Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Antiker und moderner Militarismus Ständigkeit der Staaten und Völker erhalten würden, und in dieser Hinsicht Was nun den zweiten Punkt, den der "Verteidigung" des Vaterlandes Nur selten liegen die politischen Verhältnisse, die den Krieg nötig machen, Es ist klar, nur Staaten, die im strengen Sinne überhaupt keine selbständige Antiker und moderner Militarismus Ständigkeit der Staaten und Völker erhalten würden, und in dieser Hinsicht Was nun den zweiten Punkt, den der „Verteidigung" des Vaterlandes Nur selten liegen die politischen Verhältnisse, die den Krieg nötig machen, Es ist klar, nur Staaten, die im strengen Sinne überhaupt keine selbständige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224579"/> <fw type="header" place="top"> Antiker und moderner Militarismus</fw><lb/> <p xml:id="ID_980" prev="#ID_979"> Ständigkeit der Staaten und Völker erhalten würden, und in dieser Hinsicht<lb/> trennte er sich allerdings wieder von denen, die mit dem einzigen Worte<lb/> »Volksanfgebot« alle politisch-militärischen Aufgaben eines europäischen Kon¬<lb/> tinentalstaats zu lösen glauben, da im Gegensatz von diesen der General ein<lb/> Nach den Kräften und der Lage jedes Landes richtig abgemessenes, zeitgemäß<lb/> gebildetes Heer als den notwendigen Kern jeder Landesbewaffnung ansah."</p><lb/> <p xml:id="ID_981"> Was nun den zweiten Punkt, den der „Verteidigung" des Vaterlandes<lb/> anlangt, so hat dieser schon viel Unheil angerichtet. Wer mag heute die poli¬<lb/> tische Notwendigkeit des Krieges von 1866 noch bestreikn, und doch war er<lb/> seinerzeit unpopulär und kein Verteidigungskrieg im engern Sinne. Wie oft<lb/> im Laufe gerade der deutschen Geschichte ist nicht eine trostlose Zersplitterung<lb/> verbundner Kräfte und damit die Niederlage gemeinsamer Interessen eingetreten,<lb/> weil jeder Einzelne nur seinen Herd schützen und verteidigen wollte. Man<lb/> könnte fast sagen, es sei das Schema einer langen Periode der deutschen Ge¬<lb/> schichte von den Kämpfen der Städte gegen die Territorien und den Kämpfen<lb/> der Schmalkaldner bis zum Mainfeldzuge 1866. Die Unfähigkeit des alten<lb/> Reiches zu Offensivunteruchmungen großen Stils hat schließlich jedesmal zu<lb/> seinem Unterliegen gegen schwächere Nachbarn geführt. Eine wunderliche<lb/> Theorie der Kriegführung — was verstünde der Deutsche nicht zu systemati-<lb/> siren! — hat dann diese Art Verteidigung des Landes in ein System gebracht;<lb/> der Einsicht, daß dieses System für einen mitteleuropäischen Staat mit offnen<lb/> Grenzen zum völligen Unsinn wird, während seine Gegner daran festhielten,<lb/> verdankt vor allem König Friedrich seine Erfolge.</p><lb/> <p xml:id="ID_982"> Nur selten liegen die politischen Verhältnisse, die den Krieg nötig machen,<lb/> so klar wie 1813, und doch können so wichtige Lebensbedingungen des Volkes<lb/> auf dem Spiele stehen, daß eine Regierung mit vollem Bewußtsein die schwere<lb/> Verantwortung des Kriegs auf sich nehmen muß, um nicht eine schwerere ans<lb/> sich zu laden. Ist diese Lage da, so ist militärisch die Offensive geboten, wie<lb/> ja überhaupt militärisch nur die Offensive Erfolge bringen kann. Nur im<lb/> Hiebe liegt die Kraft des Schwertes. Eine Truppe, deren Verwendung durch<lb/> Gesetz örtlich beschränkt ist, verliert den größten Teil ihres Wertes; die Ein¬<lb/> schränkung des Gebrauchs der ostpreußischen Landwehr auf die Provinz war<lb/> einer der wesentlichsten Punkte, die Scharnhorst 1813 zur Beanstandung des<lb/> Prvvinzialcntwurfs veranlaßten. Wie anders wäre der uns aufgedrungne<lb/> Krieg von 1870 verlaufen, hätten wir uns auf die „Verteidigung des Vater¬<lb/> landes" im engern Sinne beschränkt! In seinen letzten Folgen würde ein<lb/> solches Verteidigungssystem zur chinesischen Mauer oder zum Burgenbau der<lb/> Stauferzeit führen.</p><lb/> <p xml:id="ID_983" next="#ID_984"> Es ist klar, nur Staaten, die im strengen Sinne überhaupt keine selbständige<lb/> auswärtige Politik treiben, können sich auf die Verteidigung ihres heimatlichen<lb/> Bodens beschränken; ein Staat, der europäische oder gar Weltpolitik treiben</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0332]
Antiker und moderner Militarismus
Ständigkeit der Staaten und Völker erhalten würden, und in dieser Hinsicht
trennte er sich allerdings wieder von denen, die mit dem einzigen Worte
»Volksanfgebot« alle politisch-militärischen Aufgaben eines europäischen Kon¬
tinentalstaats zu lösen glauben, da im Gegensatz von diesen der General ein
Nach den Kräften und der Lage jedes Landes richtig abgemessenes, zeitgemäß
gebildetes Heer als den notwendigen Kern jeder Landesbewaffnung ansah."
Was nun den zweiten Punkt, den der „Verteidigung" des Vaterlandes
anlangt, so hat dieser schon viel Unheil angerichtet. Wer mag heute die poli¬
tische Notwendigkeit des Krieges von 1866 noch bestreikn, und doch war er
seinerzeit unpopulär und kein Verteidigungskrieg im engern Sinne. Wie oft
im Laufe gerade der deutschen Geschichte ist nicht eine trostlose Zersplitterung
verbundner Kräfte und damit die Niederlage gemeinsamer Interessen eingetreten,
weil jeder Einzelne nur seinen Herd schützen und verteidigen wollte. Man
könnte fast sagen, es sei das Schema einer langen Periode der deutschen Ge¬
schichte von den Kämpfen der Städte gegen die Territorien und den Kämpfen
der Schmalkaldner bis zum Mainfeldzuge 1866. Die Unfähigkeit des alten
Reiches zu Offensivunteruchmungen großen Stils hat schließlich jedesmal zu
seinem Unterliegen gegen schwächere Nachbarn geführt. Eine wunderliche
Theorie der Kriegführung — was verstünde der Deutsche nicht zu systemati-
siren! — hat dann diese Art Verteidigung des Landes in ein System gebracht;
der Einsicht, daß dieses System für einen mitteleuropäischen Staat mit offnen
Grenzen zum völligen Unsinn wird, während seine Gegner daran festhielten,
verdankt vor allem König Friedrich seine Erfolge.
Nur selten liegen die politischen Verhältnisse, die den Krieg nötig machen,
so klar wie 1813, und doch können so wichtige Lebensbedingungen des Volkes
auf dem Spiele stehen, daß eine Regierung mit vollem Bewußtsein die schwere
Verantwortung des Kriegs auf sich nehmen muß, um nicht eine schwerere ans
sich zu laden. Ist diese Lage da, so ist militärisch die Offensive geboten, wie
ja überhaupt militärisch nur die Offensive Erfolge bringen kann. Nur im
Hiebe liegt die Kraft des Schwertes. Eine Truppe, deren Verwendung durch
Gesetz örtlich beschränkt ist, verliert den größten Teil ihres Wertes; die Ein¬
schränkung des Gebrauchs der ostpreußischen Landwehr auf die Provinz war
einer der wesentlichsten Punkte, die Scharnhorst 1813 zur Beanstandung des
Prvvinzialcntwurfs veranlaßten. Wie anders wäre der uns aufgedrungne
Krieg von 1870 verlaufen, hätten wir uns auf die „Verteidigung des Vater¬
landes" im engern Sinne beschränkt! In seinen letzten Folgen würde ein
solches Verteidigungssystem zur chinesischen Mauer oder zum Burgenbau der
Stauferzeit führen.
Es ist klar, nur Staaten, die im strengen Sinne überhaupt keine selbständige
auswärtige Politik treiben, können sich auf die Verteidigung ihres heimatlichen
Bodens beschränken; ein Staat, der europäische oder gar Weltpolitik treiben
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