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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Jenseits der Maniliiüe

hatte, i" der Gemeinde stecke", wie ich an den spöttischen Reden alter Männer
über Bibel und Kirchengebräuche bemerkte, und in K. besonders war das nicht
zu verwundern, da einer ihrer frühern Pfarrer den Ruf eines Hanptanfklärers
genossen hatte; er hatte auch den Plau zu der "schonen Kirche" entworfen,
die ein Monstrum von Geschmacklosigkeit ist. Aber im allgemeinen waren die
Leute doch vou der engherzigen, ängstlichen, am äußern klebenden Gläubigkeit
erfüllt, die Menschen von engem Gesichtskreise eigen ist, und so gaben sich
denn die "aufgeklärten" Gemeindehäupter alle erdenkliche Mühe, den Schein
aufrecht zu erhalten, als ob die Altkatholiken das Gut des alten katholischen
Glaubens treu bewahrt hätten, die übrigen aber die Neuerer wären. Deshalb
durfte am Zercmonienweseu nicht das mindeste geändert werden. Gleich beim
ersten Gottesdienst (es wurde nämlich abgemacht, daß ich jeden Sonntag zuerst
in K., dann in Offenburg mntiren sollte) zog ich mir den höchsten Zorn des
Gemeindekirchenrats zu. Um Gotteswillen, was haben Sie gemacht! Die Leute
werden denken, das sei gar kein katholischer Gottesdienst mehr! Ich hatte
nämlich die zweite, rituswidrige Besprengnng unterlassen. Vorm Hochamt
wird die Gemeinde unter Absingung des ^.sxsrssss ins llz'soxo, ot multa-rhor
mit Weihwasser besprengt; in Baden haben die Leute darau noch nicht genug
und lassen sich nach dem Gottesdienste noch einmal einsprengen. Um Gottes
willen, was haben Sie gemacht, die Leute sagen, das sei ein lutherisches Be¬
gräbnis gewesen! so wurde ich später in eiuer an Kunst und Wissenschaft
reichen Stadt vor versammeltem Kriegsvolk von einem seinerzeit viel genannten
Professor angeredet, weil ich eine zweite Räucherung unterlassen und das Vater
Unser ohne Ave Maria gebetet hatte. Man kann sich denken, wie lächerlich
ich mir unter diesen Umständen vorkam! Die Weltkirche hatte ich verlassen,
weil sie mir nicht weitherzig genug war, und weil ich in ihr nicht ganz wahr¬
haftig sein konnte, und uun steckte ich in solchen Jämmerlichkeiten drin und
sollte den plumpsten Bauernfang mitmachen!

Das viele sprenge" war mir doppelt zuwider, weil es meinen ästhetischen
Sinn verletzte. In Schlesien hat man dafür ein metallnes Instrument, eine
an einem Stiel befestigte durchlöcherte Kugel, in der ein Schwamm steckt; den
Sperges nannte es der Glöckner Menzel in Rehberg. In Baden dagegen
bedient man sich eines Bvrsteiiwischs, der ungemein häßlich aussieht. Einmal
hat mich dieser Borstenwisch rein zur Verzweiflung gebracht. Es war in Konstanz.
Beim gewöhnlichen Gottesdienst ging ich dem Küster immer zu früh heraus,
und er pflegte mich mit den Worten zurückzuhalten: Herr Pfarer, waarte S'
ä bißle, bis zaameklitte iesch! (zusammengeläutet ist). Bei Trauungen aber
führte er mich zu früh heraus und ließ mich während eines langen Liedes
zwecklos vor den Brautleuten stehen, was unangenehm war. Nun hatte ich
einst eiuen beliebten Münchner Schauspieler mit einer Konstanzer Dame zu
trauen und machte mir sür diesen außerordentliche" Fall eine besonders schöne


Jenseits der Maniliiüe

hatte, i» der Gemeinde stecke», wie ich an den spöttischen Reden alter Männer
über Bibel und Kirchengebräuche bemerkte, und in K. besonders war das nicht
zu verwundern, da einer ihrer frühern Pfarrer den Ruf eines Hanptanfklärers
genossen hatte; er hatte auch den Plau zu der „schonen Kirche" entworfen,
die ein Monstrum von Geschmacklosigkeit ist. Aber im allgemeinen waren die
Leute doch vou der engherzigen, ängstlichen, am äußern klebenden Gläubigkeit
erfüllt, die Menschen von engem Gesichtskreise eigen ist, und so gaben sich
denn die „aufgeklärten" Gemeindehäupter alle erdenkliche Mühe, den Schein
aufrecht zu erhalten, als ob die Altkatholiken das Gut des alten katholischen
Glaubens treu bewahrt hätten, die übrigen aber die Neuerer wären. Deshalb
durfte am Zercmonienweseu nicht das mindeste geändert werden. Gleich beim
ersten Gottesdienst (es wurde nämlich abgemacht, daß ich jeden Sonntag zuerst
in K., dann in Offenburg mntiren sollte) zog ich mir den höchsten Zorn des
Gemeindekirchenrats zu. Um Gotteswillen, was haben Sie gemacht! Die Leute
werden denken, das sei gar kein katholischer Gottesdienst mehr! Ich hatte
nämlich die zweite, rituswidrige Besprengnng unterlassen. Vorm Hochamt
wird die Gemeinde unter Absingung des ^.sxsrssss ins llz'soxo, ot multa-rhor
mit Weihwasser besprengt; in Baden haben die Leute darau noch nicht genug
und lassen sich nach dem Gottesdienste noch einmal einsprengen. Um Gottes
willen, was haben Sie gemacht, die Leute sagen, das sei ein lutherisches Be¬
gräbnis gewesen! so wurde ich später in eiuer an Kunst und Wissenschaft
reichen Stadt vor versammeltem Kriegsvolk von einem seinerzeit viel genannten
Professor angeredet, weil ich eine zweite Räucherung unterlassen und das Vater
Unser ohne Ave Maria gebetet hatte. Man kann sich denken, wie lächerlich
ich mir unter diesen Umständen vorkam! Die Weltkirche hatte ich verlassen,
weil sie mir nicht weitherzig genug war, und weil ich in ihr nicht ganz wahr¬
haftig sein konnte, und uun steckte ich in solchen Jämmerlichkeiten drin und
sollte den plumpsten Bauernfang mitmachen!

Das viele sprenge» war mir doppelt zuwider, weil es meinen ästhetischen
Sinn verletzte. In Schlesien hat man dafür ein metallnes Instrument, eine
an einem Stiel befestigte durchlöcherte Kugel, in der ein Schwamm steckt; den
Sperges nannte es der Glöckner Menzel in Rehberg. In Baden dagegen
bedient man sich eines Bvrsteiiwischs, der ungemein häßlich aussieht. Einmal
hat mich dieser Borstenwisch rein zur Verzweiflung gebracht. Es war in Konstanz.
Beim gewöhnlichen Gottesdienst ging ich dem Küster immer zu früh heraus,
und er pflegte mich mit den Worten zurückzuhalten: Herr Pfarer, waarte S'
ä bißle, bis zaameklitte iesch! (zusammengeläutet ist). Bei Trauungen aber
führte er mich zu früh heraus und ließ mich während eines langen Liedes
zwecklos vor den Brautleuten stehen, was unangenehm war. Nun hatte ich
einst eiuen beliebten Münchner Schauspieler mit einer Konstanzer Dame zu
trauen und machte mir sür diesen außerordentliche» Fall eine besonders schöne


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[0250] Jenseits der Maniliiüe hatte, i» der Gemeinde stecke», wie ich an den spöttischen Reden alter Männer über Bibel und Kirchengebräuche bemerkte, und in K. besonders war das nicht zu verwundern, da einer ihrer frühern Pfarrer den Ruf eines Hanptanfklärers genossen hatte; er hatte auch den Plau zu der „schonen Kirche" entworfen, die ein Monstrum von Geschmacklosigkeit ist. Aber im allgemeinen waren die Leute doch vou der engherzigen, ängstlichen, am äußern klebenden Gläubigkeit erfüllt, die Menschen von engem Gesichtskreise eigen ist, und so gaben sich denn die „aufgeklärten" Gemeindehäupter alle erdenkliche Mühe, den Schein aufrecht zu erhalten, als ob die Altkatholiken das Gut des alten katholischen Glaubens treu bewahrt hätten, die übrigen aber die Neuerer wären. Deshalb durfte am Zercmonienweseu nicht das mindeste geändert werden. Gleich beim ersten Gottesdienst (es wurde nämlich abgemacht, daß ich jeden Sonntag zuerst in K., dann in Offenburg mntiren sollte) zog ich mir den höchsten Zorn des Gemeindekirchenrats zu. Um Gotteswillen, was haben Sie gemacht! Die Leute werden denken, das sei gar kein katholischer Gottesdienst mehr! Ich hatte nämlich die zweite, rituswidrige Besprengnng unterlassen. Vorm Hochamt wird die Gemeinde unter Absingung des ^.sxsrssss ins llz'soxo, ot multa-rhor mit Weihwasser besprengt; in Baden haben die Leute darau noch nicht genug und lassen sich nach dem Gottesdienste noch einmal einsprengen. Um Gottes willen, was haben Sie gemacht, die Leute sagen, das sei ein lutherisches Be¬ gräbnis gewesen! so wurde ich später in eiuer an Kunst und Wissenschaft reichen Stadt vor versammeltem Kriegsvolk von einem seinerzeit viel genannten Professor angeredet, weil ich eine zweite Räucherung unterlassen und das Vater Unser ohne Ave Maria gebetet hatte. Man kann sich denken, wie lächerlich ich mir unter diesen Umständen vorkam! Die Weltkirche hatte ich verlassen, weil sie mir nicht weitherzig genug war, und weil ich in ihr nicht ganz wahr¬ haftig sein konnte, und uun steckte ich in solchen Jämmerlichkeiten drin und sollte den plumpsten Bauernfang mitmachen! Das viele sprenge» war mir doppelt zuwider, weil es meinen ästhetischen Sinn verletzte. In Schlesien hat man dafür ein metallnes Instrument, eine an einem Stiel befestigte durchlöcherte Kugel, in der ein Schwamm steckt; den Sperges nannte es der Glöckner Menzel in Rehberg. In Baden dagegen bedient man sich eines Bvrsteiiwischs, der ungemein häßlich aussieht. Einmal hat mich dieser Borstenwisch rein zur Verzweiflung gebracht. Es war in Konstanz. Beim gewöhnlichen Gottesdienst ging ich dem Küster immer zu früh heraus, und er pflegte mich mit den Worten zurückzuhalten: Herr Pfarer, waarte S' ä bißle, bis zaameklitte iesch! (zusammengeläutet ist). Bei Trauungen aber führte er mich zu früh heraus und ließ mich während eines langen Liedes zwecklos vor den Brautleuten stehen, was unangenehm war. Nun hatte ich einst eiuen beliebten Münchner Schauspieler mit einer Konstanzer Dame zu trauen und machte mir sür diesen außerordentliche» Fall eine besonders schöne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/250>, abgerufen am 27.09.2024.