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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Verkehrsmittel in Deutsch-Ostafrika

Man stationirc einen kleinen Dampfer auf dem Rufitschi, und die Anwohner
werden für alle Zeiten beruhigt sein. Statt dessen sammelt man große
Summen für einen ganz unnützen Zweck: den Tanganjikadampfer,

Die Erschließung der Flußläufe ist für den Verkehr die erste und wichtigste
Frage, deren Lösung unbedingt notwendig ist, wenn unsre Kolonie wirtschaftlich
gedeihen soll. Nun giebt es aber große Gebiete in Deutsch-Ostafrika, die uicht
der Segnungen der Flußschisfahrt teilhaftig werden können. Für sie müssen
andre Ersatzmittel für die Trägereinrichtung geschaffen werden. Für einzelne
Gebiete, wie Kilimandscharo, Usagara, Korbe, würden Eisenbahnen den An¬
schluß an die Flußschiffahrt herstellen können. Für die meisten andern Land¬
schaften aber würden sich Eisenbahnen kaum rentiren, sodaß nur noch Last-
und Zugtiere in Betracht kämen, wie sich ja auch in allen kultivirten Ländern
Gebiete finden, die auf diese primitiven Verkehrsmittel angewiesen sind. Es
sind in dieser Hinsicht auch schon mancherlei Versuche gemacht worden, doch
meistens fehlgeschlagen, weil man die Landesnatur zu wenig berücksichtigte.

Die Tsetsegefahr ist auf Grund neuester Untersuchungen in das Vereich
der Fabel verwiesen worden. Man hat oft behauptet, daß das Vorkommen
dieses Insekts (g'1o88iun morsitans) die Verwendung von Tieren zum Transport
unmöglich mache. Wie irrig das ist, beweist schon der Umstand, daß überall
in Deutsch-Ostafrika Viehzucht getrieben wird. Schon Livingstone führt den
Verlust seiner Esel (am Südende des Tanganjika, im November 1873) uicht
wie seine Begleiter auf den Biß der Tsetsefliege zurück, sondern auf die schlechte
Behandlung, die die Träger den Tieren zu teil werden ließen, und auf die
außerordentlichen Strapazen.

Einzig maßgebend bei Einführung von Transporttieren sind also die Weg-
verhültnisse. Kunstwege, die für den allgemeinen Verkehr von Wert sind, giebt
es nicht. Von den einzelnen Stationen aus sind allerdings Kunststraßen von
geringer Länge erbaut, die aber nur die örtliche Bedeutung haben, müßige
Hände beschäftigt zu haben. Einen Wegebau durchzuführen, der einen wirk¬
lichen Nutzen schaffen könnte, indem er das ganze große Gebiet umfaßte, dazu
reichen die Kräfte der Kolonie nicht aus. Mau wird also die gegebnen Ver¬
hältnisse berücksichtige,: müssen. Die ostafrikanischen Wege sind unsern Wald¬
pfaden zu vergleichen, nur Lasttiere würden sie begehen können. Da hat man
denn zu einem künstlichen Mittel seine Zuflucht nehmen wollen, indem man
Kamele einführen und Elefanten zähmen wollte. Gegen die Einführung der
Kamele spricht aber der Mangel an geeigneten Futterkräutern und das un¬
geeignete Klima. Die Einführung oder Zähmung von Elefanten aber dürfte
zu kostspielig sein. Beide Absichten hat man als unfruchtbar aufgegeben. Auch
hier aber bewahrheitet sich das Wort: "Warum in die Ferne schweifen, sieh,
das Gute liegt so nah!" Unsre Kolonie hat eine Viehzucht, die zu den schönsten
Hoffnungen berechtigt. Die würden sich erfüllen, wenn man vor allem das


Die Verkehrsmittel in Deutsch-Ostafrika

Man stationirc einen kleinen Dampfer auf dem Rufitschi, und die Anwohner
werden für alle Zeiten beruhigt sein. Statt dessen sammelt man große
Summen für einen ganz unnützen Zweck: den Tanganjikadampfer,

Die Erschließung der Flußläufe ist für den Verkehr die erste und wichtigste
Frage, deren Lösung unbedingt notwendig ist, wenn unsre Kolonie wirtschaftlich
gedeihen soll. Nun giebt es aber große Gebiete in Deutsch-Ostafrika, die uicht
der Segnungen der Flußschisfahrt teilhaftig werden können. Für sie müssen
andre Ersatzmittel für die Trägereinrichtung geschaffen werden. Für einzelne
Gebiete, wie Kilimandscharo, Usagara, Korbe, würden Eisenbahnen den An¬
schluß an die Flußschiffahrt herstellen können. Für die meisten andern Land¬
schaften aber würden sich Eisenbahnen kaum rentiren, sodaß nur noch Last-
und Zugtiere in Betracht kämen, wie sich ja auch in allen kultivirten Ländern
Gebiete finden, die auf diese primitiven Verkehrsmittel angewiesen sind. Es
sind in dieser Hinsicht auch schon mancherlei Versuche gemacht worden, doch
meistens fehlgeschlagen, weil man die Landesnatur zu wenig berücksichtigte.

Die Tsetsegefahr ist auf Grund neuester Untersuchungen in das Vereich
der Fabel verwiesen worden. Man hat oft behauptet, daß das Vorkommen
dieses Insekts (g'1o88iun morsitans) die Verwendung von Tieren zum Transport
unmöglich mache. Wie irrig das ist, beweist schon der Umstand, daß überall
in Deutsch-Ostafrika Viehzucht getrieben wird. Schon Livingstone führt den
Verlust seiner Esel (am Südende des Tanganjika, im November 1873) uicht
wie seine Begleiter auf den Biß der Tsetsefliege zurück, sondern auf die schlechte
Behandlung, die die Träger den Tieren zu teil werden ließen, und auf die
außerordentlichen Strapazen.

Einzig maßgebend bei Einführung von Transporttieren sind also die Weg-
verhültnisse. Kunstwege, die für den allgemeinen Verkehr von Wert sind, giebt
es nicht. Von den einzelnen Stationen aus sind allerdings Kunststraßen von
geringer Länge erbaut, die aber nur die örtliche Bedeutung haben, müßige
Hände beschäftigt zu haben. Einen Wegebau durchzuführen, der einen wirk¬
lichen Nutzen schaffen könnte, indem er das ganze große Gebiet umfaßte, dazu
reichen die Kräfte der Kolonie nicht aus. Mau wird also die gegebnen Ver¬
hältnisse berücksichtige,: müssen. Die ostafrikanischen Wege sind unsern Wald¬
pfaden zu vergleichen, nur Lasttiere würden sie begehen können. Da hat man
denn zu einem künstlichen Mittel seine Zuflucht nehmen wollen, indem man
Kamele einführen und Elefanten zähmen wollte. Gegen die Einführung der
Kamele spricht aber der Mangel an geeigneten Futterkräutern und das un¬
geeignete Klima. Die Einführung oder Zähmung von Elefanten aber dürfte
zu kostspielig sein. Beide Absichten hat man als unfruchtbar aufgegeben. Auch
hier aber bewahrheitet sich das Wort: „Warum in die Ferne schweifen, sieh,
das Gute liegt so nah!" Unsre Kolonie hat eine Viehzucht, die zu den schönsten
Hoffnungen berechtigt. Die würden sich erfüllen, wenn man vor allem das


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[0170] Die Verkehrsmittel in Deutsch-Ostafrika Man stationirc einen kleinen Dampfer auf dem Rufitschi, und die Anwohner werden für alle Zeiten beruhigt sein. Statt dessen sammelt man große Summen für einen ganz unnützen Zweck: den Tanganjikadampfer, Die Erschließung der Flußläufe ist für den Verkehr die erste und wichtigste Frage, deren Lösung unbedingt notwendig ist, wenn unsre Kolonie wirtschaftlich gedeihen soll. Nun giebt es aber große Gebiete in Deutsch-Ostafrika, die uicht der Segnungen der Flußschisfahrt teilhaftig werden können. Für sie müssen andre Ersatzmittel für die Trägereinrichtung geschaffen werden. Für einzelne Gebiete, wie Kilimandscharo, Usagara, Korbe, würden Eisenbahnen den An¬ schluß an die Flußschiffahrt herstellen können. Für die meisten andern Land¬ schaften aber würden sich Eisenbahnen kaum rentiren, sodaß nur noch Last- und Zugtiere in Betracht kämen, wie sich ja auch in allen kultivirten Ländern Gebiete finden, die auf diese primitiven Verkehrsmittel angewiesen sind. Es sind in dieser Hinsicht auch schon mancherlei Versuche gemacht worden, doch meistens fehlgeschlagen, weil man die Landesnatur zu wenig berücksichtigte. Die Tsetsegefahr ist auf Grund neuester Untersuchungen in das Vereich der Fabel verwiesen worden. Man hat oft behauptet, daß das Vorkommen dieses Insekts (g'1o88iun morsitans) die Verwendung von Tieren zum Transport unmöglich mache. Wie irrig das ist, beweist schon der Umstand, daß überall in Deutsch-Ostafrika Viehzucht getrieben wird. Schon Livingstone führt den Verlust seiner Esel (am Südende des Tanganjika, im November 1873) uicht wie seine Begleiter auf den Biß der Tsetsefliege zurück, sondern auf die schlechte Behandlung, die die Träger den Tieren zu teil werden ließen, und auf die außerordentlichen Strapazen. Einzig maßgebend bei Einführung von Transporttieren sind also die Weg- verhültnisse. Kunstwege, die für den allgemeinen Verkehr von Wert sind, giebt es nicht. Von den einzelnen Stationen aus sind allerdings Kunststraßen von geringer Länge erbaut, die aber nur die örtliche Bedeutung haben, müßige Hände beschäftigt zu haben. Einen Wegebau durchzuführen, der einen wirk¬ lichen Nutzen schaffen könnte, indem er das ganze große Gebiet umfaßte, dazu reichen die Kräfte der Kolonie nicht aus. Mau wird also die gegebnen Ver¬ hältnisse berücksichtige,: müssen. Die ostafrikanischen Wege sind unsern Wald¬ pfaden zu vergleichen, nur Lasttiere würden sie begehen können. Da hat man denn zu einem künstlichen Mittel seine Zuflucht nehmen wollen, indem man Kamele einführen und Elefanten zähmen wollte. Gegen die Einführung der Kamele spricht aber der Mangel an geeigneten Futterkräutern und das un¬ geeignete Klima. Die Einführung oder Zähmung von Elefanten aber dürfte zu kostspielig sein. Beide Absichten hat man als unfruchtbar aufgegeben. Auch hier aber bewahrheitet sich das Wort: „Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah!" Unsre Kolonie hat eine Viehzucht, die zu den schönsten Hoffnungen berechtigt. Die würden sich erfüllen, wenn man vor allem das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/170>, abgerufen am 27.09.2024.