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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr.

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Die Verkehrsmittel in Deutsch-Vstafrika

tragen, während die erbeuteten oder erhandelten Sklaven auf dem Rückwege
kostenlos den Transport bewerkstelligen. Sklaven waren und sind demnach
eine Ware, die nicht nur sich selbst transportirt, sondern noch andre Waren
dazu. Weshalb hätte also der Araber neue Transportmittel ersinnen oder
einführen sollen, die teuer waren und außerdem seine Beweglichkeit mehr
hinderten, als das lenksamste und rentabelste aller Haustiere, der Sklave! Wo
er etwas andres, etwas besondres zum Transport brauchte, hat er es sich auch
verschafft, z. B. Maskatesel zum Reiten. Nur wenig bekannt scheint übrigens
die Thatsache zu sein, daß der Araber von Tabora aus den Transport seiner
Waren zur Küste sehr oft kostenlos bewerkstelligen kann, indem sich Wanicun-
wesitrüger, die nach der Küste wollen, für diese Reise in seinen Schutz begeben
und als Entgelt für diesen Schutz und für Verpflegung ihre Arbeitskraft her¬
geben.

Für den arabischen Händler giebt es also kaum ein billigeres Verkehrs¬
mittel als Träger. In ganz anderm Lichte erscheinen diese aber vom Stand¬
punkt der deutschen Kvlonisationsbestrebungen- Angehörigen christlicher Staaten
ist es in Deutsch-Ostafrika verboten, Sklaven zu halten. Wollen sie also Waren
transportiren lassen, so müssen sie sich Träger mieten, wodurch sich nach amt¬
lichen Berechnungen die Transportkosten auf 4 Mark 80 Pfennige bei 100 Kilo¬
meter Weges für eine Last 65 Pfund) stellen. Bei solchen Unkosten ist es
bisher europäischen Unternehmern unmöglich gewesen, die Handelskonkurrenz
der arabischen und indischen Händler zu ertragen. Nur dem bekannten Jrländer
Stokes war es möglich, sich zu behaupten und ein weitverzweigtes innerafrika¬
nisches Speditionsgeschäft zu errichten. Da er der Schwiegersohn eines Wa-
niamwesihäuptlings war, so standen ihm stets billige und zahlreiche Träger
zur Verfügung, während europäische Karawanenunternehmer von der Gunst
indischer Vermittler abhängig sind. Stuhlmann z. B. hat an Sewa Hadschi,
der jetzt fast ein Monopol für Bildung von Karawanen hat, für Anwerbung
von Trägern zu der Expedition des Emin Pascha 18000 Mark Provision
zahlen müssen. Europäern wird also die Teilnahme am Karawanenhandel
verschlossen oder wenigstens sehr erschwert werden, solange man sich der
Träger bedient. Weit mehr fällt aber noch ins Gewicht die Rücksicht auf
den Plantagenbau. Durch die Trägereinrichtung werden dem Plantagenbau
die Arbeitskräfte entzogen. Der Elfenbeinhandel setzt jährlich etwa eine halbe
Million Menschen in Bewegung. Nach Reichard Passiren allein Mpwapwa
jährlich 100000 Menschen. Exportirt werden jährlich aus Deutsch-Ostafrika
200000 Kilogramm Elfenbein im Werte von 800000 Dollars. Wie gering
ist der Wert der Ware gegenüber den zu ihrem Transport verwendeten
Menschenkräften! Das Tragerwesen schädigt also den Plantagenbau in unsrer
Kolonie schwer, indem es den so oft beklagten Arbeitermaugel hervorruft. Aller¬
dings wird man diesem Übelstande kaum durch Verbesserung der Verkehrsmittel


Die Verkehrsmittel in Deutsch-Vstafrika

tragen, während die erbeuteten oder erhandelten Sklaven auf dem Rückwege
kostenlos den Transport bewerkstelligen. Sklaven waren und sind demnach
eine Ware, die nicht nur sich selbst transportirt, sondern noch andre Waren
dazu. Weshalb hätte also der Araber neue Transportmittel ersinnen oder
einführen sollen, die teuer waren und außerdem seine Beweglichkeit mehr
hinderten, als das lenksamste und rentabelste aller Haustiere, der Sklave! Wo
er etwas andres, etwas besondres zum Transport brauchte, hat er es sich auch
verschafft, z. B. Maskatesel zum Reiten. Nur wenig bekannt scheint übrigens
die Thatsache zu sein, daß der Araber von Tabora aus den Transport seiner
Waren zur Küste sehr oft kostenlos bewerkstelligen kann, indem sich Wanicun-
wesitrüger, die nach der Küste wollen, für diese Reise in seinen Schutz begeben
und als Entgelt für diesen Schutz und für Verpflegung ihre Arbeitskraft her¬
geben.

Für den arabischen Händler giebt es also kaum ein billigeres Verkehrs¬
mittel als Träger. In ganz anderm Lichte erscheinen diese aber vom Stand¬
punkt der deutschen Kvlonisationsbestrebungen- Angehörigen christlicher Staaten
ist es in Deutsch-Ostafrika verboten, Sklaven zu halten. Wollen sie also Waren
transportiren lassen, so müssen sie sich Träger mieten, wodurch sich nach amt¬
lichen Berechnungen die Transportkosten auf 4 Mark 80 Pfennige bei 100 Kilo¬
meter Weges für eine Last 65 Pfund) stellen. Bei solchen Unkosten ist es
bisher europäischen Unternehmern unmöglich gewesen, die Handelskonkurrenz
der arabischen und indischen Händler zu ertragen. Nur dem bekannten Jrländer
Stokes war es möglich, sich zu behaupten und ein weitverzweigtes innerafrika¬
nisches Speditionsgeschäft zu errichten. Da er der Schwiegersohn eines Wa-
niamwesihäuptlings war, so standen ihm stets billige und zahlreiche Träger
zur Verfügung, während europäische Karawanenunternehmer von der Gunst
indischer Vermittler abhängig sind. Stuhlmann z. B. hat an Sewa Hadschi,
der jetzt fast ein Monopol für Bildung von Karawanen hat, für Anwerbung
von Trägern zu der Expedition des Emin Pascha 18000 Mark Provision
zahlen müssen. Europäern wird also die Teilnahme am Karawanenhandel
verschlossen oder wenigstens sehr erschwert werden, solange man sich der
Träger bedient. Weit mehr fällt aber noch ins Gewicht die Rücksicht auf
den Plantagenbau. Durch die Trägereinrichtung werden dem Plantagenbau
die Arbeitskräfte entzogen. Der Elfenbeinhandel setzt jährlich etwa eine halbe
Million Menschen in Bewegung. Nach Reichard Passiren allein Mpwapwa
jährlich 100000 Menschen. Exportirt werden jährlich aus Deutsch-Ostafrika
200000 Kilogramm Elfenbein im Werte von 800000 Dollars. Wie gering
ist der Wert der Ware gegenüber den zu ihrem Transport verwendeten
Menschenkräften! Das Tragerwesen schädigt also den Plantagenbau in unsrer
Kolonie schwer, indem es den so oft beklagten Arbeitermaugel hervorruft. Aller¬
dings wird man diesem Übelstande kaum durch Verbesserung der Verkehrsmittel


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[0166] Die Verkehrsmittel in Deutsch-Vstafrika tragen, während die erbeuteten oder erhandelten Sklaven auf dem Rückwege kostenlos den Transport bewerkstelligen. Sklaven waren und sind demnach eine Ware, die nicht nur sich selbst transportirt, sondern noch andre Waren dazu. Weshalb hätte also der Araber neue Transportmittel ersinnen oder einführen sollen, die teuer waren und außerdem seine Beweglichkeit mehr hinderten, als das lenksamste und rentabelste aller Haustiere, der Sklave! Wo er etwas andres, etwas besondres zum Transport brauchte, hat er es sich auch verschafft, z. B. Maskatesel zum Reiten. Nur wenig bekannt scheint übrigens die Thatsache zu sein, daß der Araber von Tabora aus den Transport seiner Waren zur Küste sehr oft kostenlos bewerkstelligen kann, indem sich Wanicun- wesitrüger, die nach der Küste wollen, für diese Reise in seinen Schutz begeben und als Entgelt für diesen Schutz und für Verpflegung ihre Arbeitskraft her¬ geben. Für den arabischen Händler giebt es also kaum ein billigeres Verkehrs¬ mittel als Träger. In ganz anderm Lichte erscheinen diese aber vom Stand¬ punkt der deutschen Kvlonisationsbestrebungen- Angehörigen christlicher Staaten ist es in Deutsch-Ostafrika verboten, Sklaven zu halten. Wollen sie also Waren transportiren lassen, so müssen sie sich Träger mieten, wodurch sich nach amt¬ lichen Berechnungen die Transportkosten auf 4 Mark 80 Pfennige bei 100 Kilo¬ meter Weges für eine Last 65 Pfund) stellen. Bei solchen Unkosten ist es bisher europäischen Unternehmern unmöglich gewesen, die Handelskonkurrenz der arabischen und indischen Händler zu ertragen. Nur dem bekannten Jrländer Stokes war es möglich, sich zu behaupten und ein weitverzweigtes innerafrika¬ nisches Speditionsgeschäft zu errichten. Da er der Schwiegersohn eines Wa- niamwesihäuptlings war, so standen ihm stets billige und zahlreiche Träger zur Verfügung, während europäische Karawanenunternehmer von der Gunst indischer Vermittler abhängig sind. Stuhlmann z. B. hat an Sewa Hadschi, der jetzt fast ein Monopol für Bildung von Karawanen hat, für Anwerbung von Trägern zu der Expedition des Emin Pascha 18000 Mark Provision zahlen müssen. Europäern wird also die Teilnahme am Karawanenhandel verschlossen oder wenigstens sehr erschwert werden, solange man sich der Träger bedient. Weit mehr fällt aber noch ins Gewicht die Rücksicht auf den Plantagenbau. Durch die Trägereinrichtung werden dem Plantagenbau die Arbeitskräfte entzogen. Der Elfenbeinhandel setzt jährlich etwa eine halbe Million Menschen in Bewegung. Nach Reichard Passiren allein Mpwapwa jährlich 100000 Menschen. Exportirt werden jährlich aus Deutsch-Ostafrika 200000 Kilogramm Elfenbein im Werte von 800000 Dollars. Wie gering ist der Wert der Ware gegenüber den zu ihrem Transport verwendeten Menschenkräften! Das Tragerwesen schädigt also den Plantagenbau in unsrer Kolonie schwer, indem es den so oft beklagten Arbeitermaugel hervorruft. Aller¬ dings wird man diesem Übelstande kaum durch Verbesserung der Verkehrsmittel

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_224245/166>, abgerufen am 27.09.2024.