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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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Kayser's Zukunft uicht günstiger gestalten wollte, zwei seiner alten Jugendbe¬
kannter, Klinger und Schleiermacher.

Lange Zeit hindurch war die Verbindung Klinger's mit Kayser unter¬
brochen gewesen, als Klinger in der neuen Ausgabe seiner Werke seiner ge¬
dachte und ihm sogar seine "Neue Arria" widmete. Bald wären aber auch
seine Bemühungen als gescheitert zu betrachten gewesen, als Kayser den alten
Freund endlich eines Briefes würdigte, der bei aller Eigenthümlichkeit des
Tones nicht verkennen ließ, "daß der Bursche gerade noch war, wie vor 17
Jahren". Aus dieser erneuten Verbindung erwuchs das Streben Klinger's, den
Jugendfreund in eine angemessene Lebensstellung zu bringen. "Kaysern muß
geholfen werden und ich habe ihm geholfen, will ihm noch besser helfen," schreibt
Klinger an Schleiermacher (19. Oktober 1792). "Mein Chef der Graf Anhalt
hat mir einen Platz für ihn zugesagt, der schon sehr gut aushilft; das Mehrere
und Bessere wird sich geben und von ihm abhängen. Zu seinem gegenwärtigen
und künftigen Besten ist nöthig, daß Du ihm ein Patent als Hofrath sogleich
verschaffst, dadurch kommt er gleich in hiesigen Dienst. Er wird in unserm
Hause angestellt werden und Du kannst leicht denken, welche Freude mir dieses
macht. Unumgänglich nothwendig ist es, daß er sich in dein Sprechen der
französischen Sprache unaufhörlich übe. Er braucht sie ".IzsowmkQt zu seinem
gegenwärtigen Plaz und eben fo sehr, wenn er von seinen Talenten in der
Musik die Vortheile ziehen will, die ich ihm versprechen kann."

Klinger schlug vor, daß Schleiermacher Kaysern bei sich aufnehmen, ihn zum
Studium des Französischen, der Geographie und Geschichte anhalten möchte.
"Nur hauptsächlich verschaffe ihm den Rang als Hofrath, im Fall Du ihn bis
zu seiner Abreise aufnehmen willst, so schreibe ihm, daß er gleich komme, damit
er seine fatalen Verhältnisse los werde, sich aufheitere, etwas kühner werde und
mit mehr Muth seinen neuen Weg betrete. Gereuen soll es ihn nie. Nur
flöße ihm Zuversicht ein, denn dies ist es, was die Unglücklichen seiner Sinnes
Art nie haben."

Schleiermacher, der damals Kabinetssekretär des Erbgroßherzogs von
Hessen-Darmstadt war, konnte es nicht schwer fallen, in der gewünschten Weise
seinem Jugendfreunde nützlich zu werden. Das ersehnte Hofrathspatent wurde
nicht allein ausgefertigt, fondern lag sogar vordatirt vom 3. August 1791
bereit.

Aber Kayser konnte sich nicht entschließen, wenigstens nicht so bald, den
neuen Lebensweg zu betreten. Die Gründe mochten schwer wiegend sein, und
im Fall Kayser eine leidliche Lage außerhalb Rußland's fand, mußte Klinger sie
gelten lassen. Wahrscheinlich rechnete Kayser, wenn auch nur im Stillen darauf,
daß Goethe ihn doch noch in eine musikalische Stellung berufen werde. "Ich kann


Kayser's Zukunft uicht günstiger gestalten wollte, zwei seiner alten Jugendbe¬
kannter, Klinger und Schleiermacher.

Lange Zeit hindurch war die Verbindung Klinger's mit Kayser unter¬
brochen gewesen, als Klinger in der neuen Ausgabe seiner Werke seiner ge¬
dachte und ihm sogar seine „Neue Arria" widmete. Bald wären aber auch
seine Bemühungen als gescheitert zu betrachten gewesen, als Kayser den alten
Freund endlich eines Briefes würdigte, der bei aller Eigenthümlichkeit des
Tones nicht verkennen ließ, „daß der Bursche gerade noch war, wie vor 17
Jahren". Aus dieser erneuten Verbindung erwuchs das Streben Klinger's, den
Jugendfreund in eine angemessene Lebensstellung zu bringen. „Kaysern muß
geholfen werden und ich habe ihm geholfen, will ihm noch besser helfen," schreibt
Klinger an Schleiermacher (19. Oktober 1792). „Mein Chef der Graf Anhalt
hat mir einen Platz für ihn zugesagt, der schon sehr gut aushilft; das Mehrere
und Bessere wird sich geben und von ihm abhängen. Zu seinem gegenwärtigen
und künftigen Besten ist nöthig, daß Du ihm ein Patent als Hofrath sogleich
verschaffst, dadurch kommt er gleich in hiesigen Dienst. Er wird in unserm
Hause angestellt werden und Du kannst leicht denken, welche Freude mir dieses
macht. Unumgänglich nothwendig ist es, daß er sich in dein Sprechen der
französischen Sprache unaufhörlich übe. Er braucht sie «.IzsowmkQt zu seinem
gegenwärtigen Plaz und eben fo sehr, wenn er von seinen Talenten in der
Musik die Vortheile ziehen will, die ich ihm versprechen kann."

Klinger schlug vor, daß Schleiermacher Kaysern bei sich aufnehmen, ihn zum
Studium des Französischen, der Geographie und Geschichte anhalten möchte.
„Nur hauptsächlich verschaffe ihm den Rang als Hofrath, im Fall Du ihn bis
zu seiner Abreise aufnehmen willst, so schreibe ihm, daß er gleich komme, damit
er seine fatalen Verhältnisse los werde, sich aufheitere, etwas kühner werde und
mit mehr Muth seinen neuen Weg betrete. Gereuen soll es ihn nie. Nur
flöße ihm Zuversicht ein, denn dies ist es, was die Unglücklichen seiner Sinnes
Art nie haben."

Schleiermacher, der damals Kabinetssekretär des Erbgroßherzogs von
Hessen-Darmstadt war, konnte es nicht schwer fallen, in der gewünschten Weise
seinem Jugendfreunde nützlich zu werden. Das ersehnte Hofrathspatent wurde
nicht allein ausgefertigt, fondern lag sogar vordatirt vom 3. August 1791
bereit.

Aber Kayser konnte sich nicht entschließen, wenigstens nicht so bald, den
neuen Lebensweg zu betreten. Die Gründe mochten schwer wiegend sein, und
im Fall Kayser eine leidliche Lage außerhalb Rußland's fand, mußte Klinger sie
gelten lassen. Wahrscheinlich rechnete Kayser, wenn auch nur im Stillen darauf,
daß Goethe ihn doch noch in eine musikalische Stellung berufen werde. „Ich kann


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[0062] Kayser's Zukunft uicht günstiger gestalten wollte, zwei seiner alten Jugendbe¬ kannter, Klinger und Schleiermacher. Lange Zeit hindurch war die Verbindung Klinger's mit Kayser unter¬ brochen gewesen, als Klinger in der neuen Ausgabe seiner Werke seiner ge¬ dachte und ihm sogar seine „Neue Arria" widmete. Bald wären aber auch seine Bemühungen als gescheitert zu betrachten gewesen, als Kayser den alten Freund endlich eines Briefes würdigte, der bei aller Eigenthümlichkeit des Tones nicht verkennen ließ, „daß der Bursche gerade noch war, wie vor 17 Jahren". Aus dieser erneuten Verbindung erwuchs das Streben Klinger's, den Jugendfreund in eine angemessene Lebensstellung zu bringen. „Kaysern muß geholfen werden und ich habe ihm geholfen, will ihm noch besser helfen," schreibt Klinger an Schleiermacher (19. Oktober 1792). „Mein Chef der Graf Anhalt hat mir einen Platz für ihn zugesagt, der schon sehr gut aushilft; das Mehrere und Bessere wird sich geben und von ihm abhängen. Zu seinem gegenwärtigen und künftigen Besten ist nöthig, daß Du ihm ein Patent als Hofrath sogleich verschaffst, dadurch kommt er gleich in hiesigen Dienst. Er wird in unserm Hause angestellt werden und Du kannst leicht denken, welche Freude mir dieses macht. Unumgänglich nothwendig ist es, daß er sich in dein Sprechen der französischen Sprache unaufhörlich übe. Er braucht sie «.IzsowmkQt zu seinem gegenwärtigen Plaz und eben fo sehr, wenn er von seinen Talenten in der Musik die Vortheile ziehen will, die ich ihm versprechen kann." Klinger schlug vor, daß Schleiermacher Kaysern bei sich aufnehmen, ihn zum Studium des Französischen, der Geographie und Geschichte anhalten möchte. „Nur hauptsächlich verschaffe ihm den Rang als Hofrath, im Fall Du ihn bis zu seiner Abreise aufnehmen willst, so schreibe ihm, daß er gleich komme, damit er seine fatalen Verhältnisse los werde, sich aufheitere, etwas kühner werde und mit mehr Muth seinen neuen Weg betrete. Gereuen soll es ihn nie. Nur flöße ihm Zuversicht ein, denn dies ist es, was die Unglücklichen seiner Sinnes Art nie haben." Schleiermacher, der damals Kabinetssekretär des Erbgroßherzogs von Hessen-Darmstadt war, konnte es nicht schwer fallen, in der gewünschten Weise seinem Jugendfreunde nützlich zu werden. Das ersehnte Hofrathspatent wurde nicht allein ausgefertigt, fondern lag sogar vordatirt vom 3. August 1791 bereit. Aber Kayser konnte sich nicht entschließen, wenigstens nicht so bald, den neuen Lebensweg zu betreten. Die Gründe mochten schwer wiegend sein, und im Fall Kayser eine leidliche Lage außerhalb Rußland's fand, mußte Klinger sie gelten lassen. Wahrscheinlich rechnete Kayser, wenn auch nur im Stillen darauf, daß Goethe ihn doch noch in eine musikalische Stellung berufen werde. „Ich kann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/62>, abgerufen am 27.09.2024.