schwechting würde die Sache nicht zu einem Gegenstande
des Scherzes gemacht haben, wenn er gewußt hätte, daß es eine litauische Eigen¬
tümlichkeit ist oder war, alte Leute, die lästig wurden, mit Flinsen und Arsenik
ins bessere Jenseits zu befördern. Schwechting, der eben in guten Vermögens¬
verhältnissen war, gab der Arte ein Geldstück, damit sie dafür einlaufe, was die
Alten für ihre Flinsen brauchten. Von um an verstummten die Klagetöne einige
Tage, dann aber fingen sie wieder an, und wenn anzunehmen war, daß Schwechting
in der Nähe sei, oder wenn die Tür des Ateliers aufstand, erklang sogleich der
Notruf: "Wenn wir in höchsten Nöten sein." Und das dauerte so lange, bis es
einmal wieder Flinsengeld gab.

Schwechting stellte eine neue Leinwand auf die Staffelet und ging um sie
herum wie eine Katze, die nicht weiß, ob sie den heißen Brei berühren soll oder
nicht. Das dauerte so lange, bis er eines Tages sein Malgerät aufpackte und hinter
dem Kondrotschen Giebel aufstellte. Arte war leicht zu haben, und Baum, Haus und
Zubehör standen da wie arrangiert, und so machte er sich einigermaßen zaghaft an
die Arbeit. Als das Bild halb fertig war, sah es aus, als wollte etwas aus ihm
werden, je weiter es aber fortschritt, desto nüchterner wurde es, desto mehr ver¬
flüchtigte sich das, was Schwechting zeigen wollte: die Treue, die bis zum jüngsten
Tage wartet. Ein Detail, eine Hand oder eine Falte oder ein Schatten hielten ihn
fest, und darüber verfiel er ins Tifteln und Pinseln. Er fühlte es selbst, daß ihm
der lebendige Eindruck, den er bei der Erzählung der Arte Beit gehabt hatte, all-
mühlich verloren ging, und so stellte er sein Bild beiseite, ließ sich die Geschichte
noch einmal erzählen und schrieb sie nieder. Er wollte damit nur die ursprüngliche
Stimmung festhalte". Aber bald gewann seine Geschichte ein selbständiges Leben und
wuchs ihm über die schreibende Hand hinaus, und merkwürdig, diese Niederschrift
gewährte ihm eine größere Befriedigung als sein Bild, vor dem der greulichste
Küustlerkater immer weitern Besitz von ihm nahm.

Was ist das? fragte er eines Tages Staffelsteiger, der neben ihm stand und
tiefsinnig das Bild betrachtete. Er hoffte von ihm eine Bestätigung seiner Meinung
und Hoffnung zu vernehmen.

Ich weiß es nicht, sagte Staffelsteiger.

Schwechting wurde ärgerlich und erwiderte: Staffelsteiger, ich bitte Sie um
Gottes Jesu willen, stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind.

Dies Bild ist stumm, sagte Staffelsteiger dumpf.


Herrenmenschen

Die müssen nicht hungern, die bekommen allemal eher ihr Essen, als wir uns
selbst hinsetzen. Aber sie wollen Geld haben, und das haben wir nicht. Herr
Schwechting, es ist schwer, die zwölfhundert Mark zu verdienen, die uns jetzt
fehlen. Und seitdem sie uns das Boot in den Grund gefahren haben, verdienen
wir gar nichts mehr. Herr, dein Zorn liegt schwer auf uns. Aber die zweiund¬
vierzig Monate, die zweiundvierzig Monate sind bald um. . . .

Statt zu antworten öffnete Schwechting die Haustür, die in das Zimmer
führte, aus dem der Jammergesang heraustönte. Das Zimmer sah dunkel und
unordentlich aus, und es herrschte eine müssige Luft. Der alte Mann, ein alter
krummer Knorren mit einem kahlen Kopf und einem großen Mund ohne Zähne,
saß auf dem Bettrande, vermutlich auf dem Geldstrumpfe, und die alte Frau, die
schief und bucklig und schlecht angezogen war, störte im Ofen herum, der weder Glut
noch Asche hatte. Und dabei sangen sie ihre zittrige Trauermelodie. Als Schwechting
eingetreten war, kamen sie ihm entgegen wie ein paar neugierige Tierchen.

Nun seht mal, ihr alten Eulen, sagte Schwechting, der sich über sie belustigte,
was lamentiert ihr denn? Habt ihr denn so großen Hunger?

Flinsen! Flinsen! jammerten die beiden Alten.

Arte, so backe ihnen doch Flinsen.

Die essen sie nicht, sagte die Arte, sie essen nur, was sie selber gebacken haben.

Ach, sagte Schwechting scherzend, ihr denkt wohl, daß ihr vergiftet werdet?

Die Alten grinsten. Schwechting würde die Sache nicht zu einem Gegenstande
des Scherzes gemacht haben, wenn er gewußt hätte, daß es eine litauische Eigen¬
tümlichkeit ist oder war, alte Leute, die lästig wurden, mit Flinsen und Arsenik
ins bessere Jenseits zu befördern. Schwechting, der eben in guten Vermögens¬
verhältnissen war, gab der Arte ein Geldstück, damit sie dafür einlaufe, was die
Alten für ihre Flinsen brauchten. Von um an verstummten die Klagetöne einige
Tage, dann aber fingen sie wieder an, und wenn anzunehmen war, daß Schwechting
in der Nähe sei, oder wenn die Tür des Ateliers aufstand, erklang sogleich der
Notruf: „Wenn wir in höchsten Nöten sein." Und das dauerte so lange, bis es
einmal wieder Flinsengeld gab.

Schwechting stellte eine neue Leinwand auf die Staffelet und ging um sie
herum wie eine Katze, die nicht weiß, ob sie den heißen Brei berühren soll oder
nicht. Das dauerte so lange, bis er eines Tages sein Malgerät aufpackte und hinter
dem Kondrotschen Giebel aufstellte. Arte war leicht zu haben, und Baum, Haus und
Zubehör standen da wie arrangiert, und so machte er sich einigermaßen zaghaft an
die Arbeit. Als das Bild halb fertig war, sah es aus, als wollte etwas aus ihm
werden, je weiter es aber fortschritt, desto nüchterner wurde es, desto mehr ver¬
flüchtigte sich das, was Schwechting zeigen wollte: die Treue, die bis zum jüngsten
Tage wartet. Ein Detail, eine Hand oder eine Falte oder ein Schatten hielten ihn
fest, und darüber verfiel er ins Tifteln und Pinseln. Er fühlte es selbst, daß ihm
der lebendige Eindruck, den er bei der Erzählung der Arte Beit gehabt hatte, all-
mühlich verloren ging, und so stellte er sein Bild beiseite, ließ sich die Geschichte
noch einmal erzählen und schrieb sie nieder. Er wollte damit nur die ursprüngliche
Stimmung festhalte». Aber bald gewann seine Geschichte ein selbständiges Leben und
wuchs ihm über die schreibende Hand hinaus, und merkwürdig, diese Niederschrift
gewährte ihm eine größere Befriedigung als sein Bild, vor dem der greulichste
Küustlerkater immer weitern Besitz von ihm nahm.

Was ist das? fragte er eines Tages Staffelsteiger, der neben ihm stand und
tiefsinnig das Bild betrachtete. Er hoffte von ihm eine Bestätigung seiner Meinung
und Hoffnung zu vernehmen.

Ich weiß es nicht, sagte Staffelsteiger.

Schwechting wurde ärgerlich und erwiderte: Staffelsteiger, ich bitte Sie um
Gottes Jesu willen, stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind.

Dies Bild ist stumm, sagte Staffelsteiger dumpf.


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[0112] Herrenmenschen Die müssen nicht hungern, die bekommen allemal eher ihr Essen, als wir uns selbst hinsetzen. Aber sie wollen Geld haben, und das haben wir nicht. Herr Schwechting, es ist schwer, die zwölfhundert Mark zu verdienen, die uns jetzt fehlen. Und seitdem sie uns das Boot in den Grund gefahren haben, verdienen wir gar nichts mehr. Herr, dein Zorn liegt schwer auf uns. Aber die zweiund¬ vierzig Monate, die zweiundvierzig Monate sind bald um. . . . Statt zu antworten öffnete Schwechting die Haustür, die in das Zimmer führte, aus dem der Jammergesang heraustönte. Das Zimmer sah dunkel und unordentlich aus, und es herrschte eine müssige Luft. Der alte Mann, ein alter krummer Knorren mit einem kahlen Kopf und einem großen Mund ohne Zähne, saß auf dem Bettrande, vermutlich auf dem Geldstrumpfe, und die alte Frau, die schief und bucklig und schlecht angezogen war, störte im Ofen herum, der weder Glut noch Asche hatte. Und dabei sangen sie ihre zittrige Trauermelodie. Als Schwechting eingetreten war, kamen sie ihm entgegen wie ein paar neugierige Tierchen. Nun seht mal, ihr alten Eulen, sagte Schwechting, der sich über sie belustigte, was lamentiert ihr denn? Habt ihr denn so großen Hunger? Flinsen! Flinsen! jammerten die beiden Alten. Arte, so backe ihnen doch Flinsen. Die essen sie nicht, sagte die Arte, sie essen nur, was sie selber gebacken haben. Ach, sagte Schwechting scherzend, ihr denkt wohl, daß ihr vergiftet werdet? Die Alten grinsten. Schwechting würde die Sache nicht zu einem Gegenstande des Scherzes gemacht haben, wenn er gewußt hätte, daß es eine litauische Eigen¬ tümlichkeit ist oder war, alte Leute, die lästig wurden, mit Flinsen und Arsenik ins bessere Jenseits zu befördern. Schwechting, der eben in guten Vermögens¬ verhältnissen war, gab der Arte ein Geldstück, damit sie dafür einlaufe, was die Alten für ihre Flinsen brauchten. Von um an verstummten die Klagetöne einige Tage, dann aber fingen sie wieder an, und wenn anzunehmen war, daß Schwechting in der Nähe sei, oder wenn die Tür des Ateliers aufstand, erklang sogleich der Notruf: „Wenn wir in höchsten Nöten sein." Und das dauerte so lange, bis es einmal wieder Flinsengeld gab. Schwechting stellte eine neue Leinwand auf die Staffelet und ging um sie herum wie eine Katze, die nicht weiß, ob sie den heißen Brei berühren soll oder nicht. Das dauerte so lange, bis er eines Tages sein Malgerät aufpackte und hinter dem Kondrotschen Giebel aufstellte. Arte war leicht zu haben, und Baum, Haus und Zubehör standen da wie arrangiert, und so machte er sich einigermaßen zaghaft an die Arbeit. Als das Bild halb fertig war, sah es aus, als wollte etwas aus ihm werden, je weiter es aber fortschritt, desto nüchterner wurde es, desto mehr ver¬ flüchtigte sich das, was Schwechting zeigen wollte: die Treue, die bis zum jüngsten Tage wartet. Ein Detail, eine Hand oder eine Falte oder ein Schatten hielten ihn fest, und darüber verfiel er ins Tifteln und Pinseln. Er fühlte es selbst, daß ihm der lebendige Eindruck, den er bei der Erzählung der Arte Beit gehabt hatte, all- mühlich verloren ging, und so stellte er sein Bild beiseite, ließ sich die Geschichte noch einmal erzählen und schrieb sie nieder. Er wollte damit nur die ursprüngliche Stimmung festhalte». Aber bald gewann seine Geschichte ein selbständiges Leben und wuchs ihm über die schreibende Hand hinaus, und merkwürdig, diese Niederschrift gewährte ihm eine größere Befriedigung als sein Bild, vor dem der greulichste Küustlerkater immer weitern Besitz von ihm nahm. Was ist das? fragte er eines Tages Staffelsteiger, der neben ihm stand und tiefsinnig das Bild betrachtete. Er hoffte von ihm eine Bestätigung seiner Meinung und Hoffnung zu vernehmen. Ich weiß es nicht, sagte Staffelsteiger. Schwechting wurde ärgerlich und erwiderte: Staffelsteiger, ich bitte Sie um Gottes Jesu willen, stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind. Dies Bild ist stumm, sagte Staffelsteiger dumpf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/112>, abgerufen am 27.09.2024.