Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.für ihren Bruder. Auch die Gunst, welche sich sein alter Vater durch die Leonhard Müller. Literatur. Größenwahn. Vier Kapitel aus der Geschichte menschlicher Narrheit. Mit Zwischensätzen. Von Johannes Scherr. Leipzig, Verlag von E. I. Günther. 1876. Ein widerwärtiges Buch sowohl nach seinem Inhalt, wie nach seiner für ihren Bruder. Auch die Gunst, welche sich sein alter Vater durch die Leonhard Müller. Literatur. Größenwahn. Vier Kapitel aus der Geschichte menschlicher Narrheit. Mit Zwischensätzen. Von Johannes Scherr. Leipzig, Verlag von E. I. Günther. 1876. Ein widerwärtiges Buch sowohl nach seinem Inhalt, wie nach seiner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136721"/> <p xml:id="ID_215" prev="#ID_214"> für ihren Bruder. Auch die Gunst, welche sich sein alter Vater durch die<lb/> oben erzählte Unterredung bei dem König Jerome erworben hatte, mochte<lb/> dazu beitragen, daß der Sohn endlich freigelassen und sogar in seine<lb/> Stelle als Förster zu Kirchditmold wieder eingesetzt wurde.</p><lb/> <note type="byline"> Leonhard Müller.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <div n="2"> <head> Größenwahn. Vier Kapitel aus der Geschichte menschlicher Narrheit. Mit<lb/> Zwischensätzen. Von Johannes Scherr. Leipzig, Verlag von<lb/> E. I. Günther. 1876.</head><lb/> <p xml:id="ID_216" next="#ID_217"> Ein widerwärtiges Buch sowohl nach seinem Inhalt, wie nach seiner<lb/> Tendenz und nicht minder nach seiner Sprache. Von den vier Kapiteln behandelt<lb/> das erste eine Episode aus dem Treiben der bekannten mystisch-pietistischen<lb/> Schwärmerin Eva v. Buttlar, die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts im<lb/> Wtttgensteinschen mit einigen männlichen Spießgesellen muckerische Thor¬<lb/> heiten verbunden mit geschlechtlichen Ausschweifungen trieb, das zweite die<lb/> Geschichte der Wiedertäufer von Münster, das dritte (vor einigen Jahren<lb/> schon besonders erschienen) wieder eine Muckergeschichte, die der wahnsinnigen<lb/> Margaretha Peter von Wildisbuch welche, nachdem sie in religiöser Überspannt¬<lb/> heit ihren Anhang zu greuelvollem Morde veranlaßt, sich zuletzt selbst von ihm<lb/> kreuzigen ließ. Das vierte Kapitel (ebenfalls schon abgedruckt und zwar in<lb/> der Gartenlaube) erzählt die Geschichte der Commune von 1871. Die<lb/> Zwischensätze bestehen bis auf den letzten, der uns damit bekannt macht, daß<lb/> >>er Verf. Herrn Gutzkow für einen bedeutenden und verdienstreichen Schriftsteller<lb/> hält, in Späßen, denen nicht viel mehr fehlt als der Humor. Basis und<lb/> Tendenz des ganzen Buches ist ein selbstgefälliger Pessimismus, an dessen<lb/> Echtheit wir übrigens keinen Augenblick glauben, von dem wir vielmehr an¬<lb/> nehmen, daß der Verfasser ihn zur Schau trägt, weil er damit geistreich,<lb/> originell unK interessant auszusehen meint. Was damit nicht erreicht wird, muß<lb/> die Wahl des Stoffes und die schamlose Hervorhebung blutig, wollüstiger<lb/> Greuel wie in Ur. 1, 2 und 3 thun. Die Sprache des Herrn Scherr endlich<lb/> erinnert an den Ton der Schenken, in denen die schweizerische Demokratie<lb/> sich trifft. Wortbildungen wie „Opportunitätsgesindel", „Dünkeltobsucht".<lb/> „Hypothesenwind", „Stinkjude", „erdiebsfingern". „unheilige Gesindelschaft"</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
für ihren Bruder. Auch die Gunst, welche sich sein alter Vater durch die
oben erzählte Unterredung bei dem König Jerome erworben hatte, mochte
dazu beitragen, daß der Sohn endlich freigelassen und sogar in seine
Stelle als Förster zu Kirchditmold wieder eingesetzt wurde.
Leonhard Müller.
Literatur.
Größenwahn. Vier Kapitel aus der Geschichte menschlicher Narrheit. Mit
Zwischensätzen. Von Johannes Scherr. Leipzig, Verlag von
E. I. Günther. 1876.
Ein widerwärtiges Buch sowohl nach seinem Inhalt, wie nach seiner
Tendenz und nicht minder nach seiner Sprache. Von den vier Kapiteln behandelt
das erste eine Episode aus dem Treiben der bekannten mystisch-pietistischen
Schwärmerin Eva v. Buttlar, die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts im
Wtttgensteinschen mit einigen männlichen Spießgesellen muckerische Thor¬
heiten verbunden mit geschlechtlichen Ausschweifungen trieb, das zweite die
Geschichte der Wiedertäufer von Münster, das dritte (vor einigen Jahren
schon besonders erschienen) wieder eine Muckergeschichte, die der wahnsinnigen
Margaretha Peter von Wildisbuch welche, nachdem sie in religiöser Überspannt¬
heit ihren Anhang zu greuelvollem Morde veranlaßt, sich zuletzt selbst von ihm
kreuzigen ließ. Das vierte Kapitel (ebenfalls schon abgedruckt und zwar in
der Gartenlaube) erzählt die Geschichte der Commune von 1871. Die
Zwischensätze bestehen bis auf den letzten, der uns damit bekannt macht, daß
>>er Verf. Herrn Gutzkow für einen bedeutenden und verdienstreichen Schriftsteller
hält, in Späßen, denen nicht viel mehr fehlt als der Humor. Basis und
Tendenz des ganzen Buches ist ein selbstgefälliger Pessimismus, an dessen
Echtheit wir übrigens keinen Augenblick glauben, von dem wir vielmehr an¬
nehmen, daß der Verfasser ihn zur Schau trägt, weil er damit geistreich,
originell unK interessant auszusehen meint. Was damit nicht erreicht wird, muß
die Wahl des Stoffes und die schamlose Hervorhebung blutig, wollüstiger
Greuel wie in Ur. 1, 2 und 3 thun. Die Sprache des Herrn Scherr endlich
erinnert an den Ton der Schenken, in denen die schweizerische Demokratie
sich trifft. Wortbildungen wie „Opportunitätsgesindel", „Dünkeltobsucht".
„Hypothesenwind", „Stinkjude", „erdiebsfingern". „unheilige Gesindelschaft"
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