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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unsre Postdampferlinieii

deutschen Industrie, der deutschen Reederei, auf die Steigerung unsrer Export¬
fähigkeit durch Erweiterung des Absatzgebiets, durch Herstellung näherer Be¬
rührungen mit den Produktionsländern und den Ursprungsmärkten der Roh¬
stoffe" (Rede des Staatssekretärs des Neichspostamts vom 1. Dezember 1884);
sie enthielten außerdem eine umfangreiche Übersicht über den Handel Deutsch¬
lands mit Ostasien und Australien.

Bei der ersten Lesung am 1. Dezember 1834 wurde das Gesetz von den
Konservativen und Nationalliberalen, dem Elsässer Grad und von den Sozial-
demvkcaten -- von diesen jedoch nur bezüglich der asiatischen und australischen
Linie -- warm befürwortet, dagegen von den Mitgliedern des Zentrums und
den Deutschfreisinnigen mehr oder weniger heftig bekämpft. Schließlich wurde
es einer besondern Kommission von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen.
Aber obgleich die Kommissionsberatungen nicht weniger als dreizehn Sitzungen
in Anspruch nahmen, blieben sie doch ergebnislos. Die bei den verschiednen
Lesungen gefaßten Beschlüsse widersprachen einander derart, daß der Kommission
nichts weiter übrig blieb, als sich in dem an den Reichstag erstatteten Berichte
jedes bestimmten Antrags zu enthalten. Glücklicherweise führte die zweite
und dritte Lesung des Gesetzes im Plenum des Reichstags -- in den Tagen
vom 12. bis zum 17. und am 23. März 1885 -- zu einem bessern Ergebnis.
Nach drei aus'der Mitte der Parteien gestellten Vcrbesserungsautrügen wurde
übereinstimmend verlangt, in einer dem Gesetze beizufügenden Anlage die Be¬
dingungen anzugeben, unter denen die Errichtung der unterstützten Linien den
Unternehmern zu übertragen sein würde. Auch diese Bedingungen selbst wichen
in den drei Anträgen wenig von einander ab. Sie bezogen sich auf folgende
Punkte: Häufigkeit der Fahrten, Bau und Einrichtung der Dampfer, Jahr¬
geschwindigkeit, Anlaufen eines belgischen oder holländischen Zwischenhafens,
Ausdehnung der Mittelmeerlinie Alexandrien-Vrindisi bis Trieft, sofortige oder
allmähliche Einstellung neuer und auf deutschen Werften erbauter Dampfer,
Prüfung der Tauglichkeit dieser Dampfer, Kürzung der Beihilfe im Fall un¬
gerechtfertigter Verzögerung, Führung der deutschen Postflagge, Beförderung
der Post ohne besondre Bezahlung, Zeitpunkt des Beginns der Fahrten,
Kaution, der Unternehmer, Auferlegung größerer Leistungen, z. B. schnellerer
oder vermehrter Fahrten, bei Erzielung eines dauernd größern Gewinns. Daß
es notwendig sein würde, zur Aufnahme der Güter, die auf dem Rhein und
auf den ihn begleitenden Bahnen ans Süd- und Westdeutschland nach der
Meeresküste geschafft würden, oder zur Abgabe der in umgekehrter Richtung
zu befördernden Güter einen Seehafen des Nheindeltas zu berühren, war schon
in den Erläuterungen des Gesetzes angedeutet und wurde auch im Reichstage
ohne großen Widerspruch anerkannt. Dagegen entspann sich eine längere
Debatte darüber, ob dieser Hafen in der dem Gesetze beizufügenden Anlage
bestimmt bezeichnet werden sollte oder nicht. Nachdem jedoch der Staats¬
sekretär des Neichspostamts nachgewiesen hatte, daß es zweckmäßig wäre, in


Unsre Postdampferlinieii

deutschen Industrie, der deutschen Reederei, auf die Steigerung unsrer Export¬
fähigkeit durch Erweiterung des Absatzgebiets, durch Herstellung näherer Be¬
rührungen mit den Produktionsländern und den Ursprungsmärkten der Roh¬
stoffe" (Rede des Staatssekretärs des Neichspostamts vom 1. Dezember 1884);
sie enthielten außerdem eine umfangreiche Übersicht über den Handel Deutsch¬
lands mit Ostasien und Australien.

Bei der ersten Lesung am 1. Dezember 1834 wurde das Gesetz von den
Konservativen und Nationalliberalen, dem Elsässer Grad und von den Sozial-
demvkcaten — von diesen jedoch nur bezüglich der asiatischen und australischen
Linie — warm befürwortet, dagegen von den Mitgliedern des Zentrums und
den Deutschfreisinnigen mehr oder weniger heftig bekämpft. Schließlich wurde
es einer besondern Kommission von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen.
Aber obgleich die Kommissionsberatungen nicht weniger als dreizehn Sitzungen
in Anspruch nahmen, blieben sie doch ergebnislos. Die bei den verschiednen
Lesungen gefaßten Beschlüsse widersprachen einander derart, daß der Kommission
nichts weiter übrig blieb, als sich in dem an den Reichstag erstatteten Berichte
jedes bestimmten Antrags zu enthalten. Glücklicherweise führte die zweite
und dritte Lesung des Gesetzes im Plenum des Reichstags — in den Tagen
vom 12. bis zum 17. und am 23. März 1885 — zu einem bessern Ergebnis.
Nach drei aus'der Mitte der Parteien gestellten Vcrbesserungsautrügen wurde
übereinstimmend verlangt, in einer dem Gesetze beizufügenden Anlage die Be¬
dingungen anzugeben, unter denen die Errichtung der unterstützten Linien den
Unternehmern zu übertragen sein würde. Auch diese Bedingungen selbst wichen
in den drei Anträgen wenig von einander ab. Sie bezogen sich auf folgende
Punkte: Häufigkeit der Fahrten, Bau und Einrichtung der Dampfer, Jahr¬
geschwindigkeit, Anlaufen eines belgischen oder holländischen Zwischenhafens,
Ausdehnung der Mittelmeerlinie Alexandrien-Vrindisi bis Trieft, sofortige oder
allmähliche Einstellung neuer und auf deutschen Werften erbauter Dampfer,
Prüfung der Tauglichkeit dieser Dampfer, Kürzung der Beihilfe im Fall un¬
gerechtfertigter Verzögerung, Führung der deutschen Postflagge, Beförderung
der Post ohne besondre Bezahlung, Zeitpunkt des Beginns der Fahrten,
Kaution, der Unternehmer, Auferlegung größerer Leistungen, z. B. schnellerer
oder vermehrter Fahrten, bei Erzielung eines dauernd größern Gewinns. Daß
es notwendig sein würde, zur Aufnahme der Güter, die auf dem Rhein und
auf den ihn begleitenden Bahnen ans Süd- und Westdeutschland nach der
Meeresküste geschafft würden, oder zur Abgabe der in umgekehrter Richtung
zu befördernden Güter einen Seehafen des Nheindeltas zu berühren, war schon
in den Erläuterungen des Gesetzes angedeutet und wurde auch im Reichstage
ohne großen Widerspruch anerkannt. Dagegen entspann sich eine längere
Debatte darüber, ob dieser Hafen in der dem Gesetze beizufügenden Anlage
bestimmt bezeichnet werden sollte oder nicht. Nachdem jedoch der Staats¬
sekretär des Neichspostamts nachgewiesen hatte, daß es zweckmäßig wäre, in


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[0070] Unsre Postdampferlinieii deutschen Industrie, der deutschen Reederei, auf die Steigerung unsrer Export¬ fähigkeit durch Erweiterung des Absatzgebiets, durch Herstellung näherer Be¬ rührungen mit den Produktionsländern und den Ursprungsmärkten der Roh¬ stoffe" (Rede des Staatssekretärs des Neichspostamts vom 1. Dezember 1884); sie enthielten außerdem eine umfangreiche Übersicht über den Handel Deutsch¬ lands mit Ostasien und Australien. Bei der ersten Lesung am 1. Dezember 1834 wurde das Gesetz von den Konservativen und Nationalliberalen, dem Elsässer Grad und von den Sozial- demvkcaten — von diesen jedoch nur bezüglich der asiatischen und australischen Linie — warm befürwortet, dagegen von den Mitgliedern des Zentrums und den Deutschfreisinnigen mehr oder weniger heftig bekämpft. Schließlich wurde es einer besondern Kommission von einundzwanzig Mitgliedern überwiesen. Aber obgleich die Kommissionsberatungen nicht weniger als dreizehn Sitzungen in Anspruch nahmen, blieben sie doch ergebnislos. Die bei den verschiednen Lesungen gefaßten Beschlüsse widersprachen einander derart, daß der Kommission nichts weiter übrig blieb, als sich in dem an den Reichstag erstatteten Berichte jedes bestimmten Antrags zu enthalten. Glücklicherweise führte die zweite und dritte Lesung des Gesetzes im Plenum des Reichstags — in den Tagen vom 12. bis zum 17. und am 23. März 1885 — zu einem bessern Ergebnis. Nach drei aus'der Mitte der Parteien gestellten Vcrbesserungsautrügen wurde übereinstimmend verlangt, in einer dem Gesetze beizufügenden Anlage die Be¬ dingungen anzugeben, unter denen die Errichtung der unterstützten Linien den Unternehmern zu übertragen sein würde. Auch diese Bedingungen selbst wichen in den drei Anträgen wenig von einander ab. Sie bezogen sich auf folgende Punkte: Häufigkeit der Fahrten, Bau und Einrichtung der Dampfer, Jahr¬ geschwindigkeit, Anlaufen eines belgischen oder holländischen Zwischenhafens, Ausdehnung der Mittelmeerlinie Alexandrien-Vrindisi bis Trieft, sofortige oder allmähliche Einstellung neuer und auf deutschen Werften erbauter Dampfer, Prüfung der Tauglichkeit dieser Dampfer, Kürzung der Beihilfe im Fall un¬ gerechtfertigter Verzögerung, Führung der deutschen Postflagge, Beförderung der Post ohne besondre Bezahlung, Zeitpunkt des Beginns der Fahrten, Kaution, der Unternehmer, Auferlegung größerer Leistungen, z. B. schnellerer oder vermehrter Fahrten, bei Erzielung eines dauernd größern Gewinns. Daß es notwendig sein würde, zur Aufnahme der Güter, die auf dem Rhein und auf den ihn begleitenden Bahnen ans Süd- und Westdeutschland nach der Meeresküste geschafft würden, oder zur Abgabe der in umgekehrter Richtung zu befördernden Güter einen Seehafen des Nheindeltas zu berühren, war schon in den Erläuterungen des Gesetzes angedeutet und wurde auch im Reichstage ohne großen Widerspruch anerkannt. Dagegen entspann sich eine längere Debatte darüber, ob dieser Hafen in der dem Gesetze beizufügenden Anlage bestimmt bezeichnet werden sollte oder nicht. Nachdem jedoch der Staats¬ sekretär des Neichspostamts nachgewiesen hatte, daß es zweckmäßig wäre, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/70>, abgerufen am 27.09.2024.