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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Verkehrsmittel in Deutsch-Gstafrikci

für Plantagenwirtschaft erweisen, so würde das immer noch nicht den Bau von
Eisenbahnen dorthin rechtfertigen. Denn nach neuern Ermittlungen ist es
sogar fraglich, ob Plantagenerzcngnisse von Ukami und den übrigen Rand-
gebirgen die Transportkosten ans der Eisenbahn nach den Hcifeuorten ertragen
könnten. Eine Zentralbahn nach den Seen würde zwar beweisen, daß wir aus¬
gedehnte Kolonialbahnen bauen können, aber außer diesem unnötigen Beweise
würde kaum ein wirklicher Nutzen in wirtschaftlicher Hinsicht für unsre Kolonie
geschafft werden.

Etwas anders steht es mit dem Bau von Bahnen nach Gebieten, die der
Küste näher liegen und wegen ihrer Fruchtbarkeit Aussicht auf Gewinn bieten,
wie das Usambara-Kilimandscharogebiet, sodann Ukami. Aber auch hier müßte
jedenfalls erst der Beweis geliefert werden, daß diese Landstriche wirklich pro-
dnktionsfähig sind. Nicht immer schaffen die Verkehrsmittel allein den Ver¬
kehr, wie man neuerdings oft von Offizieren, die über wirtschaftliche Fragen
sprechen, hören kann: die Hauptbedingung ist die Produktionsfähigkeit des be¬
treffenden Landstrichs, in dem sich der Verkehr heben soll. Und da gilt es denn
vor allem, in Deutsch-Ostafrika durch genaue Erforschung die Gebiete festzu¬
stellen, die so produktionsfähig sind, daß man das Verkehrsmittel, zu dem das
größte Anlagekapital gehört, die Eisenbahn, zu ihrer Erschließung mit gutem
Gewissen anwende" darf. Sonst muß man sich einstweilen mit Verkehrsmitteln
begnügen, die wegen des geringern Anlagekapitals kein zu großes Risiko ein¬
schließen, wenn sie auch nicht alle Erfordernisse des modernen Verkehrswesens
erfüllen. Ein Beispiel möge das erläutern.

Es wurden seinerzeit Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um den
Van der Usambarabahn zu ermöglichen. Jetzt hat man sie mit kolossalen
Unkosten -- 3 Millionen Mark sind ausgegeben worden -- durch ödes Gebiet
vom Tanga bis an den Pcmgani fertig. Aber niemand hat daran gedacht,
vorher zu untersuchen, ob man nicht statt mit 3 Millionen mit 30000 Mark
dasselbe erreichen könnte, nämlich indem man den Paugani erforschte und
erschloß. Nun ist durch die Untersuchungen von Baumann und Meinecke fest¬
gestellt, daß der Pcmgani sechzig Kilometer weit und gerade bis zu der Stelle,
wo die Usambarabahn jetzt endet, für Schiffe mit ein Meter Tiefgang jederzeit
fahrbar ist. Der ganze Bahnbau hat sich also als überflüssig erwiesen!

Das ist ja überhaupt eine Eigentümlichkeit in der Kolonisationsgeschichte
von Deutsch-Ostafrika, daß man die Flüsse ganz unbeachtet gelassen hat,
während doch in allen übrigen Ländern die Kolonisationsbestrebnngen den
Flüssen solgen. Die Ursache für diese sonderbare Erscheinung mag wohl darin
liegen, daß dort anch der Eingeborne den Wert seiner Flüsse nicht kennt und
sich nirgends Anfänge zur Flußschiffahrt zeigen. Und daß man in deutschen
Kolonialkreisen erst seit kurzer Zeit den Flüssen Deutsch-Ostafrikas seine Auf¬
merksamkeit zuwendet, liegt wohl daran, daß die Erforschung der Flüsse eine


Die Verkehrsmittel in Deutsch-Gstafrikci

für Plantagenwirtschaft erweisen, so würde das immer noch nicht den Bau von
Eisenbahnen dorthin rechtfertigen. Denn nach neuern Ermittlungen ist es
sogar fraglich, ob Plantagenerzcngnisse von Ukami und den übrigen Rand-
gebirgen die Transportkosten ans der Eisenbahn nach den Hcifeuorten ertragen
könnten. Eine Zentralbahn nach den Seen würde zwar beweisen, daß wir aus¬
gedehnte Kolonialbahnen bauen können, aber außer diesem unnötigen Beweise
würde kaum ein wirklicher Nutzen in wirtschaftlicher Hinsicht für unsre Kolonie
geschafft werden.

Etwas anders steht es mit dem Bau von Bahnen nach Gebieten, die der
Küste näher liegen und wegen ihrer Fruchtbarkeit Aussicht auf Gewinn bieten,
wie das Usambara-Kilimandscharogebiet, sodann Ukami. Aber auch hier müßte
jedenfalls erst der Beweis geliefert werden, daß diese Landstriche wirklich pro-
dnktionsfähig sind. Nicht immer schaffen die Verkehrsmittel allein den Ver¬
kehr, wie man neuerdings oft von Offizieren, die über wirtschaftliche Fragen
sprechen, hören kann: die Hauptbedingung ist die Produktionsfähigkeit des be¬
treffenden Landstrichs, in dem sich der Verkehr heben soll. Und da gilt es denn
vor allem, in Deutsch-Ostafrika durch genaue Erforschung die Gebiete festzu¬
stellen, die so produktionsfähig sind, daß man das Verkehrsmittel, zu dem das
größte Anlagekapital gehört, die Eisenbahn, zu ihrer Erschließung mit gutem
Gewissen anwende» darf. Sonst muß man sich einstweilen mit Verkehrsmitteln
begnügen, die wegen des geringern Anlagekapitals kein zu großes Risiko ein¬
schließen, wenn sie auch nicht alle Erfordernisse des modernen Verkehrswesens
erfüllen. Ein Beispiel möge das erläutern.

Es wurden seinerzeit Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um den
Van der Usambarabahn zu ermöglichen. Jetzt hat man sie mit kolossalen
Unkosten — 3 Millionen Mark sind ausgegeben worden — durch ödes Gebiet
vom Tanga bis an den Pcmgani fertig. Aber niemand hat daran gedacht,
vorher zu untersuchen, ob man nicht statt mit 3 Millionen mit 30000 Mark
dasselbe erreichen könnte, nämlich indem man den Paugani erforschte und
erschloß. Nun ist durch die Untersuchungen von Baumann und Meinecke fest¬
gestellt, daß der Pcmgani sechzig Kilometer weit und gerade bis zu der Stelle,
wo die Usambarabahn jetzt endet, für Schiffe mit ein Meter Tiefgang jederzeit
fahrbar ist. Der ganze Bahnbau hat sich also als überflüssig erwiesen!

Das ist ja überhaupt eine Eigentümlichkeit in der Kolonisationsgeschichte
von Deutsch-Ostafrika, daß man die Flüsse ganz unbeachtet gelassen hat,
während doch in allen übrigen Ländern die Kolonisationsbestrebnngen den
Flüssen solgen. Die Ursache für diese sonderbare Erscheinung mag wohl darin
liegen, daß dort anch der Eingeborne den Wert seiner Flüsse nicht kennt und
sich nirgends Anfänge zur Flußschiffahrt zeigen. Und daß man in deutschen
Kolonialkreisen erst seit kurzer Zeit den Flüssen Deutsch-Ostafrikas seine Auf¬
merksamkeit zuwendet, liegt wohl daran, daß die Erforschung der Flüsse eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/168>, abgerufen am 27.09.2024.