Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

ziehn; ich seh' dich, stolzer Feind! den kleinen Haufen fliehn, und find' Ehr
oder Tod im rasenden Getümmel."

Lessing lernte ihn gleich nach seiner Ankunft kennen, da Kleist einige
Tage bettlägerig war, und es entspann sich zwischen den beiden lebensfroher
und tüchtigen Männern eine Freundschaft, wie sie Lessing nicht wieder gekannt
hat. Aber der Umgang mit preußischen Offizieren machte ihn den Leipzigern
verdächtig, er galt als leidenschaftlicher Anhänger Friedrich's.

Am 6. Mai erfocht der König den neuen großen Sieg bei Prag. Nun
waren auch die Kaiserlichen geworfen, das Ziel des Krieges schien sich zu er¬
weitern.

"Sie verlangen von mir," schreibt Lessing am 10. Mai 1757 an Gleim,
"eine Ode auf Ihren König?" Er will sie versuchen.

"Dir fehlt weder die Gabe, den Helden zu singen, noch der Held. Der
Held ist dein König. -- Zwar sang deine frohe Jugend, bekränzt vom rosen-
wangigen Bacchus, nur von feindlichen Mädchen, nur vom streitbaren Kelch¬
glas; doch bist du nicht fremd im Lager, nicht fremd vor den feindlichen
Wällen, unter brausenden Rossen. Was hält dich noch? -- Singe ihn, deinen
König! deinen tapferen doch menschlichen, deinen schlauen doch edel denkenden
Friedrich. Sing' ihn an der Spitze seines Heers, an der Spitze ihm ähn¬
licher Helden, soweit Menschen den Göttern ähnlich sein können. Singe ihn
im Dampf der Schlacht, sowie die Sonne unter den Wolken ihren Glanz,
aber nicht ihren Einfluß verliert. Sing' ihn mit dem Kranze des Siegs,
tiefsinnig auf dem Schlachtfeld, mit thränenden Augen unter den Leichnamen
seiner Gefährten!"

"Ich will indeß mit äsopischer Schüchternheit, ein Freund der Thiere,
stillere Weisheit lehren. -- Ein Mährchen vom blutigen Tiger, der, als der
sorglose Hirt mit Chloris und der Echo scherzte, die arme Heerde würgte und
zerstreute. Unglücklicher Hirt! wann wirst du die zerstreuten Lämmer wieder
um dich sammeln! wie rufen sie so ängstlich im Dorngeheck nach dir!" --

Gleichviel! -- "Wie froh werde ich sein," setzt er in Prosa hinzu, "wenn
ich wieder in Berlin bin, wo ich nicht länger nöthig haben werde, es meinen
Bekannten nnr in's Ohr zu sagen, daß der König von Preußen dennoch ein
großer König ist!"

In einer andern Ode, an Kleist, parodirt er Klop stock's Elegie an
Ebert. -- "Wenn auch ich nicht mehr bin, ich, deiner Freunde spätester, der ich,
mit dieser Welt weit besser zufrieden als sie mit mir, noch sehr lange zu leben
gedenke . . . dann erst, o Kleist! geschehe mit dir, was mit uns allen ge¬
schieht! Dann stirbst du, aber eines edlern Todes: für deinen König, für
dein Vaterland, und wie Schwerin. O des beneidenswürdigen Helden! Als


Grenzboten II. 1379. 33

ziehn; ich seh' dich, stolzer Feind! den kleinen Haufen fliehn, und find' Ehr
oder Tod im rasenden Getümmel."

Lessing lernte ihn gleich nach seiner Ankunft kennen, da Kleist einige
Tage bettlägerig war, und es entspann sich zwischen den beiden lebensfroher
und tüchtigen Männern eine Freundschaft, wie sie Lessing nicht wieder gekannt
hat. Aber der Umgang mit preußischen Offizieren machte ihn den Leipzigern
verdächtig, er galt als leidenschaftlicher Anhänger Friedrich's.

Am 6. Mai erfocht der König den neuen großen Sieg bei Prag. Nun
waren auch die Kaiserlichen geworfen, das Ziel des Krieges schien sich zu er¬
weitern.

„Sie verlangen von mir," schreibt Lessing am 10. Mai 1757 an Gleim,
»eine Ode auf Ihren König?" Er will sie versuchen.

„Dir fehlt weder die Gabe, den Helden zu singen, noch der Held. Der
Held ist dein König. — Zwar sang deine frohe Jugend, bekränzt vom rosen-
wangigen Bacchus, nur von feindlichen Mädchen, nur vom streitbaren Kelch¬
glas; doch bist du nicht fremd im Lager, nicht fremd vor den feindlichen
Wällen, unter brausenden Rossen. Was hält dich noch? — Singe ihn, deinen
König! deinen tapferen doch menschlichen, deinen schlauen doch edel denkenden
Friedrich. Sing' ihn an der Spitze seines Heers, an der Spitze ihm ähn¬
licher Helden, soweit Menschen den Göttern ähnlich sein können. Singe ihn
im Dampf der Schlacht, sowie die Sonne unter den Wolken ihren Glanz,
aber nicht ihren Einfluß verliert. Sing' ihn mit dem Kranze des Siegs,
tiefsinnig auf dem Schlachtfeld, mit thränenden Augen unter den Leichnamen
seiner Gefährten!"

„Ich will indeß mit äsopischer Schüchternheit, ein Freund der Thiere,
stillere Weisheit lehren. — Ein Mährchen vom blutigen Tiger, der, als der
sorglose Hirt mit Chloris und der Echo scherzte, die arme Heerde würgte und
zerstreute. Unglücklicher Hirt! wann wirst du die zerstreuten Lämmer wieder
um dich sammeln! wie rufen sie so ängstlich im Dorngeheck nach dir!" —

Gleichviel! — „Wie froh werde ich sein," setzt er in Prosa hinzu, „wenn
ich wieder in Berlin bin, wo ich nicht länger nöthig haben werde, es meinen
Bekannten nnr in's Ohr zu sagen, daß der König von Preußen dennoch ein
großer König ist!"

In einer andern Ode, an Kleist, parodirt er Klop stock's Elegie an
Ebert. — „Wenn auch ich nicht mehr bin, ich, deiner Freunde spätester, der ich,
mit dieser Welt weit besser zufrieden als sie mit mir, noch sehr lange zu leben
gedenke . . . dann erst, o Kleist! geschehe mit dir, was mit uns allen ge¬
schieht! Dann stirbst du, aber eines edlern Todes: für deinen König, für
dein Vaterland, und wie Schwerin. O des beneidenswürdigen Helden! Als


Grenzboten II. 1379. 33
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/142212"/>
          <p xml:id="ID_717" prev="#ID_716"> ziehn; ich seh' dich, stolzer Feind! den kleinen Haufen fliehn, und find' Ehr<lb/>
oder Tod im rasenden Getümmel."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_718"> Lessing lernte ihn gleich nach seiner Ankunft kennen, da Kleist einige<lb/>
Tage bettlägerig war, und es entspann sich zwischen den beiden lebensfroher<lb/>
und tüchtigen Männern eine Freundschaft, wie sie Lessing nicht wieder gekannt<lb/>
hat. Aber der Umgang mit preußischen Offizieren machte ihn den Leipzigern<lb/>
verdächtig, er galt als leidenschaftlicher Anhänger Friedrich's.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_719"> Am 6. Mai erfocht der König den neuen großen Sieg bei Prag. Nun<lb/>
waren auch die Kaiserlichen geworfen, das Ziel des Krieges schien sich zu er¬<lb/>
weitern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_720"> &#x201E;Sie verlangen von mir," schreibt Lessing am 10. Mai 1757 an Gleim,<lb/>
»eine Ode auf Ihren König?" Er will sie versuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_721"> &#x201E;Dir fehlt weder die Gabe, den Helden zu singen, noch der Held. Der<lb/>
Held ist dein König. &#x2014; Zwar sang deine frohe Jugend, bekränzt vom rosen-<lb/>
wangigen Bacchus, nur von feindlichen Mädchen, nur vom streitbaren Kelch¬<lb/>
glas; doch bist du nicht fremd im Lager, nicht fremd vor den feindlichen<lb/>
Wällen, unter brausenden Rossen. Was hält dich noch? &#x2014; Singe ihn, deinen<lb/>
König! deinen tapferen doch menschlichen, deinen schlauen doch edel denkenden<lb/>
Friedrich. Sing' ihn an der Spitze seines Heers, an der Spitze ihm ähn¬<lb/>
licher Helden, soweit Menschen den Göttern ähnlich sein können. Singe ihn<lb/>
im Dampf der Schlacht, sowie die Sonne unter den Wolken ihren Glanz,<lb/>
aber nicht ihren Einfluß verliert. Sing' ihn mit dem Kranze des Siegs,<lb/>
tiefsinnig auf dem Schlachtfeld, mit thränenden Augen unter den Leichnamen<lb/>
seiner Gefährten!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_722"> &#x201E;Ich will indeß mit äsopischer Schüchternheit, ein Freund der Thiere,<lb/>
stillere Weisheit lehren. &#x2014; Ein Mährchen vom blutigen Tiger, der, als der<lb/>
sorglose Hirt mit Chloris und der Echo scherzte, die arme Heerde würgte und<lb/>
zerstreute. Unglücklicher Hirt! wann wirst du die zerstreuten Lämmer wieder<lb/>
um dich sammeln! wie rufen sie so ängstlich im Dorngeheck nach dir!" &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_723"> Gleichviel! &#x2014; &#x201E;Wie froh werde ich sein," setzt er in Prosa hinzu, &#x201E;wenn<lb/>
ich wieder in Berlin bin, wo ich nicht länger nöthig haben werde, es meinen<lb/>
Bekannten nnr in's Ohr zu sagen, daß der König von Preußen dennoch ein<lb/>
großer König ist!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_724" next="#ID_725"> In einer andern Ode, an Kleist, parodirt er Klop stock's Elegie an<lb/>
Ebert. &#x2014; &#x201E;Wenn auch ich nicht mehr bin, ich, deiner Freunde spätester, der ich,<lb/>
mit dieser Welt weit besser zufrieden als sie mit mir, noch sehr lange zu leben<lb/>
gedenke . . . dann erst, o Kleist! geschehe mit dir, was mit uns allen ge¬<lb/>
schieht! Dann stirbst du, aber eines edlern Todes: für deinen König, für<lb/>
dein Vaterland, und wie Schwerin. O des beneidenswürdigen Helden! Als</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1379. 33</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0257] ziehn; ich seh' dich, stolzer Feind! den kleinen Haufen fliehn, und find' Ehr oder Tod im rasenden Getümmel." Lessing lernte ihn gleich nach seiner Ankunft kennen, da Kleist einige Tage bettlägerig war, und es entspann sich zwischen den beiden lebensfroher und tüchtigen Männern eine Freundschaft, wie sie Lessing nicht wieder gekannt hat. Aber der Umgang mit preußischen Offizieren machte ihn den Leipzigern verdächtig, er galt als leidenschaftlicher Anhänger Friedrich's. Am 6. Mai erfocht der König den neuen großen Sieg bei Prag. Nun waren auch die Kaiserlichen geworfen, das Ziel des Krieges schien sich zu er¬ weitern. „Sie verlangen von mir," schreibt Lessing am 10. Mai 1757 an Gleim, »eine Ode auf Ihren König?" Er will sie versuchen. „Dir fehlt weder die Gabe, den Helden zu singen, noch der Held. Der Held ist dein König. — Zwar sang deine frohe Jugend, bekränzt vom rosen- wangigen Bacchus, nur von feindlichen Mädchen, nur vom streitbaren Kelch¬ glas; doch bist du nicht fremd im Lager, nicht fremd vor den feindlichen Wällen, unter brausenden Rossen. Was hält dich noch? — Singe ihn, deinen König! deinen tapferen doch menschlichen, deinen schlauen doch edel denkenden Friedrich. Sing' ihn an der Spitze seines Heers, an der Spitze ihm ähn¬ licher Helden, soweit Menschen den Göttern ähnlich sein können. Singe ihn im Dampf der Schlacht, sowie die Sonne unter den Wolken ihren Glanz, aber nicht ihren Einfluß verliert. Sing' ihn mit dem Kranze des Siegs, tiefsinnig auf dem Schlachtfeld, mit thränenden Augen unter den Leichnamen seiner Gefährten!" „Ich will indeß mit äsopischer Schüchternheit, ein Freund der Thiere, stillere Weisheit lehren. — Ein Mährchen vom blutigen Tiger, der, als der sorglose Hirt mit Chloris und der Echo scherzte, die arme Heerde würgte und zerstreute. Unglücklicher Hirt! wann wirst du die zerstreuten Lämmer wieder um dich sammeln! wie rufen sie so ängstlich im Dorngeheck nach dir!" — Gleichviel! — „Wie froh werde ich sein," setzt er in Prosa hinzu, „wenn ich wieder in Berlin bin, wo ich nicht länger nöthig haben werde, es meinen Bekannten nnr in's Ohr zu sagen, daß der König von Preußen dennoch ein großer König ist!" In einer andern Ode, an Kleist, parodirt er Klop stock's Elegie an Ebert. — „Wenn auch ich nicht mehr bin, ich, deiner Freunde spätester, der ich, mit dieser Welt weit besser zufrieden als sie mit mir, noch sehr lange zu leben gedenke . . . dann erst, o Kleist! geschehe mit dir, was mit uns allen ge¬ schieht! Dann stirbst du, aber eines edlern Todes: für deinen König, für dein Vaterland, und wie Schwerin. O des beneidenswürdigen Helden! Als Grenzboten II. 1379. 33

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/257
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/257>, abgerufen am 27.09.2024.