Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.Doktor Duttmüller und sein Freund Ich finde nur, sagte Alice, daß du ungewöhnlich dreist bist, und daß du dich So? Die mich nichts angehn? Wer ist denn der Leidtragende, wenn Fräulein Ich sage ja gar nichts. Doch, du redest fortwährend, und lauter Unsinn, und das höre ich ganz Ellen, du bist unerträglich. Übrigens habe ich dir schon gesagt, daß es keinen So? Na dann höre einmal zu. Damit holte sie ein Blatt Papier, es war Dich sah ich schon. Vor tausend Jahren sah ich dich Ellen lachte hell auf. Alice war blaß und rot geworden, war auf Elleu zu¬ Wo hast du das Blatt her? Nicht gestohlen! Wenn aber Fräulein Alice ihre Geheimnisse herumschmeißt, Ellen, bitte, gieb mir das Blatt zurück. Da hast du es, aber schwöre mir -- Da öffnete sich die Thür, und eine junge Dame in sehr eleganter Kleidung Kinder, rief sie, was macht ihr da? Wir memorieren ein Kochrezept, erwiderte Ellen ohne Besinnen. Also, noch Damit gab sie das Blatt zurück, das Alice schleunigst verschwinden ließ. Kinder, rief Fräulein Lydia, nehmt es nicht übel, wenn ich euch überfalle, Doktor Duttmüller und sein Freund Ich finde nur, sagte Alice, daß du ungewöhnlich dreist bist, und daß du dich So? Die mich nichts angehn? Wer ist denn der Leidtragende, wenn Fräulein Ich sage ja gar nichts. Doch, du redest fortwährend, und lauter Unsinn, und das höre ich ganz Ellen, du bist unerträglich. Übrigens habe ich dir schon gesagt, daß es keinen So? Na dann höre einmal zu. Damit holte sie ein Blatt Papier, es war Dich sah ich schon. Vor tausend Jahren sah ich dich Ellen lachte hell auf. Alice war blaß und rot geworden, war auf Elleu zu¬ Wo hast du das Blatt her? Nicht gestohlen! Wenn aber Fräulein Alice ihre Geheimnisse herumschmeißt, Ellen, bitte, gieb mir das Blatt zurück. Da hast du es, aber schwöre mir — Da öffnete sich die Thür, und eine junge Dame in sehr eleganter Kleidung Kinder, rief sie, was macht ihr da? Wir memorieren ein Kochrezept, erwiderte Ellen ohne Besinnen. Also, noch Damit gab sie das Blatt zurück, das Alice schleunigst verschwinden ließ. Kinder, rief Fräulein Lydia, nehmt es nicht übel, wenn ich euch überfalle, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236856"/> <fw type="header" place="top"> Doktor Duttmüller und sein Freund</fw><lb/> <p xml:id="ID_1251"> Ich finde nur, sagte Alice, daß du ungewöhnlich dreist bist, und daß du dich<lb/> um Dinge bekümmerst, die dich nichts angehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1252"> So? Die mich nichts angehn? Wer ist denn der Leidtragende, wenn Fräulein<lb/> Alice Stimmungen haben und mit dem Geschicke hadern? Und wer muß das Ge¬<lb/> seufze und thörichte Gerede mit anhören?</p><lb/> <p xml:id="ID_1253"> Ich sage ja gar nichts.</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Doch, du redest fortwährend, und lauter Unsinn, und das höre ich ganz<lb/> deutlich. Und ich weiß auch, woher das schlechte Wetter kommt. Das hängt mit<lb/> gewissen Briefen in Elefantenpapiercouverts zusammen. Jawohl! Und ich weiß<lb/> auch, wer „Er" ist. Er ist ein Dichter oder so etwas. Jedenfalls gehört er zu<lb/> den Herren von den brodlosen Künsten. Ich bitte dich, Alice, einen Dichter an¬<lb/> zuschwärmen! Ich hätte nie von dir gedacht, daß du so tief sinken würdest.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255"> Ellen, du bist unerträglich. Übrigens habe ich dir schon gesagt, daß es keinen<lb/> „Er" giebt, mag er Dichter oder sonst etwas sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1256"> So? Na dann höre einmal zu. Damit holte sie ein Blatt Papier, es war<lb/> Elefantenpapier mit unbeschnittnen Rändern, aus der Tasche und las mit drolliger<lb/> Übertreibung:</p><lb/> <quote> Dich sah ich schon. Vor tausend Jahren sah ich dich<lb/> In einer Julimitternacht. Von oben,<lb/> Wo am kristallnen Himmelsdom der Mond<lb/> Gleich einer ungebornen Seele zittert,<lb/> Von oben fiel herab ein Blütenschleier<lb/> Hellglänzend, zart gewebt aus Ruh und Schlummer,<lb/> Der hüllte ein dein Haupt und machte dich<lb/> Unsterblich. Ja. Und also lebt dein Bild<lb/> In meiner Seele.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1257"> Ellen lachte hell auf. Alice war blaß und rot geworden, war auf Elleu zu¬<lb/> gestürzt und hatte versucht, ihr das Blatt zu entreißen, Ellen war auf die Sofa¬<lb/> lehne gesprungen und hielt ihr Blatt hoch, während sie las. Soll ich dir sagen,<lb/> was das ist? rief sie. Das ist blanker Unsinn. Der Mond zittert am Himmel<lb/> herum wie eine ungeborne Seele, das ist ein ungeborner Gedanke. Alice, nimm<lb/> dich vor dem Menschen in acht, das ist ein fauler Kopp.</p><lb/> <p xml:id="ID_1258"> Wo hast du das Blatt her?</p><lb/> <p xml:id="ID_1259"> Nicht gestohlen! Wenn aber Fräulein Alice ihre Geheimnisse herumschmeißt,<lb/> so kommen sie in falsche Hände, und Bob^s können sich ihren Vers darauf machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1260"> Ellen, bitte, gieb mir das Blatt zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_1261"> Da hast du es, aber schwöre mir —</p><lb/> <p xml:id="ID_1262"> Da öffnete sich die Thür, und eine junge Dame in sehr eleganter Kleidung<lb/> und mit hübschen, aber nicht gerade vornehmen Gesichtszügen trat auf die Schwelle.<lb/> Es war Lydia, die Tochter des Direktors Wenzel.</p><lb/> <p xml:id="ID_1263"> Kinder, rief sie, was macht ihr da?</p><lb/> <p xml:id="ID_1264"> Wir memorieren ein Kochrezept, erwiderte Ellen ohne Besinnen. Also, noch<lb/> einmal: Fünf Eier, ein halbes Liter Maizena, eine Messerspitze voll Baldrian —<lb/> weiter! — na, weiter, weiter! Fräulein sind faul gewesen und wissen nichts-<lb/> Morgen noch einmal. 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Doktor Duttmüller und sein Freund
Ich finde nur, sagte Alice, daß du ungewöhnlich dreist bist, und daß du dich
um Dinge bekümmerst, die dich nichts angehn.
So? Die mich nichts angehn? Wer ist denn der Leidtragende, wenn Fräulein
Alice Stimmungen haben und mit dem Geschicke hadern? Und wer muß das Ge¬
seufze und thörichte Gerede mit anhören?
Ich sage ja gar nichts.
Doch, du redest fortwährend, und lauter Unsinn, und das höre ich ganz
deutlich. Und ich weiß auch, woher das schlechte Wetter kommt. Das hängt mit
gewissen Briefen in Elefantenpapiercouverts zusammen. Jawohl! Und ich weiß
auch, wer „Er" ist. Er ist ein Dichter oder so etwas. Jedenfalls gehört er zu
den Herren von den brodlosen Künsten. Ich bitte dich, Alice, einen Dichter an¬
zuschwärmen! Ich hätte nie von dir gedacht, daß du so tief sinken würdest.
Ellen, du bist unerträglich. Übrigens habe ich dir schon gesagt, daß es keinen
„Er" giebt, mag er Dichter oder sonst etwas sein.
So? Na dann höre einmal zu. Damit holte sie ein Blatt Papier, es war
Elefantenpapier mit unbeschnittnen Rändern, aus der Tasche und las mit drolliger
Übertreibung:
Dich sah ich schon. Vor tausend Jahren sah ich dich
In einer Julimitternacht. Von oben,
Wo am kristallnen Himmelsdom der Mond
Gleich einer ungebornen Seele zittert,
Von oben fiel herab ein Blütenschleier
Hellglänzend, zart gewebt aus Ruh und Schlummer,
Der hüllte ein dein Haupt und machte dich
Unsterblich. Ja. Und also lebt dein Bild
In meiner Seele.
Ellen lachte hell auf. Alice war blaß und rot geworden, war auf Elleu zu¬
gestürzt und hatte versucht, ihr das Blatt zu entreißen, Ellen war auf die Sofa¬
lehne gesprungen und hielt ihr Blatt hoch, während sie las. Soll ich dir sagen,
was das ist? rief sie. Das ist blanker Unsinn. Der Mond zittert am Himmel
herum wie eine ungeborne Seele, das ist ein ungeborner Gedanke. Alice, nimm
dich vor dem Menschen in acht, das ist ein fauler Kopp.
Wo hast du das Blatt her?
Nicht gestohlen! Wenn aber Fräulein Alice ihre Geheimnisse herumschmeißt,
so kommen sie in falsche Hände, und Bob^s können sich ihren Vers darauf machen.
Ellen, bitte, gieb mir das Blatt zurück.
Da hast du es, aber schwöre mir —
Da öffnete sich die Thür, und eine junge Dame in sehr eleganter Kleidung
und mit hübschen, aber nicht gerade vornehmen Gesichtszügen trat auf die Schwelle.
Es war Lydia, die Tochter des Direktors Wenzel.
Kinder, rief sie, was macht ihr da?
Wir memorieren ein Kochrezept, erwiderte Ellen ohne Besinnen. Also, noch
einmal: Fünf Eier, ein halbes Liter Maizena, eine Messerspitze voll Baldrian —
weiter! — na, weiter, weiter! Fräulein sind faul gewesen und wissen nichts-
Morgen noch einmal. Da haben Sie Ihr Opus.
Damit gab sie das Blatt zurück, das Alice schleunigst verschwinden ließ.
Kinder, rief Fräulein Lydia, nehmt es nicht übel, wenn ich euch überfalle,
aber ich konnte es zu Hause einfach nicht aushalten. Ein alter Jude aus Berlin
ist da, und noch einer, der wenigstens zur Hälfte auch ein Jude ist, und sein
Bruder, den sie Doktor nennen, es ist aber einer von den Doktors, die nichts
können, sondern nur so heiße». Und ein Advokat, ein alter, ganz abscheulicher Kerl,
der sich herausnimmt, junge Mädchen in die Backen zu kneifen. Erst sind sie
überall herumgekrochen, und dann sind sie nicht etwa in das Bureau gegangen, Gott
bewahre, sondern sie haben sich in die gute Stube gesetzt und rauchen, daß man
nicht durchsehen kann. Wer sich blicken läßt, wird hinausgethan. Und alle Augen-
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