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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Die Überproduktion.

Wir sind daher auf ihren Bezug aus dem Auslande angewiesen. Andre Dinge
führen wir aus dem Auslande ein, weil die Erzeugung im eignen Lande das
obwaltende Bedürfnis nicht vollständig deckt. Endlich hat das Prinzip des
Freihandels dahin geführt, daß selbst für solche Dinge, die das eigne Land in
zureichender Weise erzeugt, doch zugleich die Einführung aus dem Auslande
gestattet wird. Alle diese Dinge, die wir aus dem Auslande einführen, müssen
wir mit Erzeugnissen unsers Landes, die wir dem Auslande zuführen, bezahlen.
Und da Deutschland nicht zu den vorzugsweise mit Naturprodukten gesegneten
Ländern gehört, so kann jene Bezahlung fast nur mit Erzeugnissen unsrer
Industrie geschehen. Nur durch ihre hochentwickelte Industrie, welche die übrigen
Länder mit Gütern versorgt, die diese selbst nicht in gleichem Maße zu erzeugen
verstehen, haben die großen Kulturländer gewissermaßen die ganze Erde sich
tributbar gemacht, und hierauf beruht der Reichtum, der diese Länder auszeichnet.

Während unsre Industrie, soweit sie für das Inland arbeitet, in diesem
zwar ein beschränktes, aber auch wohlübersehbares Arbeitsfeld besitzt, welches
nicht leicht zu der Verirrung einer Überproduktion führen kann, bietet ihr das
Ausland zwar ein weit umfaugrcichercs Gebiet dar, dessen andauernder Bedarf
aber auch weit schwerer zu überblicken ist. Ein Wechsel kann dort in der ver¬
schiedensten Weise eintreten; bald durch eine Änderung in der Art oder dem
Maße der obwaltenden Bedürfnisse; bald durch die größere Entwicklung der
eignen Industrie des betreffenden Landes, wodurch die Einführung auswärtiger
Erzeugnisse überflüssig wird; bald in der Konkurrenz noch andrer Länder, welche
dem betreffenden Lande bessere oder wohlfeilere Produkte zuzuführen vermögen.
Der Absatz unsrer Industrie in das Ausland hat hiernach eine weit unsicherere
und mannichfach gefährdete Existenz. Es können daher auch weit leichter
Irrungen über das Maß der Aufnahmefähigkeit des Auslandes für unsre
Waaren vorkommen, die dann in der Form der Überproduktion zu Tage treten.

Eine ähnliche Erscheinung kann freilich auch bei der zunächst für das Inland
bestimmten Produktion eintreten dadurch, daß das Ausland uns mit den näm¬
lichen Produkten überschwemmt zu Preisen, mit denen die inländische Produktion
nicht zu konkurriren vermag. Dann werden für den inländischen Produzenten
seine Produkte, ganz wie bei einer Überproduktion, unverkäuflich; und wenn
dieses Verhältnis andauernd wird, so muß seine Produktion zu Grunde gehen.

Diese Bedrohung der inländischen Produktion durch die auswärtige kann
nun der Staat abwehren oder wenigstens schwächen dadurch, daß er auf die
ausländischen Produkte Zölle legt, die deren Preis für den inländischen Gebrauch
dergestalt erhöhen, daß die inländische Produktion mit ihnen konkurriren kann.
Allerdings hat man als Folge hiervon zu gewärtigen, daß auch die auswär-
tigen Staaten Zölle auf die bei ihnen eingehenden Waaren legen und daß
dadurch unsrer Industrie, soweit sie für das Ausland arbeitet, die Beschreibung
des ausländischen Marktes erschwert wird.


Die Überproduktion.

Wir sind daher auf ihren Bezug aus dem Auslande angewiesen. Andre Dinge
führen wir aus dem Auslande ein, weil die Erzeugung im eignen Lande das
obwaltende Bedürfnis nicht vollständig deckt. Endlich hat das Prinzip des
Freihandels dahin geführt, daß selbst für solche Dinge, die das eigne Land in
zureichender Weise erzeugt, doch zugleich die Einführung aus dem Auslande
gestattet wird. Alle diese Dinge, die wir aus dem Auslande einführen, müssen
wir mit Erzeugnissen unsers Landes, die wir dem Auslande zuführen, bezahlen.
Und da Deutschland nicht zu den vorzugsweise mit Naturprodukten gesegneten
Ländern gehört, so kann jene Bezahlung fast nur mit Erzeugnissen unsrer
Industrie geschehen. Nur durch ihre hochentwickelte Industrie, welche die übrigen
Länder mit Gütern versorgt, die diese selbst nicht in gleichem Maße zu erzeugen
verstehen, haben die großen Kulturländer gewissermaßen die ganze Erde sich
tributbar gemacht, und hierauf beruht der Reichtum, der diese Länder auszeichnet.

Während unsre Industrie, soweit sie für das Inland arbeitet, in diesem
zwar ein beschränktes, aber auch wohlübersehbares Arbeitsfeld besitzt, welches
nicht leicht zu der Verirrung einer Überproduktion führen kann, bietet ihr das
Ausland zwar ein weit umfaugrcichercs Gebiet dar, dessen andauernder Bedarf
aber auch weit schwerer zu überblicken ist. Ein Wechsel kann dort in der ver¬
schiedensten Weise eintreten; bald durch eine Änderung in der Art oder dem
Maße der obwaltenden Bedürfnisse; bald durch die größere Entwicklung der
eignen Industrie des betreffenden Landes, wodurch die Einführung auswärtiger
Erzeugnisse überflüssig wird; bald in der Konkurrenz noch andrer Länder, welche
dem betreffenden Lande bessere oder wohlfeilere Produkte zuzuführen vermögen.
Der Absatz unsrer Industrie in das Ausland hat hiernach eine weit unsicherere
und mannichfach gefährdete Existenz. Es können daher auch weit leichter
Irrungen über das Maß der Aufnahmefähigkeit des Auslandes für unsre
Waaren vorkommen, die dann in der Form der Überproduktion zu Tage treten.

Eine ähnliche Erscheinung kann freilich auch bei der zunächst für das Inland
bestimmten Produktion eintreten dadurch, daß das Ausland uns mit den näm¬
lichen Produkten überschwemmt zu Preisen, mit denen die inländische Produktion
nicht zu konkurriren vermag. Dann werden für den inländischen Produzenten
seine Produkte, ganz wie bei einer Überproduktion, unverkäuflich; und wenn
dieses Verhältnis andauernd wird, so muß seine Produktion zu Grunde gehen.

Diese Bedrohung der inländischen Produktion durch die auswärtige kann
nun der Staat abwehren oder wenigstens schwächen dadurch, daß er auf die
ausländischen Produkte Zölle legt, die deren Preis für den inländischen Gebrauch
dergestalt erhöhen, daß die inländische Produktion mit ihnen konkurriren kann.
Allerdings hat man als Folge hiervon zu gewärtigen, daß auch die auswär-
tigen Staaten Zölle auf die bei ihnen eingehenden Waaren legen und daß
dadurch unsrer Industrie, soweit sie für das Ausland arbeitet, die Beschreibung
des ausländischen Marktes erschwert wird.


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[0355] Die Überproduktion. Wir sind daher auf ihren Bezug aus dem Auslande angewiesen. Andre Dinge führen wir aus dem Auslande ein, weil die Erzeugung im eignen Lande das obwaltende Bedürfnis nicht vollständig deckt. Endlich hat das Prinzip des Freihandels dahin geführt, daß selbst für solche Dinge, die das eigne Land in zureichender Weise erzeugt, doch zugleich die Einführung aus dem Auslande gestattet wird. Alle diese Dinge, die wir aus dem Auslande einführen, müssen wir mit Erzeugnissen unsers Landes, die wir dem Auslande zuführen, bezahlen. Und da Deutschland nicht zu den vorzugsweise mit Naturprodukten gesegneten Ländern gehört, so kann jene Bezahlung fast nur mit Erzeugnissen unsrer Industrie geschehen. Nur durch ihre hochentwickelte Industrie, welche die übrigen Länder mit Gütern versorgt, die diese selbst nicht in gleichem Maße zu erzeugen verstehen, haben die großen Kulturländer gewissermaßen die ganze Erde sich tributbar gemacht, und hierauf beruht der Reichtum, der diese Länder auszeichnet. Während unsre Industrie, soweit sie für das Inland arbeitet, in diesem zwar ein beschränktes, aber auch wohlübersehbares Arbeitsfeld besitzt, welches nicht leicht zu der Verirrung einer Überproduktion führen kann, bietet ihr das Ausland zwar ein weit umfaugrcichercs Gebiet dar, dessen andauernder Bedarf aber auch weit schwerer zu überblicken ist. Ein Wechsel kann dort in der ver¬ schiedensten Weise eintreten; bald durch eine Änderung in der Art oder dem Maße der obwaltenden Bedürfnisse; bald durch die größere Entwicklung der eignen Industrie des betreffenden Landes, wodurch die Einführung auswärtiger Erzeugnisse überflüssig wird; bald in der Konkurrenz noch andrer Länder, welche dem betreffenden Lande bessere oder wohlfeilere Produkte zuzuführen vermögen. Der Absatz unsrer Industrie in das Ausland hat hiernach eine weit unsicherere und mannichfach gefährdete Existenz. Es können daher auch weit leichter Irrungen über das Maß der Aufnahmefähigkeit des Auslandes für unsre Waaren vorkommen, die dann in der Form der Überproduktion zu Tage treten. Eine ähnliche Erscheinung kann freilich auch bei der zunächst für das Inland bestimmten Produktion eintreten dadurch, daß das Ausland uns mit den näm¬ lichen Produkten überschwemmt zu Preisen, mit denen die inländische Produktion nicht zu konkurriren vermag. Dann werden für den inländischen Produzenten seine Produkte, ganz wie bei einer Überproduktion, unverkäuflich; und wenn dieses Verhältnis andauernd wird, so muß seine Produktion zu Grunde gehen. Diese Bedrohung der inländischen Produktion durch die auswärtige kann nun der Staat abwehren oder wenigstens schwächen dadurch, daß er auf die ausländischen Produkte Zölle legt, die deren Preis für den inländischen Gebrauch dergestalt erhöhen, daß die inländische Produktion mit ihnen konkurriren kann. Allerdings hat man als Folge hiervon zu gewärtigen, daß auch die auswär- tigen Staaten Zölle auf die bei ihnen eingehenden Waaren legen und daß dadurch unsrer Industrie, soweit sie für das Ausland arbeitet, die Beschreibung des ausländischen Marktes erschwert wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/355>, abgerufen am 27.09.2024.