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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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waren zugleich die verwöhntesten und bequemsten und sicherlich uicht das beste
Material für den Krieg. Dazu kam, daß die Schwergerüsteten eines Schild¬
trägers bedurften, deren Zahl den Troß der Nichtstreitbaren schädlich vermehrte,
sodaß er dem Heere die Beweglichkeit raubte. Jphikrcites aber erkannte, daß
in dem Ringen mit Sparta, welches noch unverrückt an seiner alten Kriegs¬
art- festhielt, Beweglichkeit das beßte Mittel sein werde, Vortheile über den
Feind davonzutragen. Schon im peloponnesischen Kriege hatte der attische
Feldherr Demosthenes durch gelegentliche Anwendung leichtbewaffneter Truppen
Erfolge gehabt; Jphikrcites entschloß sich in dieser Beziehung zu eiuer prinzi¬
piellen Reform, welche den taktischen Neuerungen des Xenophon als organisa¬
torische Ergänzung zur Seite tritt.*)

Ursprünglich ging wohl Jphikrates nur davon aus, die Leichtbewaffneten
in größerer Zahl anzuwenden und ihr Gefecht mit dem der Hopliten im xeno-
phvntischen Sinne in nähere Beziehung zu setzen. Bald aber schon mochte
er die Ueberzeugung gewinnen, daß auch das Linienfußvolk der geschlossenen
Phalanx keiner so schweren Bewaffnung bedürfe wie sie bei den Bürgerhopliten
hergebracht war. Er gab seinen Phalcmgiten statt des gewaltigen Ovalschildes
den leichteren Rundschild und an Stelle der erzenen Knemiden, die schon früher
hier und da durch schieuenbeschlagene Lederstnlpeu ersetzt sein mochten, ein
Mittelding zwischen Stulpstiefel und Gamasche, an dem sich auch gleich die
Sohle befand, während zu den Beinschienen Sandalen gehört hatten, Diese
Erfindung machte großes Aufsehen und das neue Rüststück empfing den Namen
der Jphrikatiden. Nunmehr war der Krieger wesentlich erleichtert, und dieser
Umstand, sowie der andere, daß der neue Rundschild nur mit den Armringen,
nicht mit der Faust geführt ward und also die linke Hand verfügbar wurde,
gaben Anlaß und Möglichkeit zu einer Verstärkung der wichtigsten Trutzwaffe,
uümlich des Spießes. Dieser wird auf etwa 12 Fuß verlängert und dement¬
sprechend mit beiden Händen geführt. Nun konnte er 8 bis 9 Fuß nach
vorn gestoßen werden, und man war im Stande, die Eisen von 4 Gliedern
vor die Front zu bringen.

Auch dieser Reform kamen ökonomische Gründe entgegen- Erstlich konnte
man den Schildknappen ersparen; dann aber war die Rüstung auch sehr viel
billiger und der Staat brauchte daher nicht so hohe" Sold zu zahlen. Zu¬
gleich erlaubte die leichtere Bewaffnung der Mannschaft, mehr Proviant mit¬
zunehmen und längere Märsche zu machen, ein Umstand, dem Jphikrates nicht
wenige seiner besten Erfolge verdankte.

Alle diese neuen Einrichtungen scheinen übrigens lediglich bei den Sold-



") Curtius: Griech. Geschichte, III. 220 sf.

waren zugleich die verwöhntesten und bequemsten und sicherlich uicht das beste
Material für den Krieg. Dazu kam, daß die Schwergerüsteten eines Schild¬
trägers bedurften, deren Zahl den Troß der Nichtstreitbaren schädlich vermehrte,
sodaß er dem Heere die Beweglichkeit raubte. Jphikrcites aber erkannte, daß
in dem Ringen mit Sparta, welches noch unverrückt an seiner alten Kriegs¬
art- festhielt, Beweglichkeit das beßte Mittel sein werde, Vortheile über den
Feind davonzutragen. Schon im peloponnesischen Kriege hatte der attische
Feldherr Demosthenes durch gelegentliche Anwendung leichtbewaffneter Truppen
Erfolge gehabt; Jphikrcites entschloß sich in dieser Beziehung zu eiuer prinzi¬
piellen Reform, welche den taktischen Neuerungen des Xenophon als organisa¬
torische Ergänzung zur Seite tritt.*)

Ursprünglich ging wohl Jphikrates nur davon aus, die Leichtbewaffneten
in größerer Zahl anzuwenden und ihr Gefecht mit dem der Hopliten im xeno-
phvntischen Sinne in nähere Beziehung zu setzen. Bald aber schon mochte
er die Ueberzeugung gewinnen, daß auch das Linienfußvolk der geschlossenen
Phalanx keiner so schweren Bewaffnung bedürfe wie sie bei den Bürgerhopliten
hergebracht war. Er gab seinen Phalcmgiten statt des gewaltigen Ovalschildes
den leichteren Rundschild und an Stelle der erzenen Knemiden, die schon früher
hier und da durch schieuenbeschlagene Lederstnlpeu ersetzt sein mochten, ein
Mittelding zwischen Stulpstiefel und Gamasche, an dem sich auch gleich die
Sohle befand, während zu den Beinschienen Sandalen gehört hatten, Diese
Erfindung machte großes Aufsehen und das neue Rüststück empfing den Namen
der Jphrikatiden. Nunmehr war der Krieger wesentlich erleichtert, und dieser
Umstand, sowie der andere, daß der neue Rundschild nur mit den Armringen,
nicht mit der Faust geführt ward und also die linke Hand verfügbar wurde,
gaben Anlaß und Möglichkeit zu einer Verstärkung der wichtigsten Trutzwaffe,
uümlich des Spießes. Dieser wird auf etwa 12 Fuß verlängert und dement¬
sprechend mit beiden Händen geführt. Nun konnte er 8 bis 9 Fuß nach
vorn gestoßen werden, und man war im Stande, die Eisen von 4 Gliedern
vor die Front zu bringen.

Auch dieser Reform kamen ökonomische Gründe entgegen- Erstlich konnte
man den Schildknappen ersparen; dann aber war die Rüstung auch sehr viel
billiger und der Staat brauchte daher nicht so hohe» Sold zu zahlen. Zu¬
gleich erlaubte die leichtere Bewaffnung der Mannschaft, mehr Proviant mit¬
zunehmen und längere Märsche zu machen, ein Umstand, dem Jphikrates nicht
wenige seiner besten Erfolge verdankte.

Alle diese neuen Einrichtungen scheinen übrigens lediglich bei den Sold-



») Curtius: Griech. Geschichte, III. 220 sf.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/255>, abgerufen am 27.09.2024.