Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.Die Geldsammlungen für den Hamburger Aufstand Dichtern und Malern vielleicht verzeihen, aber niemals Männern nachsehen Die praktische Wirkung dieser neuen moralischen und materiellen Unter¬ Ganz vortrefflich stellt folgende, einer, wenn wir nicht irren, katholischen Grenzboten I 1807 L5>
Die Geldsammlungen für den Hamburger Aufstand Dichtern und Malern vielleicht verzeihen, aber niemals Männern nachsehen Die praktische Wirkung dieser neuen moralischen und materiellen Unter¬ Ganz vortrefflich stellt folgende, einer, wenn wir nicht irren, katholischen Grenzboten I 1807 L5>
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224447"/> <fw type="header" place="top"> Die Geldsammlungen für den Hamburger Aufstand</fw><lb/> <p xml:id="ID_530" prev="#ID_529"> Dichtern und Malern vielleicht verzeihen, aber niemals Männern nachsehen<lb/> darf, die in wirtschaftlichen, politischen und sittlichen Fragen der Masse gegen¬<lb/> über Einfluß beanspruchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_531"> Die praktische Wirkung dieser neuen moralischen und materiellen Unter¬<lb/> stützung des Ausstands liegt so klar auf der Hand, daß jedes weitere Wort<lb/> darüber eigentlich unnötig ist: die Ausständigen verharren länger in ihrer von<lb/> Anfang an, auch nach ihrer Freunde Erklärung, falschen Stellung; die Notlage<lb/> und die Erbitterung wächst bei ihnen, wie bei den Gegnern; die öffentliche Kala¬<lb/> mität wird bis zur Unerträglichkeit gesteigert, bis — nun, bis eine Partei<lb/> „triumphirt," die andre „niedergeworfen" ist. Ob die furchtbar geschädigten<lb/> Interessen des Hamburger, vielleicht des ganzen deutschen Handels — denn<lb/> um die Stauer handelt es sich nicht allein — die Arbeitgeber niederzuwerfen<lb/> vermögen werden, das wissen wir nicht, ebensowenig, ob die Urheber des Aus¬<lb/> rufs die Mittel aufbringen wollen, die Ausständigen so lange zu unterhalten,<lb/> bis die Arbeitsplätze vollständig mit neuen, wenn auch zunächst ungeübten und<lb/> kostspieligem Arbeitern besetzt sein werden. Sie könnten dann vielleicht bald<lb/> das Kapital zu Leibrenten für die Ausständigen beschaffen. Oder halten es<lb/> die Herren in der That den „andern Anschauungen über Recht und Billigkeit"<lb/> für entsprechend, daß es den vielen Hunderttausenden deutscher Arbeiter, die Kraft<lb/> und Geschick genug haben, die früher von den Ausständigen verrichtete Arbeit<lb/> zu erlernen, und herzlich froh sein würden, für den Tagelohn von mindestens<lb/> 4 Mark 20 Pfennigen zu arbeiten, einfach ausgeschlossen werden sollen von<lb/> dieser Gelegenheit, ihre Lage zu verbessern? Halten es die Herren für menschen¬<lb/> möglich, daß die Arbeitgeber diesen „Streikbrechern," wie man sie zu schimpfen<lb/> pflegt, den Laufpaß geben, um nur ja die alten geschulten Arbeiter wieder zu<lb/> gewinnen, obgleich deren Stimmführer nur das eine an dem Aufstande bedauern,<lb/> daß er nicht zu einer Zeit unternommen worden ist, wo er Handel und<lb/> Wandel in eine noch unerträglichere Notlage versetzt hätte? Wie es auch<lb/> kommen mag, der praktische Schade, den diese unberufne Einmischung herbei¬<lb/> führen muß, ist klar ersichtlich, da ist keine Entschuldigung zu finden. Es<lb/> bleibt die reine, nackte Thorheit. Und die „Idee, die hier zum Austrag ge¬<lb/> bracht werden soll," wie der Aufruf sagt, sie ist thatsächlich nichts andres als<lb/> das offne Anerkenntnis der bisher mit so viel sophistischen Scheingründen ab¬<lb/> geleugneten Wahrheit, daß nicht die Lohnfrage und die Frage der Arbeitszeit<lb/> der Streitpunkt ist, sondern das reine, unverfälschte „Untermerfungsprinzip,"<lb/> natürlich mit vertauschten Rollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> Ganz vortrefflich stellt folgende, einer, wenn wir nicht irren, katholischen<lb/> Zeitung, der Neuen Westfälischen Volkszeitung, entnommne Betrachtung, die von<lb/> der Zeit in anerkennenswerter Selbstkritik mitgeteilt wird, die Sachlage dar:<lb/> „Wir müssen das Ansinnen (des Ausrufs an alle Zeitungen Deutschlands) rund<lb/> ablehnen. Die Arbeiter sind bereits unterlegen, die Hamburger Reeber werden</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1807 L5></fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
Die Geldsammlungen für den Hamburger Aufstand
Dichtern und Malern vielleicht verzeihen, aber niemals Männern nachsehen
darf, die in wirtschaftlichen, politischen und sittlichen Fragen der Masse gegen¬
über Einfluß beanspruchen.
Die praktische Wirkung dieser neuen moralischen und materiellen Unter¬
stützung des Ausstands liegt so klar auf der Hand, daß jedes weitere Wort
darüber eigentlich unnötig ist: die Ausständigen verharren länger in ihrer von
Anfang an, auch nach ihrer Freunde Erklärung, falschen Stellung; die Notlage
und die Erbitterung wächst bei ihnen, wie bei den Gegnern; die öffentliche Kala¬
mität wird bis zur Unerträglichkeit gesteigert, bis — nun, bis eine Partei
„triumphirt," die andre „niedergeworfen" ist. Ob die furchtbar geschädigten
Interessen des Hamburger, vielleicht des ganzen deutschen Handels — denn
um die Stauer handelt es sich nicht allein — die Arbeitgeber niederzuwerfen
vermögen werden, das wissen wir nicht, ebensowenig, ob die Urheber des Aus¬
rufs die Mittel aufbringen wollen, die Ausständigen so lange zu unterhalten,
bis die Arbeitsplätze vollständig mit neuen, wenn auch zunächst ungeübten und
kostspieligem Arbeitern besetzt sein werden. Sie könnten dann vielleicht bald
das Kapital zu Leibrenten für die Ausständigen beschaffen. Oder halten es
die Herren in der That den „andern Anschauungen über Recht und Billigkeit"
für entsprechend, daß es den vielen Hunderttausenden deutscher Arbeiter, die Kraft
und Geschick genug haben, die früher von den Ausständigen verrichtete Arbeit
zu erlernen, und herzlich froh sein würden, für den Tagelohn von mindestens
4 Mark 20 Pfennigen zu arbeiten, einfach ausgeschlossen werden sollen von
dieser Gelegenheit, ihre Lage zu verbessern? Halten es die Herren für menschen¬
möglich, daß die Arbeitgeber diesen „Streikbrechern," wie man sie zu schimpfen
pflegt, den Laufpaß geben, um nur ja die alten geschulten Arbeiter wieder zu
gewinnen, obgleich deren Stimmführer nur das eine an dem Aufstande bedauern,
daß er nicht zu einer Zeit unternommen worden ist, wo er Handel und
Wandel in eine noch unerträglichere Notlage versetzt hätte? Wie es auch
kommen mag, der praktische Schade, den diese unberufne Einmischung herbei¬
führen muß, ist klar ersichtlich, da ist keine Entschuldigung zu finden. Es
bleibt die reine, nackte Thorheit. Und die „Idee, die hier zum Austrag ge¬
bracht werden soll," wie der Aufruf sagt, sie ist thatsächlich nichts andres als
das offne Anerkenntnis der bisher mit so viel sophistischen Scheingründen ab¬
geleugneten Wahrheit, daß nicht die Lohnfrage und die Frage der Arbeitszeit
der Streitpunkt ist, sondern das reine, unverfälschte „Untermerfungsprinzip,"
natürlich mit vertauschten Rollen.
Ganz vortrefflich stellt folgende, einer, wenn wir nicht irren, katholischen
Zeitung, der Neuen Westfälischen Volkszeitung, entnommne Betrachtung, die von
der Zeit in anerkennenswerter Selbstkritik mitgeteilt wird, die Sachlage dar:
„Wir müssen das Ansinnen (des Ausrufs an alle Zeitungen Deutschlands) rund
ablehnen. Die Arbeiter sind bereits unterlegen, die Hamburger Reeber werden
Grenzboten I 1807 L5>
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |