Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches dischen Strolchen/' diese selben Herren haben reich ihrer Wahlniederlage in der Vor einer solchen Fülle von Schattirnngen ist man in England, dein klassischen Maßgebliches und Unmaßgebliches dischen Strolchen/' diese selben Herren haben reich ihrer Wahlniederlage in der Vor einer solchen Fülle von Schattirnngen ist man in England, dein klassischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0663" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224909"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2170" prev="#ID_2169"> dischen Strolchen/' diese selben Herren haben reich ihrer Wahlniederlage in der<lb/> Leopoldstadt den Juden Fenster eingeworfen und hie und da etwas angehn heißen<lb/> (der Ausdruck „geplündert" in liberalen Blätter war übertrieben). Nun sind es<lb/> ja natürlich nicht die antisemitischen Parteihcinpter gewesen, die das gethan haben,<lb/> der Mob stellt sich jeder Partei zur Verfügung, und ein bischen Nadeln ist an sich<lb/> nichts schlimmes, aber es bleibt doch charakteristisch, daß die Antisemiten wegen einer<lb/> Niederlage Nadan gemacht haben, die Arbeiter dagegen bei ihrer fünffachen Nieder¬<lb/> lage, die sie ans Ungesetzlichkeiten zurückführen, keinen gemacht haben. Ferner be¬<lb/> rührt es eigentümlich, daß die Partei „gegen Korruption" in Wien einen Kellner,<lb/> namens Mittermayer, gewählt hat, der schon vor der Wahl des Diebstahls über¬<lb/> führt war; wenigstens behaupten es die Gegner, die Sache wird doch wohl vor<lb/> Gericht entschieden werden müssen. Mit nicht geringer Spannung werden die<lb/> Volksschullehrer ans das warten, was ihnen zu blühen scheint; auch ein begütigendes<lb/> Schreiben des klerikalen Abgeordneten Obcrndorfer an das Organ der Liberalen<lb/> in Se. Potter wird ihre Befürchtungen kaum beschwichtigen, obwohl dieser Herr<lb/> beteuert: „Wahr ist, daß ich gegen die Schule als solche nie aufgetreten bin, unsern<lb/> Priestern aber jene Hochachtung nicht versage, die sie als geistliche Führer und<lb/> Freunde des Volks verdiene»." Den Wcihlsprnch vivicls se inrxsi-g, zu befolgen<lb/> hat Badeni unendlich leicht; das erste ist durch die vierundzwanzig „Schattirnngen,"<lb/> wie ein Blatt sehr hübsch für Parteien oder Klubs sagt, im neuen Abgeordneten-<lb/> Hanse schon besorgt, und so macht sich das zweite von selbst. In dieser günstigen<lb/> Lage durfte sich der polnische Diktator des Donaustaats auch einmal den Luxus<lb/> erlauben, etwas Gutes und Nützliches zu thun, und bei dem letzten Pairsschnb<lb/> hochverdiente Männer von bekanntem Namen ins Herrenhaus zu befördern, statt<lb/> vornehmer Nullen, wie nnter Taaffe üblich gewesen sein soll; darob rühmt ihn die<lb/> Neue Freie Presse.</p><lb/> <p xml:id="ID_2171" next="#ID_2172"> Vor einer solchen Fülle von Schattirnngen ist man in England, dein klassischen<lb/> Lande des Parlamentarismus, sicher, und der Parlamentarismus ist dort eben da¬<lb/> durch möglich, daß es eiuen wirklichen Volkswillen giebt, der aus der Einsicht in<lb/> die Lebensbedingungen der Nation entspringt, die freilich einfacher und wider¬<lb/> spruchsloser, daher auch leichter zu erkennen sind als bei uns und in Österreich.<lb/> Die Schwankungen Englands in der gegenwärtigen Orientkrisis erklären sich daraus,<lb/> daß das Volk selber schwankt, weil es von zwei entgegengesetzten Interessen nach<lb/> entgegengesetzten Seiten gezogen wird. Das tritt unter anderm recht deutlich in<lb/> der Sawi'al^ Rooi<z>v hervor, die am 20. März das Gegenteil von dem schreibt,<lb/> was sie am 13. geschrieben hat. Am 13. fand sie es ganz in der Ordnung, daß<lb/> die drei Westmnchte, England, Frankreich und Italien, mis Freunde der politischen<lb/> Freiheit für Griechenland gegen die drei Kaiserreiche zusammenhielten. Am 20. da¬<lb/> gegen bezeichnete sie die Veröffentlichung des Briefes, den Gladstone an den Herzog<lb/> von Westminster gerichtet hat, mis ein wahres Unglück. Es sei gerade das einzige<lb/> Verdienst dieses in allem übrigen verderblichen Greises, daß er sich bemüht habe,<lb/> die Engländer ans Türkenfreunden zu Nussenfrcuuden zu machen, und nun, wo die<lb/> britische Politik uuter Salisburhs Führung glücklich im russischen Fahrwasser angelangt<lb/> sei, begehe er die Narrheit, den russischen Kaiser öffentlich zu insultiren. Darin spiegelt<lb/> sich die gespaltene englische Volksseele; Sympathie und das Interesse der innern<lb/> Politik ziehen sie zu Griechenland, das Interesse der äußern Politik gebietet ihr,<lb/> Rußlands Freundschaft zu suchen. Die Verwicklung wird aber dadurch schier un¬<lb/> löslich, daß im Augenblick Nussenfreundschaft und Türkenfreundschaft eins sind.<lb/> Daher würde die Türkenfreundschaft den Freiheitsfrennden, die der Sozialist Hyndman</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0663]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
dischen Strolchen/' diese selben Herren haben reich ihrer Wahlniederlage in der
Leopoldstadt den Juden Fenster eingeworfen und hie und da etwas angehn heißen
(der Ausdruck „geplündert" in liberalen Blätter war übertrieben). Nun sind es
ja natürlich nicht die antisemitischen Parteihcinpter gewesen, die das gethan haben,
der Mob stellt sich jeder Partei zur Verfügung, und ein bischen Nadeln ist an sich
nichts schlimmes, aber es bleibt doch charakteristisch, daß die Antisemiten wegen einer
Niederlage Nadan gemacht haben, die Arbeiter dagegen bei ihrer fünffachen Nieder¬
lage, die sie ans Ungesetzlichkeiten zurückführen, keinen gemacht haben. Ferner be¬
rührt es eigentümlich, daß die Partei „gegen Korruption" in Wien einen Kellner,
namens Mittermayer, gewählt hat, der schon vor der Wahl des Diebstahls über¬
führt war; wenigstens behaupten es die Gegner, die Sache wird doch wohl vor
Gericht entschieden werden müssen. Mit nicht geringer Spannung werden die
Volksschullehrer ans das warten, was ihnen zu blühen scheint; auch ein begütigendes
Schreiben des klerikalen Abgeordneten Obcrndorfer an das Organ der Liberalen
in Se. Potter wird ihre Befürchtungen kaum beschwichtigen, obwohl dieser Herr
beteuert: „Wahr ist, daß ich gegen die Schule als solche nie aufgetreten bin, unsern
Priestern aber jene Hochachtung nicht versage, die sie als geistliche Führer und
Freunde des Volks verdiene»." Den Wcihlsprnch vivicls se inrxsi-g, zu befolgen
hat Badeni unendlich leicht; das erste ist durch die vierundzwanzig „Schattirnngen,"
wie ein Blatt sehr hübsch für Parteien oder Klubs sagt, im neuen Abgeordneten-
Hanse schon besorgt, und so macht sich das zweite von selbst. In dieser günstigen
Lage durfte sich der polnische Diktator des Donaustaats auch einmal den Luxus
erlauben, etwas Gutes und Nützliches zu thun, und bei dem letzten Pairsschnb
hochverdiente Männer von bekanntem Namen ins Herrenhaus zu befördern, statt
vornehmer Nullen, wie nnter Taaffe üblich gewesen sein soll; darob rühmt ihn die
Neue Freie Presse.
Vor einer solchen Fülle von Schattirnngen ist man in England, dein klassischen
Lande des Parlamentarismus, sicher, und der Parlamentarismus ist dort eben da¬
durch möglich, daß es eiuen wirklichen Volkswillen giebt, der aus der Einsicht in
die Lebensbedingungen der Nation entspringt, die freilich einfacher und wider¬
spruchsloser, daher auch leichter zu erkennen sind als bei uns und in Österreich.
Die Schwankungen Englands in der gegenwärtigen Orientkrisis erklären sich daraus,
daß das Volk selber schwankt, weil es von zwei entgegengesetzten Interessen nach
entgegengesetzten Seiten gezogen wird. Das tritt unter anderm recht deutlich in
der Sawi'al^ Rooi<z>v hervor, die am 20. März das Gegenteil von dem schreibt,
was sie am 13. geschrieben hat. Am 13. fand sie es ganz in der Ordnung, daß
die drei Westmnchte, England, Frankreich und Italien, mis Freunde der politischen
Freiheit für Griechenland gegen die drei Kaiserreiche zusammenhielten. Am 20. da¬
gegen bezeichnete sie die Veröffentlichung des Briefes, den Gladstone an den Herzog
von Westminster gerichtet hat, mis ein wahres Unglück. Es sei gerade das einzige
Verdienst dieses in allem übrigen verderblichen Greises, daß er sich bemüht habe,
die Engländer ans Türkenfreunden zu Nussenfrcuuden zu machen, und nun, wo die
britische Politik uuter Salisburhs Führung glücklich im russischen Fahrwasser angelangt
sei, begehe er die Narrheit, den russischen Kaiser öffentlich zu insultiren. Darin spiegelt
sich die gespaltene englische Volksseele; Sympathie und das Interesse der innern
Politik ziehen sie zu Griechenland, das Interesse der äußern Politik gebietet ihr,
Rußlands Freundschaft zu suchen. Die Verwicklung wird aber dadurch schier un¬
löslich, daß im Augenblick Nussenfreundschaft und Türkenfreundschaft eins sind.
Daher würde die Türkenfreundschaft den Freiheitsfrennden, die der Sozialist Hyndman
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |