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Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal.

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fangen nach schon im Thiere aufgewiesen; dabei wird der Gottesbegriff nicht
verneint, aber in ihm nnr die Idee einer geheimnißvollen Urkraft des Univer¬
sums, die schlechthin unerkennbar sei und in keiner Weise in den Gang des
Natur- und Menschenlebens fürsorgend und regierend eingreife, hineingelegt.

Verfolgen wir die Aufnahme, die der Darwinismus in den verschiedenen
Ländern gefunden hat, so gelangen wir zu dem Ergebniß, daß in England
die hervorragendsten Kapazitäten auf der Seite Darwin's stehen, dagegen
in Nordamerika eher die Gegner desselben das Uebergewicht besitzen, eine That¬
sache, die namentlich ans dem großen Einfluß von Agassiz, dem Vertreter der
UnVeränderlichkeit der Arten, sich erklärt. Auch in Frankreich fand der Dar¬
winismus mehr Widerspruch als Beifall. Die am tiefsten eingreifenden Be¬
wegungen hat er in Deutschland hervorgerufen. Vier Hauptgruppen lassen
sich hier unterscheiden.. Zu den entschiedensten Gegnern gehört eine Anzahl
von Forschern, die, aller naturphilosophischen Spekulation abgeneigt, schon des¬
halb der Deszendenzlehre abhold sind, weil sie in ihr eine Rückkehr zu den
Philosophieen der Schelling'schen Schule zu erkennen glauben; so Burmeister,
Giebel, Ehrenberg, Griesebach, Schimper, Wappäus, Bastian, Göppert, Barcmde,
v. Dechen, Fraas, Pfaff. Sodann finden wir Vertreter einer philosophisch
gemilderten und mildernden Arteukonstanzlehre in N. Wagner, Wigand, Kölliker,
Heer, v. Baer, Braun, Quenstedt, Vvlkmann, Bischofs. Als Darwinianer mit
Vorbehalt erscheinen Virchow, Carus, Leuckart, Semper, His, Goette, Henke,
Möbius, Dohre, Weismann, H. Hofmann in Gießen, Helmholtz, M. Wagner,
Nägeli, Hofmeister, Sachs, Askenasy. Weiter gelangen wir zu den Dogma¬
tikern des Darwinismus oder richtiger zu den Männern, die, ihn überbietend,
sich von allen religiösen und teleologischen Bestandtheilen, die derselbe noch in sich
trug, frei gemacht haben und eine rein mechanische Naturerklärung vertreten,
den Verkündern des sogenannten "Monismus". An der Spitze dieser Bewegung
steht Häckel, der übrigens neuerdings dem Monismus eine spiritualistische
Färbung gegeben hat, indem er jeder Zelle eine besondere Seele zuerkennt.
Die Phantasie, die in seinem System eine große Rolle spielt, hat ihm schon
viele Zurechtweisungen von exakten Forschern eingetragen. K. Vogt hat seine
Thierstammbäume mit den an die Helden von Troja anknüpfenden Adels-
genealogieen des Mittelalters verglichen. Dubois-Reymond hat spöttisch ihm
zugerufen: "Will ich einmal einen Roman lesen, so weiß ich mir etwas
Besseres als Schöpfungsgeschichte", und Virchow hat erklärt: "Es ist noch nicht
gelungen, die Gesellschaft Kohlenstoff und Kompagnie bei der Gründung der
Ptastidnlenseele auch nur als Problem bestätigt darzustellen."

Mit Uebergehung der folgenden, weniger wichtigen Themen gewidmeten
Abschnitte wenden wir uns endlich zu den die Kritik des Darwinismus ent-


fangen nach schon im Thiere aufgewiesen; dabei wird der Gottesbegriff nicht
verneint, aber in ihm nnr die Idee einer geheimnißvollen Urkraft des Univer¬
sums, die schlechthin unerkennbar sei und in keiner Weise in den Gang des
Natur- und Menschenlebens fürsorgend und regierend eingreife, hineingelegt.

Verfolgen wir die Aufnahme, die der Darwinismus in den verschiedenen
Ländern gefunden hat, so gelangen wir zu dem Ergebniß, daß in England
die hervorragendsten Kapazitäten auf der Seite Darwin's stehen, dagegen
in Nordamerika eher die Gegner desselben das Uebergewicht besitzen, eine That¬
sache, die namentlich ans dem großen Einfluß von Agassiz, dem Vertreter der
UnVeränderlichkeit der Arten, sich erklärt. Auch in Frankreich fand der Dar¬
winismus mehr Widerspruch als Beifall. Die am tiefsten eingreifenden Be¬
wegungen hat er in Deutschland hervorgerufen. Vier Hauptgruppen lassen
sich hier unterscheiden.. Zu den entschiedensten Gegnern gehört eine Anzahl
von Forschern, die, aller naturphilosophischen Spekulation abgeneigt, schon des¬
halb der Deszendenzlehre abhold sind, weil sie in ihr eine Rückkehr zu den
Philosophieen der Schelling'schen Schule zu erkennen glauben; so Burmeister,
Giebel, Ehrenberg, Griesebach, Schimper, Wappäus, Bastian, Göppert, Barcmde,
v. Dechen, Fraas, Pfaff. Sodann finden wir Vertreter einer philosophisch
gemilderten und mildernden Arteukonstanzlehre in N. Wagner, Wigand, Kölliker,
Heer, v. Baer, Braun, Quenstedt, Vvlkmann, Bischofs. Als Darwinianer mit
Vorbehalt erscheinen Virchow, Carus, Leuckart, Semper, His, Goette, Henke,
Möbius, Dohre, Weismann, H. Hofmann in Gießen, Helmholtz, M. Wagner,
Nägeli, Hofmeister, Sachs, Askenasy. Weiter gelangen wir zu den Dogma¬
tikern des Darwinismus oder richtiger zu den Männern, die, ihn überbietend,
sich von allen religiösen und teleologischen Bestandtheilen, die derselbe noch in sich
trug, frei gemacht haben und eine rein mechanische Naturerklärung vertreten,
den Verkündern des sogenannten „Monismus". An der Spitze dieser Bewegung
steht Häckel, der übrigens neuerdings dem Monismus eine spiritualistische
Färbung gegeben hat, indem er jeder Zelle eine besondere Seele zuerkennt.
Die Phantasie, die in seinem System eine große Rolle spielt, hat ihm schon
viele Zurechtweisungen von exakten Forschern eingetragen. K. Vogt hat seine
Thierstammbäume mit den an die Helden von Troja anknüpfenden Adels-
genealogieen des Mittelalters verglichen. Dubois-Reymond hat spöttisch ihm
zugerufen: „Will ich einmal einen Roman lesen, so weiß ich mir etwas
Besseres als Schöpfungsgeschichte", und Virchow hat erklärt: „Es ist noch nicht
gelungen, die Gesellschaft Kohlenstoff und Kompagnie bei der Gründung der
Ptastidnlenseele auch nur als Problem bestätigt darzustellen."

Mit Uebergehung der folgenden, weniger wichtigen Themen gewidmeten
Abschnitte wenden wir uns endlich zu den die Kritik des Darwinismus ent-


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[0148] fangen nach schon im Thiere aufgewiesen; dabei wird der Gottesbegriff nicht verneint, aber in ihm nnr die Idee einer geheimnißvollen Urkraft des Univer¬ sums, die schlechthin unerkennbar sei und in keiner Weise in den Gang des Natur- und Menschenlebens fürsorgend und regierend eingreife, hineingelegt. Verfolgen wir die Aufnahme, die der Darwinismus in den verschiedenen Ländern gefunden hat, so gelangen wir zu dem Ergebniß, daß in England die hervorragendsten Kapazitäten auf der Seite Darwin's stehen, dagegen in Nordamerika eher die Gegner desselben das Uebergewicht besitzen, eine That¬ sache, die namentlich ans dem großen Einfluß von Agassiz, dem Vertreter der UnVeränderlichkeit der Arten, sich erklärt. Auch in Frankreich fand der Dar¬ winismus mehr Widerspruch als Beifall. Die am tiefsten eingreifenden Be¬ wegungen hat er in Deutschland hervorgerufen. Vier Hauptgruppen lassen sich hier unterscheiden.. Zu den entschiedensten Gegnern gehört eine Anzahl von Forschern, die, aller naturphilosophischen Spekulation abgeneigt, schon des¬ halb der Deszendenzlehre abhold sind, weil sie in ihr eine Rückkehr zu den Philosophieen der Schelling'schen Schule zu erkennen glauben; so Burmeister, Giebel, Ehrenberg, Griesebach, Schimper, Wappäus, Bastian, Göppert, Barcmde, v. Dechen, Fraas, Pfaff. Sodann finden wir Vertreter einer philosophisch gemilderten und mildernden Arteukonstanzlehre in N. Wagner, Wigand, Kölliker, Heer, v. Baer, Braun, Quenstedt, Vvlkmann, Bischofs. Als Darwinianer mit Vorbehalt erscheinen Virchow, Carus, Leuckart, Semper, His, Goette, Henke, Möbius, Dohre, Weismann, H. Hofmann in Gießen, Helmholtz, M. Wagner, Nägeli, Hofmeister, Sachs, Askenasy. Weiter gelangen wir zu den Dogma¬ tikern des Darwinismus oder richtiger zu den Männern, die, ihn überbietend, sich von allen religiösen und teleologischen Bestandtheilen, die derselbe noch in sich trug, frei gemacht haben und eine rein mechanische Naturerklärung vertreten, den Verkündern des sogenannten „Monismus". An der Spitze dieser Bewegung steht Häckel, der übrigens neuerdings dem Monismus eine spiritualistische Färbung gegeben hat, indem er jeder Zelle eine besondere Seele zuerkennt. Die Phantasie, die in seinem System eine große Rolle spielt, hat ihm schon viele Zurechtweisungen von exakten Forschern eingetragen. K. Vogt hat seine Thierstammbäume mit den an die Helden von Troja anknüpfenden Adels- genealogieen des Mittelalters verglichen. Dubois-Reymond hat spöttisch ihm zugerufen: „Will ich einmal einen Roman lesen, so weiß ich mir etwas Besseres als Schöpfungsgeschichte", und Virchow hat erklärt: „Es ist noch nicht gelungen, die Gesellschaft Kohlenstoff und Kompagnie bei der Gründung der Ptastidnlenseele auch nur als Problem bestätigt darzustellen." Mit Uebergehung der folgenden, weniger wichtigen Themen gewidmeten Abschnitte wenden wir uns endlich zu den die Kritik des Darwinismus ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 38, 1879, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341829_157663/148>, abgerufen am 27.09.2024.