Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches als maßgebend für das Verhalten des Volks zur Monarchie bezeichnet werden. Am Die Agrarier und die Wissenschaft. Es gab eine Zeit, in der der In der neusten Zeit ist dann ein weiterer wichtiger Fortschritt zu verzeichnen; Mit dieser Wissenschaft ausgerüstet und zugleich als erfahrne Praktiker des Maßgebliches und Unmaßgebliches als maßgebend für das Verhalten des Volks zur Monarchie bezeichnet werden. Am Die Agrarier und die Wissenschaft. Es gab eine Zeit, in der der In der neusten Zeit ist dann ein weiterer wichtiger Fortschritt zu verzeichnen; Mit dieser Wissenschaft ausgerüstet und zugleich als erfahrne Praktiker des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0670" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224916"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2191" prev="#ID_2190"> als maßgebend für das Verhalten des Volks zur Monarchie bezeichnet werden. Am<lb/> gefährlichsten aber ist der mit dem monarchischen Gesicht getriebne Mißbrauch, das<lb/> Bestreben, dnrch beständiges auffälliges Betonen einer angeblich ganz besonders<lb/> warmen Anhänglichkeit an die Monarchie materielle Vorteile von der Gesetzgebung<lb/> herauszuschlagen, Vorteile, die ohne Schädigung weiter Bevölkeruugskreise die Ge¬<lb/> setzgebung nicht gewähren kann. Man vergleiche hiermit die Art, wie vor Jahren<lb/> nach einem heftigen Kampf zwischen der Regierung und der Opposition das<lb/> monarchische Gefühl wieder im Volle erstarkte. Damals hatte ein echter, edler<lb/> Idealismus seine Befriedigung gefunden, eine einmütige, begeisterte und opferfreudige<lb/> Stimmung hatte das Volk ergriffen; das Verlangen nach Einigung hatte sein Ziel<lb/> erreicht. Die Monarchie war wieder zu Ansehen gekommen, weil ihr Wirken die<lb/> vom Volke erstrebte Einigung so kräftig gefördert hatte. Heute sind es kleinliche<lb/> und selbstsüchtige Bestrebungen, die durch die Berufung auf die Monarchie Stärkung<lb/> und dem wachsenden Unwillen des Volks gegenüber Schutz suche». Die Agrarier<lb/> und Konservativen suchen das monarchische Gefühl zur Parteisache zu machen; sie<lb/> wollen als „die allein echten Vertreter kvuigstreuer Gesinnung die Besten" sein<lb/> und vor der gesamten übrigen Bevölkerung einen Vorzug genießen. Wenn dies<lb/> Bestreben durch das Verhalten der Regierung gegen die Agrarier Aufmunterung<lb/> findet, so wird man vergebens durch Pflege des monarchischen Gefühls in der<lb/> Schule bei der heranwachsenden Jngend der Ausfassung entgegenzuwirken suchen,<lb/> daß Ungerechtigkeit sich mit dem Mantel der Kvnigstreue decken dürfe.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Agrarier und die Wissenschaft.</head> <p xml:id="ID_2192"> Es gab eine Zeit, in der der<lb/> praktische Landmann durchweg gegen die Wissenschaft, soweit sie ihm Lehren für<lb/> die Praxis erteilen wollte, eine gewisse Abneigung hegte, auch über den „lateinischen<lb/> Bauer" geringschätzig urteilte. Später aber fingen die Landleute allmählich an,<lb/> den Wert der Wissenschaft für ihren Beruf besser zu würdigen. Die ersten Land¬<lb/> leute, die Kunstdünger brauchten und andre Fortschritte zu verwerten wußten, wurden<lb/> ausgelacht. Heute aber ist die Verwertung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse<lb/> im landwirtschaftlichen Betriebe ziemlich allgemein. Theorie und Praxis arbeiten<lb/> einträchtig mit einander, und bei dem Praktiker ist an die Stelle hochmütiger Ver¬<lb/> achtung Verständnis für die von der Wissenschaft ihm geleistete Hilfe getreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2193"> In der neusten Zeit ist dann ein weiterer wichtiger Fortschritt zu verzeichnen;<lb/> das ist die Verwertung der Wissenschaft als Kampfmittel in den wirtschaftspolitischen<lb/> Kämpfen. Um hierin einen Fortschritt zu sehen, muß mau freilich schon zu den<lb/> Anhängern des agrarischen Programms gehören. Denn nicht unbefangne Prüfung<lb/> und redliches Forschen nach der Wahrheit, wobei möglicherweise etwas herauskommen<lb/> könnte, was man nicht hören mag, ist die Aufgabe dieser sogenannten Wissenschaft.<lb/> Sie muß das finden und das aussagen, was der Parteigeist von ihr verlangt.<lb/> Wenn sie das thut, so ist sie die Wissenschaft, deren Anwendung heute im Interesse<lb/> der notleidenden Landwirtschaft notwendig ist. Im entgegengesetzten Falle taugen<lb/> die Ergebnisse ihrer Forschung nichts.</p><lb/> <p xml:id="ID_2194" next="#ID_2195"> Mit dieser Wissenschaft ausgerüstet und zugleich als erfahrne Praktiker des<lb/> landwirtschaftlichen Gewerbes fühlen sich die Agrarier jedem Gegner überlegen, um<lb/> welches Gebiet der wirtschaftlichen Gesetzgebung es sich auch handeln möge. Wenn<lb/> gegenüber den Forderungen der Staatshilfe für die Landwirtschaft von den Gegnern<lb/> der Agrarier bescheidne Vorschläge gemacht werden, wie die Landwirtschaft durch<lb/> Selbsthilfe die Not der Zeit überwinden könnte, so wird ihnen stolz entgegnet,<lb/> daß sie von der Landwirtschaft nichts verstünden. Aber mich bei Fragen, die<lb/> mit dem engern Gebiet des Landwirtschaftsbetriebes nichts zu thun haben, viel-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0670]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
als maßgebend für das Verhalten des Volks zur Monarchie bezeichnet werden. Am
gefährlichsten aber ist der mit dem monarchischen Gesicht getriebne Mißbrauch, das
Bestreben, dnrch beständiges auffälliges Betonen einer angeblich ganz besonders
warmen Anhänglichkeit an die Monarchie materielle Vorteile von der Gesetzgebung
herauszuschlagen, Vorteile, die ohne Schädigung weiter Bevölkeruugskreise die Ge¬
setzgebung nicht gewähren kann. Man vergleiche hiermit die Art, wie vor Jahren
nach einem heftigen Kampf zwischen der Regierung und der Opposition das
monarchische Gefühl wieder im Volle erstarkte. Damals hatte ein echter, edler
Idealismus seine Befriedigung gefunden, eine einmütige, begeisterte und opferfreudige
Stimmung hatte das Volk ergriffen; das Verlangen nach Einigung hatte sein Ziel
erreicht. Die Monarchie war wieder zu Ansehen gekommen, weil ihr Wirken die
vom Volke erstrebte Einigung so kräftig gefördert hatte. Heute sind es kleinliche
und selbstsüchtige Bestrebungen, die durch die Berufung auf die Monarchie Stärkung
und dem wachsenden Unwillen des Volks gegenüber Schutz suche». Die Agrarier
und Konservativen suchen das monarchische Gefühl zur Parteisache zu machen; sie
wollen als „die allein echten Vertreter kvuigstreuer Gesinnung die Besten" sein
und vor der gesamten übrigen Bevölkerung einen Vorzug genießen. Wenn dies
Bestreben durch das Verhalten der Regierung gegen die Agrarier Aufmunterung
findet, so wird man vergebens durch Pflege des monarchischen Gefühls in der
Schule bei der heranwachsenden Jngend der Ausfassung entgegenzuwirken suchen,
daß Ungerechtigkeit sich mit dem Mantel der Kvnigstreue decken dürfe.
Die Agrarier und die Wissenschaft. Es gab eine Zeit, in der der
praktische Landmann durchweg gegen die Wissenschaft, soweit sie ihm Lehren für
die Praxis erteilen wollte, eine gewisse Abneigung hegte, auch über den „lateinischen
Bauer" geringschätzig urteilte. Später aber fingen die Landleute allmählich an,
den Wert der Wissenschaft für ihren Beruf besser zu würdigen. Die ersten Land¬
leute, die Kunstdünger brauchten und andre Fortschritte zu verwerten wußten, wurden
ausgelacht. Heute aber ist die Verwertung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse
im landwirtschaftlichen Betriebe ziemlich allgemein. Theorie und Praxis arbeiten
einträchtig mit einander, und bei dem Praktiker ist an die Stelle hochmütiger Ver¬
achtung Verständnis für die von der Wissenschaft ihm geleistete Hilfe getreten.
In der neusten Zeit ist dann ein weiterer wichtiger Fortschritt zu verzeichnen;
das ist die Verwertung der Wissenschaft als Kampfmittel in den wirtschaftspolitischen
Kämpfen. Um hierin einen Fortschritt zu sehen, muß mau freilich schon zu den
Anhängern des agrarischen Programms gehören. Denn nicht unbefangne Prüfung
und redliches Forschen nach der Wahrheit, wobei möglicherweise etwas herauskommen
könnte, was man nicht hören mag, ist die Aufgabe dieser sogenannten Wissenschaft.
Sie muß das finden und das aussagen, was der Parteigeist von ihr verlangt.
Wenn sie das thut, so ist sie die Wissenschaft, deren Anwendung heute im Interesse
der notleidenden Landwirtschaft notwendig ist. Im entgegengesetzten Falle taugen
die Ergebnisse ihrer Forschung nichts.
Mit dieser Wissenschaft ausgerüstet und zugleich als erfahrne Praktiker des
landwirtschaftlichen Gewerbes fühlen sich die Agrarier jedem Gegner überlegen, um
welches Gebiet der wirtschaftlichen Gesetzgebung es sich auch handeln möge. Wenn
gegenüber den Forderungen der Staatshilfe für die Landwirtschaft von den Gegnern
der Agrarier bescheidne Vorschläge gemacht werden, wie die Landwirtschaft durch
Selbsthilfe die Not der Zeit überwinden könnte, so wird ihnen stolz entgegnet,
daß sie von der Landwirtschaft nichts verstünden. Aber mich bei Fragen, die
mit dem engern Gebiet des Landwirtschaftsbetriebes nichts zu thun haben, viel-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |