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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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gemeint, was wieder niemand ahnen kann), zweimal eine Jahreszahl ("um
1823" und "1815"), einmal "II, Heft, Ur. 6"(!), und bei fünf Liedern nennt
er nur den Namen, ohne jeden Zusatz, obwohl eins davon (Rastlose Liebe)
ebenfalls in Opus 41 steht. Reichardt liebte es, einunddieselbe Komposition
immer wieder in neuen Sammlungen drucken zu lassen. Für eine genaue
Statistik der Goethischen Liederkompositivn müßte Reichardt besonders genau
behandelt werden, seiue Kompositionen müßten in ihren verschiednen Drucken
geradezu nach der Zeitfolge übersichtlich tabellarisch zusammengestellt werden,
sodaß man z. B. gleich neben einander Hütte:



Bei Friedländer finden sich dazu nur spärliche Ansatze. Dabei führt er noch
"Göthes lyrische Gedichte" durchweg unter der falschen Jahreszahl 1793 "ut
zweimal (bei Ur. 11 und 12) ein Heft II an, das eS gar nicht giebt. Diese
Reichardtschen Lieder werden nämlich bisweilen als zweiter Band der "Musik
zu Göthes Werten" gezahlt; als erster gilt dann Erwin und Elmire, als
dritter Jery und Bätely. Wie kann man das so verwirren! Zelter verschmähte
es, seine Kompositionen immer wieder drucken zu lassen; wenn er denselben
Text in mehrere Sammlungen aufnahm, so komponirte er ihn fast immer neu.
Bei Ur. 8 (Jägers Abendlied) führt auch Friedländer nu: "Zelter zweimal:
Neue Liedersammlung, Zürich, 1821." Dort steht es aber nur einmal; wo
steckt die andre Komposition? Von Zelters "sämmtlichen Liedern, Balladen
und Romanzen" giebt Friedländer ein paarmal (bei Ur. 10 und 12) geradezu
ein falsches Heft an: Heft III (ohne Nummer); beide Lieder stehen in Heft IV
als Ur. 3 und 1. Alle solche Ungenauigkeiten kann mau sich doch nur da¬
durch erklären, daß Friedländer die Originaldrucke nicht in der Hand gehabt
hat, sondern die Lieder nur nach irgend welchen Katalogen anführt.

Wird es schon hiernach etwas zweifelhaft, ob mit der Veröffentlichung
der Goethegesellschaft der Zweck einer solchen Sammlung auch wirklich erreicht
werden wird, so wird es noch zweifelhafter, wenn man sieht, wieviel Neben¬
zwecke der Herausgeber gleichzeitig zu erreichen gesucht hat. Mit vollem Recht
hat er sich ans einstimmige Lieder beschränkt, einerseits alles mehrstimmige
weggelassen, andrerseits (mit wenigen Ausnahmen) alles, was, wie die Arie oder
die Ballade, über das wirkliche Lied hinausgeht. Auch daß die Sammlung
"ein Bändchen Gvethischer Hausmusik" sein soll, ist mir ans dem Herzen ge¬
sprochen, wenn dabei unter Haus nicht Goethes Haus, sondern das heutige
deutsche Haus verstanden werden soll. Aber Friedländer hat auch darauf Ge¬
wicht gelegt, ob die mitgeteilten Kompositionen dein Dichter selbst gefallen
haben; jn er hat fogar mehrere Melodien mit aufgenommen, die früher da-


gemeint, was wieder niemand ahnen kann), zweimal eine Jahreszahl („um
1823" und „1815"), einmal „II, Heft, Ur. 6"(!), und bei fünf Liedern nennt
er nur den Namen, ohne jeden Zusatz, obwohl eins davon (Rastlose Liebe)
ebenfalls in Opus 41 steht. Reichardt liebte es, einunddieselbe Komposition
immer wieder in neuen Sammlungen drucken zu lassen. Für eine genaue
Statistik der Goethischen Liederkompositivn müßte Reichardt besonders genau
behandelt werden, seiue Kompositionen müßten in ihren verschiednen Drucken
geradezu nach der Zeitfolge übersichtlich tabellarisch zusammengestellt werden,
sodaß man z. B. gleich neben einander Hütte:



Bei Friedländer finden sich dazu nur spärliche Ansatze. Dabei führt er noch
„Göthes lyrische Gedichte" durchweg unter der falschen Jahreszahl 1793 »ut
zweimal (bei Ur. 11 und 12) ein Heft II an, das eS gar nicht giebt. Diese
Reichardtschen Lieder werden nämlich bisweilen als zweiter Band der „Musik
zu Göthes Werten" gezahlt; als erster gilt dann Erwin und Elmire, als
dritter Jery und Bätely. Wie kann man das so verwirren! Zelter verschmähte
es, seine Kompositionen immer wieder drucken zu lassen; wenn er denselben
Text in mehrere Sammlungen aufnahm, so komponirte er ihn fast immer neu.
Bei Ur. 8 (Jägers Abendlied) führt auch Friedländer nu: „Zelter zweimal:
Neue Liedersammlung, Zürich, 1821." Dort steht es aber nur einmal; wo
steckt die andre Komposition? Von Zelters „sämmtlichen Liedern, Balladen
und Romanzen" giebt Friedländer ein paarmal (bei Ur. 10 und 12) geradezu
ein falsches Heft an: Heft III (ohne Nummer); beide Lieder stehen in Heft IV
als Ur. 3 und 1. Alle solche Ungenauigkeiten kann mau sich doch nur da¬
durch erklären, daß Friedländer die Originaldrucke nicht in der Hand gehabt
hat, sondern die Lieder nur nach irgend welchen Katalogen anführt.

Wird es schon hiernach etwas zweifelhaft, ob mit der Veröffentlichung
der Goethegesellschaft der Zweck einer solchen Sammlung auch wirklich erreicht
werden wird, so wird es noch zweifelhafter, wenn man sieht, wieviel Neben¬
zwecke der Herausgeber gleichzeitig zu erreichen gesucht hat. Mit vollem Recht
hat er sich ans einstimmige Lieder beschränkt, einerseits alles mehrstimmige
weggelassen, andrerseits (mit wenigen Ausnahmen) alles, was, wie die Arie oder
die Ballade, über das wirkliche Lied hinausgeht. Auch daß die Sammlung
„ein Bändchen Gvethischer Hausmusik" sein soll, ist mir ans dem Herzen ge¬
sprochen, wenn dabei unter Haus nicht Goethes Haus, sondern das heutige
deutsche Haus verstanden werden soll. Aber Friedländer hat auch darauf Ge¬
wicht gelegt, ob die mitgeteilten Kompositionen dein Dichter selbst gefallen
haben; jn er hat fogar mehrere Melodien mit aufgenommen, die früher da-


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[0446] gemeint, was wieder niemand ahnen kann), zweimal eine Jahreszahl („um 1823" und „1815"), einmal „II, Heft, Ur. 6"(!), und bei fünf Liedern nennt er nur den Namen, ohne jeden Zusatz, obwohl eins davon (Rastlose Liebe) ebenfalls in Opus 41 steht. Reichardt liebte es, einunddieselbe Komposition immer wieder in neuen Sammlungen drucken zu lassen. Für eine genaue Statistik der Goethischen Liederkompositivn müßte Reichardt besonders genau behandelt werden, seiue Kompositionen müßten in ihren verschiednen Drucken geradezu nach der Zeitfolge übersichtlich tabellarisch zusammengestellt werden, sodaß man z. B. gleich neben einander Hütte: Goethes lyrische Gedichte. >7!)4, S. 11 Maillet (Wie herrlich leuchtet) Oden und Lieder III. 1781. S. 2 Lieder geselliger Freude. I7N5. S. S Gesnmtnusgabe 1809. I, Ur. 18 Bei Friedländer finden sich dazu nur spärliche Ansatze. Dabei führt er noch „Göthes lyrische Gedichte" durchweg unter der falschen Jahreszahl 1793 »ut zweimal (bei Ur. 11 und 12) ein Heft II an, das eS gar nicht giebt. Diese Reichardtschen Lieder werden nämlich bisweilen als zweiter Band der „Musik zu Göthes Werten" gezahlt; als erster gilt dann Erwin und Elmire, als dritter Jery und Bätely. Wie kann man das so verwirren! Zelter verschmähte es, seine Kompositionen immer wieder drucken zu lassen; wenn er denselben Text in mehrere Sammlungen aufnahm, so komponirte er ihn fast immer neu. Bei Ur. 8 (Jägers Abendlied) führt auch Friedländer nu: „Zelter zweimal: Neue Liedersammlung, Zürich, 1821." Dort steht es aber nur einmal; wo steckt die andre Komposition? Von Zelters „sämmtlichen Liedern, Balladen und Romanzen" giebt Friedländer ein paarmal (bei Ur. 10 und 12) geradezu ein falsches Heft an: Heft III (ohne Nummer); beide Lieder stehen in Heft IV als Ur. 3 und 1. Alle solche Ungenauigkeiten kann mau sich doch nur da¬ durch erklären, daß Friedländer die Originaldrucke nicht in der Hand gehabt hat, sondern die Lieder nur nach irgend welchen Katalogen anführt. Wird es schon hiernach etwas zweifelhaft, ob mit der Veröffentlichung der Goethegesellschaft der Zweck einer solchen Sammlung auch wirklich erreicht werden wird, so wird es noch zweifelhafter, wenn man sieht, wieviel Neben¬ zwecke der Herausgeber gleichzeitig zu erreichen gesucht hat. Mit vollem Recht hat er sich ans einstimmige Lieder beschränkt, einerseits alles mehrstimmige weggelassen, andrerseits (mit wenigen Ausnahmen) alles, was, wie die Arie oder die Ballade, über das wirkliche Lied hinausgeht. Auch daß die Sammlung „ein Bändchen Gvethischer Hausmusik" sein soll, ist mir ans dem Herzen ge¬ sprochen, wenn dabei unter Haus nicht Goethes Haus, sondern das heutige deutsche Haus verstanden werden soll. Aber Friedländer hat auch darauf Ge¬ wicht gelegt, ob die mitgeteilten Kompositionen dein Dichter selbst gefallen haben; jn er hat fogar mehrere Melodien mit aufgenommen, die früher da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/446>, abgerufen am 27.09.2024.