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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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erkennen kann, andre hatten mir angezeigt dass ich fehlte, diese zeigten mir wie
ichs besser machen sollte."

Diese Dankesworte des jungen Goethe werden nichts von ihrem Glanz
und ihrer Wärme verlieren, wenn auch die Kunstgeschichte über Oeser's eigene
Leistungen noch so geringschätzig urtheilen müßte. Wie er das ganze Kunst¬
leben Leipzig's am Ende des vorigen Jahrhunderts beherrschte, so waren auch
an der Akademie die Jahrzehnte seiner Leitung eine Zeit der emsigsten Kunst¬
betriebsamkeit. Während er selbst in öffentlichen und Privatgebäuden Leipzig's
und der Umgegend unzählige Wandmalereien ausführte, erzog er zugleich
Maler, Kupferstecher, Bildhauer, Goldschmiede und Schlosser; und der Blumen¬
zeichner aus der Kattunfabrik so gut wie der Zuckerbäcker, kurz alle, deren
Handwerk sich mit der Zeichenkunst berührte, suchten seinen Unterricht, und
allen ging er mit unerschöpflicher Liebenswürdigkeit an die Hand.

Auf der Höhe, auf welcher die Akademie unter Oeser gestanden, hat sie
sich unter keinem seiner Nachfolger gehalten; sie ging Schritt für Schritt bergab.*)
Joh. Friedr. Aug. Tischbein (f 1812) konnte sich wegen vielfacher Reisen seinen
Amtsgeschäften nicht recht widmen. Hans Veit Schmorr v. Carolsfeld (f 1841),
der Vater des großen Historienmalers, besaß selbst nur mäßige künstlerische
Kräfte und vermochte, trotz seiner Hingabe an die Sache, doch die Anstalt
ebenfalls nicht durchgreifend zu fördern. Berus. Ueber war nur von 1842
bis 1846 thätig und folgte dann einem Rufe an die Kunstschule in Stuttgart.
Gustav Jäger endlich, der zuletzt die Leitung führte, war -- wie der von uns
in der Anmerkung erwähnte Aufsatz ihn ebenso einsichtig wie pietätvoll charakte-
risirt -- "als Zögling der älteren Münchener Schule und bei seinem zarten
Naturell wenig dazu geschaffen, um in den Umschwung der modernen Kunst¬
anschauungen und Kunstbedürfnisse lenkend einzugreifen, der sich während seiner
Verwaltungszeit unter der jüngeren Generation vollzog. Still und innerlich,
wie sein ganzes Schaffen war, wirkte Jäger auch nur in engster persönlicher
Beziehung, und so überaus förderlich daher Einzelnen das Beispiel seiner hohen
Gewissenhaftigkeit und seiner Treue gegen sich selbst sein mußte, so verfehlten
doch diese keuschen Eigenschaften die Wirkung auf die Gesammtheit".

Ein frischerer Zug kam in die Akademie, als der gegenwärtige Direktor
derselben, Prof. Ludwig Nieper, nach Jäger's Tode (1871) die Leitung der
Anstalt übernahm. Nieper, ein geborner Braunschweiger, ist im wesentlichen
auf der Dresdner Akademie gebildet, wo er sich hauptsächlich an Bendemann
anschloß; durch einen längeren Aufenthalt in Italien vollendete er dann seine



*) Wir entnehmen die nachfolgenden Daten einem gut unterrichteten Aufsatz der
"Kunstchronik" (1374, Ur. 46).

erkennen kann, andre hatten mir angezeigt dass ich fehlte, diese zeigten mir wie
ichs besser machen sollte."

Diese Dankesworte des jungen Goethe werden nichts von ihrem Glanz
und ihrer Wärme verlieren, wenn auch die Kunstgeschichte über Oeser's eigene
Leistungen noch so geringschätzig urtheilen müßte. Wie er das ganze Kunst¬
leben Leipzig's am Ende des vorigen Jahrhunderts beherrschte, so waren auch
an der Akademie die Jahrzehnte seiner Leitung eine Zeit der emsigsten Kunst¬
betriebsamkeit. Während er selbst in öffentlichen und Privatgebäuden Leipzig's
und der Umgegend unzählige Wandmalereien ausführte, erzog er zugleich
Maler, Kupferstecher, Bildhauer, Goldschmiede und Schlosser; und der Blumen¬
zeichner aus der Kattunfabrik so gut wie der Zuckerbäcker, kurz alle, deren
Handwerk sich mit der Zeichenkunst berührte, suchten seinen Unterricht, und
allen ging er mit unerschöpflicher Liebenswürdigkeit an die Hand.

Auf der Höhe, auf welcher die Akademie unter Oeser gestanden, hat sie
sich unter keinem seiner Nachfolger gehalten; sie ging Schritt für Schritt bergab.*)
Joh. Friedr. Aug. Tischbein (f 1812) konnte sich wegen vielfacher Reisen seinen
Amtsgeschäften nicht recht widmen. Hans Veit Schmorr v. Carolsfeld (f 1841),
der Vater des großen Historienmalers, besaß selbst nur mäßige künstlerische
Kräfte und vermochte, trotz seiner Hingabe an die Sache, doch die Anstalt
ebenfalls nicht durchgreifend zu fördern. Berus. Ueber war nur von 1842
bis 1846 thätig und folgte dann einem Rufe an die Kunstschule in Stuttgart.
Gustav Jäger endlich, der zuletzt die Leitung führte, war — wie der von uns
in der Anmerkung erwähnte Aufsatz ihn ebenso einsichtig wie pietätvoll charakte-
risirt — „als Zögling der älteren Münchener Schule und bei seinem zarten
Naturell wenig dazu geschaffen, um in den Umschwung der modernen Kunst¬
anschauungen und Kunstbedürfnisse lenkend einzugreifen, der sich während seiner
Verwaltungszeit unter der jüngeren Generation vollzog. Still und innerlich,
wie sein ganzes Schaffen war, wirkte Jäger auch nur in engster persönlicher
Beziehung, und so überaus förderlich daher Einzelnen das Beispiel seiner hohen
Gewissenhaftigkeit und seiner Treue gegen sich selbst sein mußte, so verfehlten
doch diese keuschen Eigenschaften die Wirkung auf die Gesammtheit".

Ein frischerer Zug kam in die Akademie, als der gegenwärtige Direktor
derselben, Prof. Ludwig Nieper, nach Jäger's Tode (1871) die Leitung der
Anstalt übernahm. Nieper, ein geborner Braunschweiger, ist im wesentlichen
auf der Dresdner Akademie gebildet, wo er sich hauptsächlich an Bendemann
anschloß; durch einen längeren Aufenthalt in Italien vollendete er dann seine



*) Wir entnehmen die nachfolgenden Daten einem gut unterrichteten Aufsatz der
„Kunstchronik" (1374, Ur. 46).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/336>, abgerufen am 27.09.2024.