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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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der Selbstverwaltungsrechte der Stühle, Distrikte und Städte des Königsbodens,
der Organisirung ihrer Vertretungskörper und der Feststellung des Wirkungs¬
kreises der sächsischen Nationsuniversität "mit Anhörung der Betreffenden einen
solchen Gesetzentwurf vorzulegen, der sowohl die auf Gesetzen und Verträgen
beruhenden Rechte als auch "die Rechtsgleichheit aller dieses Territorium be¬
wohnenden Staatsbürger gehörig zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen
hat." "Die sächsische Nationsuniversität wird auch weiterhin in ihrem Wir¬
kungskreise belassen", naturgemäß unter Oberaufsicht der Regierung. Nur die
gerichtlichen Befugnisse sollten wie überall in Ungarn an die königlichen Ge¬
richtshöfe übergehen. Ohne Frage verpflichtete dies Gesetz die ungarische
Regierung, die Integrität des Königsbodens, ohne welche er überhaupt zu exi-
stiren aufhörte, auch fernerhin unangetastet zu lassen und der Universität die
bisher von ihr ausgeübten Verwaltungs-Kompetenzen -- mit alleiniger Aus¬
nahme der gerichtlichen -- nicht zu entziehen. Bindender, unzweideutiger konnte
sie sich nicht dazu verpflichten.

Doch das versprochene Gesetz ließ auf sich warten. Nur eine Aenderung
erfolgte: im Februar 1868 wurde der bisherige Graf der sächsischen Nation
plötzlich pensionirt und durch einen Regierungsbeamten ersetzt; das altehrwürdige
Amt selbst blieb bestehen. Aber noch 1870 erneuerte die Regierung gelegent¬
lich der Regelung der Komitats-Verwaltung das Versprechen eines besonderen
Gesetzes.

Wenige Jahre später belehrte der Entwurf, den der Minister des Inneren
Graf Szap^ry dem ungarischen Reichstage vorlegte, wie das magyarische Regi¬
ment die Verpflichtung des Jahres 1868 zu erfüllen gedenke. Der Entwurf
zerriß die Einheit des sächsischen Territoriums und verkoppelte die aufgelösten
Theile mit magyarischen und romanischen Bezirken zu neuen Komitaten. Als
die Nationsuniversität, wie sie mußte, auf Grund des Gesetzes von 1868 gegen
ein solches Vorgehen Protest erhob (19. Dezember 1873), vernichtete eine ein¬
fache Ministeriell - Verordnung (27. Januar 1874) ihr noch in voller Geltung
stehendes, weil niemals gesetzlich aufgehobenes Recht, über allgemeine An¬
gelegenheiten sich vernehmen zu lasten, und sie wurde geschlossen. Eine Jnter¬
pellation der sächsischen Abgeordneten in Pest, eine Petition der bedeutendsten
sächsischen Städte und der Kreisversammlungen um Versetzung des Ministers
in den Anklagezustand verhallten natürlich ungehört. Ja auf die erstere erklärte
der Minister unter dem Beifalle der magyarischen Mehrheit rund heraus: er
werde nicht dulden, daß den Sachsen eine eigene Organisation und ein eigenes
Territorium sowie der Gebrauch einer andern amtlichen als der magyarischen
Sprache gestattet werde (23. Februar). Daß dem gewisse Versprechungen


der Selbstverwaltungsrechte der Stühle, Distrikte und Städte des Königsbodens,
der Organisirung ihrer Vertretungskörper und der Feststellung des Wirkungs¬
kreises der sächsischen Nationsuniversität „mit Anhörung der Betreffenden einen
solchen Gesetzentwurf vorzulegen, der sowohl die auf Gesetzen und Verträgen
beruhenden Rechte als auch "die Rechtsgleichheit aller dieses Territorium be¬
wohnenden Staatsbürger gehörig zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen
hat." „Die sächsische Nationsuniversität wird auch weiterhin in ihrem Wir¬
kungskreise belassen", naturgemäß unter Oberaufsicht der Regierung. Nur die
gerichtlichen Befugnisse sollten wie überall in Ungarn an die königlichen Ge¬
richtshöfe übergehen. Ohne Frage verpflichtete dies Gesetz die ungarische
Regierung, die Integrität des Königsbodens, ohne welche er überhaupt zu exi-
stiren aufhörte, auch fernerhin unangetastet zu lassen und der Universität die
bisher von ihr ausgeübten Verwaltungs-Kompetenzen — mit alleiniger Aus¬
nahme der gerichtlichen — nicht zu entziehen. Bindender, unzweideutiger konnte
sie sich nicht dazu verpflichten.

Doch das versprochene Gesetz ließ auf sich warten. Nur eine Aenderung
erfolgte: im Februar 1868 wurde der bisherige Graf der sächsischen Nation
plötzlich pensionirt und durch einen Regierungsbeamten ersetzt; das altehrwürdige
Amt selbst blieb bestehen. Aber noch 1870 erneuerte die Regierung gelegent¬
lich der Regelung der Komitats-Verwaltung das Versprechen eines besonderen
Gesetzes.

Wenige Jahre später belehrte der Entwurf, den der Minister des Inneren
Graf Szap^ry dem ungarischen Reichstage vorlegte, wie das magyarische Regi¬
ment die Verpflichtung des Jahres 1868 zu erfüllen gedenke. Der Entwurf
zerriß die Einheit des sächsischen Territoriums und verkoppelte die aufgelösten
Theile mit magyarischen und romanischen Bezirken zu neuen Komitaten. Als
die Nationsuniversität, wie sie mußte, auf Grund des Gesetzes von 1868 gegen
ein solches Vorgehen Protest erhob (19. Dezember 1873), vernichtete eine ein¬
fache Ministeriell - Verordnung (27. Januar 1874) ihr noch in voller Geltung
stehendes, weil niemals gesetzlich aufgehobenes Recht, über allgemeine An¬
gelegenheiten sich vernehmen zu lasten, und sie wurde geschlossen. Eine Jnter¬
pellation der sächsischen Abgeordneten in Pest, eine Petition der bedeutendsten
sächsischen Städte und der Kreisversammlungen um Versetzung des Ministers
in den Anklagezustand verhallten natürlich ungehört. Ja auf die erstere erklärte
der Minister unter dem Beifalle der magyarischen Mehrheit rund heraus: er
werde nicht dulden, daß den Sachsen eine eigene Organisation und ein eigenes
Territorium sowie der Gebrauch einer andern amtlichen als der magyarischen
Sprache gestattet werde (23. Februar). Daß dem gewisse Versprechungen


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[0412] der Selbstverwaltungsrechte der Stühle, Distrikte und Städte des Königsbodens, der Organisirung ihrer Vertretungskörper und der Feststellung des Wirkungs¬ kreises der sächsischen Nationsuniversität „mit Anhörung der Betreffenden einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen, der sowohl die auf Gesetzen und Verträgen beruhenden Rechte als auch "die Rechtsgleichheit aller dieses Territorium be¬ wohnenden Staatsbürger gehörig zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen hat." „Die sächsische Nationsuniversität wird auch weiterhin in ihrem Wir¬ kungskreise belassen", naturgemäß unter Oberaufsicht der Regierung. Nur die gerichtlichen Befugnisse sollten wie überall in Ungarn an die königlichen Ge¬ richtshöfe übergehen. Ohne Frage verpflichtete dies Gesetz die ungarische Regierung, die Integrität des Königsbodens, ohne welche er überhaupt zu exi- stiren aufhörte, auch fernerhin unangetastet zu lassen und der Universität die bisher von ihr ausgeübten Verwaltungs-Kompetenzen — mit alleiniger Aus¬ nahme der gerichtlichen — nicht zu entziehen. Bindender, unzweideutiger konnte sie sich nicht dazu verpflichten. Doch das versprochene Gesetz ließ auf sich warten. Nur eine Aenderung erfolgte: im Februar 1868 wurde der bisherige Graf der sächsischen Nation plötzlich pensionirt und durch einen Regierungsbeamten ersetzt; das altehrwürdige Amt selbst blieb bestehen. Aber noch 1870 erneuerte die Regierung gelegent¬ lich der Regelung der Komitats-Verwaltung das Versprechen eines besonderen Gesetzes. Wenige Jahre später belehrte der Entwurf, den der Minister des Inneren Graf Szap^ry dem ungarischen Reichstage vorlegte, wie das magyarische Regi¬ ment die Verpflichtung des Jahres 1868 zu erfüllen gedenke. Der Entwurf zerriß die Einheit des sächsischen Territoriums und verkoppelte die aufgelösten Theile mit magyarischen und romanischen Bezirken zu neuen Komitaten. Als die Nationsuniversität, wie sie mußte, auf Grund des Gesetzes von 1868 gegen ein solches Vorgehen Protest erhob (19. Dezember 1873), vernichtete eine ein¬ fache Ministeriell - Verordnung (27. Januar 1874) ihr noch in voller Geltung stehendes, weil niemals gesetzlich aufgehobenes Recht, über allgemeine An¬ gelegenheiten sich vernehmen zu lasten, und sie wurde geschlossen. Eine Jnter¬ pellation der sächsischen Abgeordneten in Pest, eine Petition der bedeutendsten sächsischen Städte und der Kreisversammlungen um Versetzung des Ministers in den Anklagezustand verhallten natürlich ungehört. Ja auf die erstere erklärte der Minister unter dem Beifalle der magyarischen Mehrheit rund heraus: er werde nicht dulden, daß den Sachsen eine eigene Organisation und ein eigenes Territorium sowie der Gebrauch einer andern amtlichen als der magyarischen Sprache gestattet werde (23. Februar). Daß dem gewisse Versprechungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/412>, abgerufen am 27.09.2024.