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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Stoff fehlt es durchaus nicht, der "Noah" ist an Abenteuerlichkeit so reich
wie Lobenstein's "Arminius"; das Christenthum spielt darin keine bedeu¬
tende Rolle.

Schon bei seinem Abgang aus Schulpforta sprach Klopstock in eiuer
lateinischen Abschiedsrede das poetische Glaubensbekenntniß seines Lebens aus.
Die würdigste Form der Poesie ist die epische. Homer und Virgil haben darin
Großes geleistet, aber es fehlte ihnen die wahre Religion. So hoch wie die
Offenbarung über der Vernunft, so hoch steht das religiöse Epos über dem
weltlichen. Leider hat sich in Deutschland die Dichtung mit gemeinen Possen
abgegeben: wer als Dichter die Verherrlichung Gottes sich vorsetzt, wird auch
dem Vaterland den Kranz des Ruhmes flechten, der ihm gebührt.

Gleich nach seinem Eintritt in die Universität begann er, am Messias zu
arbeiten: erst in gehobener Prosa, wie Bodmer's Milton; allmcilig ging ihm
der Hexameter auf. Lateinisch hatte er sich in Schulpforta darin schon viel¬
fach versucht.

In einer seiner ersten Oden nennt er sich einen Lehrling der Griechen:
eigentlich meinte er die Lateiner.

"Wie Hebe kühn und jugendlich ungestüm, wie mit dem goldenen Köcher
Latona's Sohn, unsterblich sing' ich meine Freunde feiernd in mächtigen Di¬
thyramben. Willst Du zu Strophen werden, Lied? oder ununterwürfig, Pin-
dar's Gesängen gleich, gleich Zeus' erhabnen trunkner Sohne frei aus der
schaffenden Seele taumeln?" -- Er begnügt sich indeß mit einem horazischen
Maaß.

Nach seinem eignen Bekenntniß wurde Klopstock durch deu Horaz bis in
die feinsten Wendungen seines Dichtens bestimmt, er stand darin mit Ram-
ler ans gleichem Boden. Nach Horaz kam Virgil: er lernte von ihm "die
Erhebung der Sprache, ihren gewählteren Schall, ihren bewegteren, ed¬
leren Gang."

Wiederholt hatten die älteren Kunstlehrer aus allen Schulen, Gottsched,
Bodmer, Meier, um die Sprache dem Gängelband des Alexandriners zu
entwöhnen, damit sie frei die Glieder regen lerne, die Nachahmung der
antiken Verse empfohlen; es waren auch mannigfache Versuche angestellt, aber
immer nur im kleinen Stil, ohne wahren Sinn für den Tonfall, für den
Wohllaut, der in der deutschen Sprache steckt. Den ersten größeren Versuch
hatte Kleist, nach dem Vorgang von Uz, im "Frühling" gemacht; aber er
hatte dem Hexameter durch die Vorschlagsylbe seinen männlichen Charakter ge¬
nommen.

Hier nun war Klopstock an seinem Platz. Er hatte nicht blos das
entschiedene Bedürfniß, für die Dichtung die Stimmlage zu erhöhen, sondern


Stoff fehlt es durchaus nicht, der „Noah" ist an Abenteuerlichkeit so reich
wie Lobenstein's „Arminius"; das Christenthum spielt darin keine bedeu¬
tende Rolle.

Schon bei seinem Abgang aus Schulpforta sprach Klopstock in eiuer
lateinischen Abschiedsrede das poetische Glaubensbekenntniß seines Lebens aus.
Die würdigste Form der Poesie ist die epische. Homer und Virgil haben darin
Großes geleistet, aber es fehlte ihnen die wahre Religion. So hoch wie die
Offenbarung über der Vernunft, so hoch steht das religiöse Epos über dem
weltlichen. Leider hat sich in Deutschland die Dichtung mit gemeinen Possen
abgegeben: wer als Dichter die Verherrlichung Gottes sich vorsetzt, wird auch
dem Vaterland den Kranz des Ruhmes flechten, der ihm gebührt.

Gleich nach seinem Eintritt in die Universität begann er, am Messias zu
arbeiten: erst in gehobener Prosa, wie Bodmer's Milton; allmcilig ging ihm
der Hexameter auf. Lateinisch hatte er sich in Schulpforta darin schon viel¬
fach versucht.

In einer seiner ersten Oden nennt er sich einen Lehrling der Griechen:
eigentlich meinte er die Lateiner.

„Wie Hebe kühn und jugendlich ungestüm, wie mit dem goldenen Köcher
Latona's Sohn, unsterblich sing' ich meine Freunde feiernd in mächtigen Di¬
thyramben. Willst Du zu Strophen werden, Lied? oder ununterwürfig, Pin-
dar's Gesängen gleich, gleich Zeus' erhabnen trunkner Sohne frei aus der
schaffenden Seele taumeln?" — Er begnügt sich indeß mit einem horazischen
Maaß.

Nach seinem eignen Bekenntniß wurde Klopstock durch deu Horaz bis in
die feinsten Wendungen seines Dichtens bestimmt, er stand darin mit Ram-
ler ans gleichem Boden. Nach Horaz kam Virgil: er lernte von ihm „die
Erhebung der Sprache, ihren gewählteren Schall, ihren bewegteren, ed¬
leren Gang."

Wiederholt hatten die älteren Kunstlehrer aus allen Schulen, Gottsched,
Bodmer, Meier, um die Sprache dem Gängelband des Alexandriners zu
entwöhnen, damit sie frei die Glieder regen lerne, die Nachahmung der
antiken Verse empfohlen; es waren auch mannigfache Versuche angestellt, aber
immer nur im kleinen Stil, ohne wahren Sinn für den Tonfall, für den
Wohllaut, der in der deutschen Sprache steckt. Den ersten größeren Versuch
hatte Kleist, nach dem Vorgang von Uz, im „Frühling" gemacht; aber er
hatte dem Hexameter durch die Vorschlagsylbe seinen männlichen Charakter ge¬
nommen.

Hier nun war Klopstock an seinem Platz. Er hatte nicht blos das
entschiedene Bedürfniß, für die Dichtung die Stimmlage zu erhöhen, sondern


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[0373] Stoff fehlt es durchaus nicht, der „Noah" ist an Abenteuerlichkeit so reich wie Lobenstein's „Arminius"; das Christenthum spielt darin keine bedeu¬ tende Rolle. Schon bei seinem Abgang aus Schulpforta sprach Klopstock in eiuer lateinischen Abschiedsrede das poetische Glaubensbekenntniß seines Lebens aus. Die würdigste Form der Poesie ist die epische. Homer und Virgil haben darin Großes geleistet, aber es fehlte ihnen die wahre Religion. So hoch wie die Offenbarung über der Vernunft, so hoch steht das religiöse Epos über dem weltlichen. Leider hat sich in Deutschland die Dichtung mit gemeinen Possen abgegeben: wer als Dichter die Verherrlichung Gottes sich vorsetzt, wird auch dem Vaterland den Kranz des Ruhmes flechten, der ihm gebührt. Gleich nach seinem Eintritt in die Universität begann er, am Messias zu arbeiten: erst in gehobener Prosa, wie Bodmer's Milton; allmcilig ging ihm der Hexameter auf. Lateinisch hatte er sich in Schulpforta darin schon viel¬ fach versucht. In einer seiner ersten Oden nennt er sich einen Lehrling der Griechen: eigentlich meinte er die Lateiner. „Wie Hebe kühn und jugendlich ungestüm, wie mit dem goldenen Köcher Latona's Sohn, unsterblich sing' ich meine Freunde feiernd in mächtigen Di¬ thyramben. Willst Du zu Strophen werden, Lied? oder ununterwürfig, Pin- dar's Gesängen gleich, gleich Zeus' erhabnen trunkner Sohne frei aus der schaffenden Seele taumeln?" — Er begnügt sich indeß mit einem horazischen Maaß. Nach seinem eignen Bekenntniß wurde Klopstock durch deu Horaz bis in die feinsten Wendungen seines Dichtens bestimmt, er stand darin mit Ram- ler ans gleichem Boden. Nach Horaz kam Virgil: er lernte von ihm „die Erhebung der Sprache, ihren gewählteren Schall, ihren bewegteren, ed¬ leren Gang." Wiederholt hatten die älteren Kunstlehrer aus allen Schulen, Gottsched, Bodmer, Meier, um die Sprache dem Gängelband des Alexandriners zu entwöhnen, damit sie frei die Glieder regen lerne, die Nachahmung der antiken Verse empfohlen; es waren auch mannigfache Versuche angestellt, aber immer nur im kleinen Stil, ohne wahren Sinn für den Tonfall, für den Wohllaut, der in der deutschen Sprache steckt. Den ersten größeren Versuch hatte Kleist, nach dem Vorgang von Uz, im „Frühling" gemacht; aber er hatte dem Hexameter durch die Vorschlagsylbe seinen männlichen Charakter ge¬ nommen. Hier nun war Klopstock an seinem Platz. Er hatte nicht blos das entschiedene Bedürfniß, für die Dichtung die Stimmlage zu erhöhen, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/373>, abgerufen am 27.09.2024.