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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Unter Hinweis ans die gesetzliche Grundlage, die die Gewerbeordnung für die
Errichtung gewerblicher Fortbildungsschulen giebt, betonte der Erlaß, daß zur
Zeit entsprechende gesetzliche Bestimmungen für die Errichtung ländlicher Fort¬
bildungsschulen noch fehlten, und daß es deshalb "och uicht möglich gewesen
sei, für ihre Förderung "über das Maß der bisher aus dem Dispositionsfonds
des landwirtschaftlichen Ministeriums den landwirtschaftlichen Vereinen be¬
willigten Beträge hinaus" Staatsmittel bereit zu stellen. Diese Sachlage ist
heute, nach zwanzig Jahren, noch unverändert, nur ist mit dem Übergang der
Schulen auf das landwirtschaftliche Ministerium aus dem allgemeinen Fonds
zur Förderung der Fortbildungsschulen ein besondrer Fonds von ganzen
36000 Mark sür das gesamte Preußen für die Zwecke der ländlichen Fort¬
bildungsschulen abgezweigt und dem landwirtschaftlichen Ministerium überwiesen
worden- Nach dem Erlaß von 1876 wurde deu ländlichen Fortbildungs¬
schulen die Aufgabe zugewiesen, "die Volksschulbildung ihrer Zöglinge zu be¬
festigen, zu ergänzen und, soweit sich die Möglichkeit dazu bietet, mit besondrer
Rücksicht auf die ländlichen Gewerbe und den Betrieb der Landwirtschaft zu
erweitern." Bei dein Maugel gesetzlicher Unterlagen, "auf Grund deren allein
eine Nötigung zur Errichtung, sowie zum Besuche solcher Schulen eintreten
könnte," und bei der großen Verschiedenheit "der für die Einrichtung derselben
maßgebenden Verhältnisse" schien der Negierung "eine Gleichförmigkeit der
ländlichen Fortbildungsschulen weder zu erreichen, noch auch zu erstreben," und
man begnügte sich mit der Festsetzung einiger allgemeinen Grundzüge. Im
Jahre 1890 nahm das königliche Landcsökonomiekolleginm in einem Gutachten
Stellung zu der Sache, indem es aussprach, daß zweckmäßig eingerichtete und
gut geleitete Fortbildungsschulen besonders geeignet seien, "in weitern Schichten
der der Elementarschule entwachsenen ländlichen Jugend gute Kenntnisse und
Sitten zu erhalten und zu fördern"; sie seien daher "überall zu, empfehlen,
wo nicht aus lokalen Verhältnissen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen¬
stehen." Ausdrücklich wurde empfohlen, an den Grundzügen vom Februar
1876 festzuhalten. Der Fortbildungsschuluuterricht sei dadurch den Schülern
anziehender zu gestalten, daß neben der Wiederholung der Aufgaben der
Elementarschule auch darüber hinaus neuer, anregender und für das Fort¬
kommen der Schüler in ihrem künftigen Beruf nützlicher Lehrstoff geboten werde.
Den Charakter einer "Fachschule" dürfe jedoch die Fortbildungsschule uicht
annehmen. Den "obligatorischen" Fortbildungsschuluuterricht gleichzeitig für
deu ganzen Staat durchzuführen, erscheine nicht rätlich; wo aber in Zukunft
in einzelnen Landesteilen "der ausgesprochue Wunsch der Bevölkerung nach
solchen Maßregeln" erkennen lasse, daß das Bedürfnis "genügend anerkannt"
sei, und die wirtschaftlichen Verhältnisse eine solche Einrichtung gestatteten,
muh "die Einsicht in den Nutzen solcher Schulen genügend verbreitet" sei,
und die Errichtung obligatorischer Fortbildungsschulen "von der Provinziell-


Unter Hinweis ans die gesetzliche Grundlage, die die Gewerbeordnung für die
Errichtung gewerblicher Fortbildungsschulen giebt, betonte der Erlaß, daß zur
Zeit entsprechende gesetzliche Bestimmungen für die Errichtung ländlicher Fort¬
bildungsschulen noch fehlten, und daß es deshalb »och uicht möglich gewesen
sei, für ihre Förderung „über das Maß der bisher aus dem Dispositionsfonds
des landwirtschaftlichen Ministeriums den landwirtschaftlichen Vereinen be¬
willigten Beträge hinaus" Staatsmittel bereit zu stellen. Diese Sachlage ist
heute, nach zwanzig Jahren, noch unverändert, nur ist mit dem Übergang der
Schulen auf das landwirtschaftliche Ministerium aus dem allgemeinen Fonds
zur Förderung der Fortbildungsschulen ein besondrer Fonds von ganzen
36000 Mark sür das gesamte Preußen für die Zwecke der ländlichen Fort¬
bildungsschulen abgezweigt und dem landwirtschaftlichen Ministerium überwiesen
worden- Nach dem Erlaß von 1876 wurde deu ländlichen Fortbildungs¬
schulen die Aufgabe zugewiesen, „die Volksschulbildung ihrer Zöglinge zu be¬
festigen, zu ergänzen und, soweit sich die Möglichkeit dazu bietet, mit besondrer
Rücksicht auf die ländlichen Gewerbe und den Betrieb der Landwirtschaft zu
erweitern." Bei dein Maugel gesetzlicher Unterlagen, „auf Grund deren allein
eine Nötigung zur Errichtung, sowie zum Besuche solcher Schulen eintreten
könnte," und bei der großen Verschiedenheit „der für die Einrichtung derselben
maßgebenden Verhältnisse" schien der Negierung „eine Gleichförmigkeit der
ländlichen Fortbildungsschulen weder zu erreichen, noch auch zu erstreben," und
man begnügte sich mit der Festsetzung einiger allgemeinen Grundzüge. Im
Jahre 1890 nahm das königliche Landcsökonomiekolleginm in einem Gutachten
Stellung zu der Sache, indem es aussprach, daß zweckmäßig eingerichtete und
gut geleitete Fortbildungsschulen besonders geeignet seien, „in weitern Schichten
der der Elementarschule entwachsenen ländlichen Jugend gute Kenntnisse und
Sitten zu erhalten und zu fördern"; sie seien daher „überall zu, empfehlen,
wo nicht aus lokalen Verhältnissen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen¬
stehen." Ausdrücklich wurde empfohlen, an den Grundzügen vom Februar
1876 festzuhalten. Der Fortbildungsschuluuterricht sei dadurch den Schülern
anziehender zu gestalten, daß neben der Wiederholung der Aufgaben der
Elementarschule auch darüber hinaus neuer, anregender und für das Fort¬
kommen der Schüler in ihrem künftigen Beruf nützlicher Lehrstoff geboten werde.
Den Charakter einer „Fachschule" dürfe jedoch die Fortbildungsschule uicht
annehmen. Den „obligatorischen" Fortbildungsschuluuterricht gleichzeitig für
deu ganzen Staat durchzuführen, erscheine nicht rätlich; wo aber in Zukunft
in einzelnen Landesteilen „der ausgesprochue Wunsch der Bevölkerung nach
solchen Maßregeln" erkennen lasse, daß das Bedürfnis „genügend anerkannt"
sei, und die wirtschaftlichen Verhältnisse eine solche Einrichtung gestatteten,
muh „die Einsicht in den Nutzen solcher Schulen genügend verbreitet" sei,
und die Errichtung obligatorischer Fortbildungsschulen „von der Provinziell-


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[0431] Unter Hinweis ans die gesetzliche Grundlage, die die Gewerbeordnung für die Errichtung gewerblicher Fortbildungsschulen giebt, betonte der Erlaß, daß zur Zeit entsprechende gesetzliche Bestimmungen für die Errichtung ländlicher Fort¬ bildungsschulen noch fehlten, und daß es deshalb »och uicht möglich gewesen sei, für ihre Förderung „über das Maß der bisher aus dem Dispositionsfonds des landwirtschaftlichen Ministeriums den landwirtschaftlichen Vereinen be¬ willigten Beträge hinaus" Staatsmittel bereit zu stellen. Diese Sachlage ist heute, nach zwanzig Jahren, noch unverändert, nur ist mit dem Übergang der Schulen auf das landwirtschaftliche Ministerium aus dem allgemeinen Fonds zur Förderung der Fortbildungsschulen ein besondrer Fonds von ganzen 36000 Mark sür das gesamte Preußen für die Zwecke der ländlichen Fort¬ bildungsschulen abgezweigt und dem landwirtschaftlichen Ministerium überwiesen worden- Nach dem Erlaß von 1876 wurde deu ländlichen Fortbildungs¬ schulen die Aufgabe zugewiesen, „die Volksschulbildung ihrer Zöglinge zu be¬ festigen, zu ergänzen und, soweit sich die Möglichkeit dazu bietet, mit besondrer Rücksicht auf die ländlichen Gewerbe und den Betrieb der Landwirtschaft zu erweitern." Bei dein Maugel gesetzlicher Unterlagen, „auf Grund deren allein eine Nötigung zur Errichtung, sowie zum Besuche solcher Schulen eintreten könnte," und bei der großen Verschiedenheit „der für die Einrichtung derselben maßgebenden Verhältnisse" schien der Negierung „eine Gleichförmigkeit der ländlichen Fortbildungsschulen weder zu erreichen, noch auch zu erstreben," und man begnügte sich mit der Festsetzung einiger allgemeinen Grundzüge. Im Jahre 1890 nahm das königliche Landcsökonomiekolleginm in einem Gutachten Stellung zu der Sache, indem es aussprach, daß zweckmäßig eingerichtete und gut geleitete Fortbildungsschulen besonders geeignet seien, „in weitern Schichten der der Elementarschule entwachsenen ländlichen Jugend gute Kenntnisse und Sitten zu erhalten und zu fördern"; sie seien daher „überall zu, empfehlen, wo nicht aus lokalen Verhältnissen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen¬ stehen." Ausdrücklich wurde empfohlen, an den Grundzügen vom Februar 1876 festzuhalten. Der Fortbildungsschuluuterricht sei dadurch den Schülern anziehender zu gestalten, daß neben der Wiederholung der Aufgaben der Elementarschule auch darüber hinaus neuer, anregender und für das Fort¬ kommen der Schüler in ihrem künftigen Beruf nützlicher Lehrstoff geboten werde. Den Charakter einer „Fachschule" dürfe jedoch die Fortbildungsschule uicht annehmen. Den „obligatorischen" Fortbildungsschuluuterricht gleichzeitig für deu ganzen Staat durchzuführen, erscheine nicht rätlich; wo aber in Zukunft in einzelnen Landesteilen „der ausgesprochue Wunsch der Bevölkerung nach solchen Maßregeln" erkennen lasse, daß das Bedürfnis „genügend anerkannt" sei, und die wirtschaftlichen Verhältnisse eine solche Einrichtung gestatteten, muh „die Einsicht in den Nutzen solcher Schulen genügend verbreitet" sei, und die Errichtung obligatorischer Fortbildungsschulen „von der Provinziell-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/431>, abgerufen am 27.09.2024.