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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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1875) sich hervorragende Verdienste ans diesem Gebiete erworben dnrch drei,
an verschiedenen Stellen gespendete Beiträge. Im Jahrgang 1871 der Berliner
"Zeitschrift für Gymnasialwesen" (S. 1--10) veröffentlichte er zuerst "Beiträge
zur Erklärung Uhland'scher Balladen", diesen folgte 1873 im Osterprogramm
des Gymnasiums zum Grauen Kloster die Abhandlung: "Uhlands Schwäbische
Balladen auf ihre Quellen zurückgeführt" und 1874 in der Festschrift zur
dritten Säcularfeier des genannten Gymnasiums (Weidmann) die weitere und
leider letzte wissenschaftliche Arbeit des Verfassers: "Uhlands Französische
Balladen ans ihre Quellen zurückgeführt." In den "Beiträgen" hat Eichholtz
"Klein Roland" und "König Karls Meerfahrt" besprochen; in den "schwäbi¬
schen" Balladen: "Graf Eberhards Weißdorn", "Innrer Rechberger", "Graf
Eberstein", "Schwäbische Kunde", "Graf Eberhard der Rauschebart", "Der
Schenk von Limburg", "Die Ulme von Hirsau", "Die Geisterkelter", "Die
Glockenhöhle", "Das Singenthal", "Lerchenkrieg", "Der letzte Pfalzgraf"; in
den "französischen" Balladen: "Die Königstochter", "Graf Richard Ohnefurcht",
"Legende", "Die Jagd von Winchester", "Taillefer", "Bertram de Born" und
als Zugabe "Der blinde König".

Da anzunehmen ist, daß von den werthvollen Resultaten der in ihrer Art
musterhaften Eichholtz'schen Arbeiten schwerlich etwas in weitere Kreise ge¬
drungen ist, so wird es vielleicht unsern Lesern willkommen sein, wenn wir
aus jedem der drei genannten Beiträge einige Mittheilungen machen. Wir
halten uns dabei selbstverständlich an die bekannteren unter den behandelten
Gedichten und beginnen mit einer dem karolingischen Sagenkreise angehörigen
Ballade.

Der Stoff zu "Klein Roland" ist den "Rockes as Imüerno (Winter¬
nächten)" entnommen, einer spanischen Anekdotensammlung, deren Verfasser
Antonio de Eselava aus Sauguessa in Navarra war und die wohl zuerst
1609 in Pampelona und Barcelona gedruckt wurde. Uhland benutzte eine
deutsche Uebersetzung derselben von Mathaeus Drummer, die im 17. und am
Anfange des 18. Jahrhunderts wiederholt aufgelegt wurde. Die Drnmmer'sche
Uebersetzung von 1666 erzählt unter andern: "Die wunderbare Geburth deß
Roldan oder Rolands und wird darbey unterschiedenen seiner verübten Kinder¬
bossen gedacht". Die Geschichte ist aber weit älter; sie findet sich bereits in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in dem italienischen Volksbuche "RelUi
all ?i>g,n(zjg, (Fränkische Königssöhne)" in einer in allen wesentlichen Punkten
übereinstimmenden Darstellung. Der Schauplatz der Erzählung ist Italien
und die Handlung folgende.

Bertha, die Schwester Karl's des Großen, wird von Mikon de Anglante
verführt und deshalb von ihrem Bruder zum Tode verurtheilt. Sie flieht


1875) sich hervorragende Verdienste ans diesem Gebiete erworben dnrch drei,
an verschiedenen Stellen gespendete Beiträge. Im Jahrgang 1871 der Berliner
„Zeitschrift für Gymnasialwesen" (S. 1—10) veröffentlichte er zuerst „Beiträge
zur Erklärung Uhland'scher Balladen", diesen folgte 1873 im Osterprogramm
des Gymnasiums zum Grauen Kloster die Abhandlung: „Uhlands Schwäbische
Balladen auf ihre Quellen zurückgeführt" und 1874 in der Festschrift zur
dritten Säcularfeier des genannten Gymnasiums (Weidmann) die weitere und
leider letzte wissenschaftliche Arbeit des Verfassers: „Uhlands Französische
Balladen ans ihre Quellen zurückgeführt." In den „Beiträgen" hat Eichholtz
„Klein Roland" und „König Karls Meerfahrt" besprochen; in den „schwäbi¬
schen" Balladen: „Graf Eberhards Weißdorn", „Innrer Rechberger", „Graf
Eberstein", „Schwäbische Kunde", „Graf Eberhard der Rauschebart", „Der
Schenk von Limburg", „Die Ulme von Hirsau", „Die Geisterkelter", „Die
Glockenhöhle", „Das Singenthal", „Lerchenkrieg", „Der letzte Pfalzgraf"; in
den „französischen" Balladen: „Die Königstochter", „Graf Richard Ohnefurcht",
„Legende", „Die Jagd von Winchester", „Taillefer", „Bertram de Born" und
als Zugabe „Der blinde König".

Da anzunehmen ist, daß von den werthvollen Resultaten der in ihrer Art
musterhaften Eichholtz'schen Arbeiten schwerlich etwas in weitere Kreise ge¬
drungen ist, so wird es vielleicht unsern Lesern willkommen sein, wenn wir
aus jedem der drei genannten Beiträge einige Mittheilungen machen. Wir
halten uns dabei selbstverständlich an die bekannteren unter den behandelten
Gedichten und beginnen mit einer dem karolingischen Sagenkreise angehörigen
Ballade.

Der Stoff zu „Klein Roland" ist den „Rockes as Imüerno (Winter¬
nächten)" entnommen, einer spanischen Anekdotensammlung, deren Verfasser
Antonio de Eselava aus Sauguessa in Navarra war und die wohl zuerst
1609 in Pampelona und Barcelona gedruckt wurde. Uhland benutzte eine
deutsche Uebersetzung derselben von Mathaeus Drummer, die im 17. und am
Anfange des 18. Jahrhunderts wiederholt aufgelegt wurde. Die Drnmmer'sche
Uebersetzung von 1666 erzählt unter andern: „Die wunderbare Geburth deß
Roldan oder Rolands und wird darbey unterschiedenen seiner verübten Kinder¬
bossen gedacht". Die Geschichte ist aber weit älter; sie findet sich bereits in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in dem italienischen Volksbuche „RelUi
all ?i>g,n(zjg, (Fränkische Königssöhne)" in einer in allen wesentlichen Punkten
übereinstimmenden Darstellung. Der Schauplatz der Erzählung ist Italien
und die Handlung folgende.

Bertha, die Schwester Karl's des Großen, wird von Mikon de Anglante
verführt und deshalb von ihrem Bruder zum Tode verurtheilt. Sie flieht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/293>, abgerufen am 29.09.2024.