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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Jakob Sturm von Sturmeck, ein Martin Butzer, ein Wolfgang
Capito und Andere mit, um Straßburg im Zeitalter des Humanismus und
der Reformation auf die Höhe zu bringen, die es erreicht hat. Daß aber
solche Männer auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens sich vorfanden, die
neben den materiellen Wohle der Stadt auch treue Pfleger ihrer geistigen Güter
waren, das ist ein Segen der alten Zeit, die dem Patrizierstand in der Stadt¬
verwaltung noch eine Stelle ließ und dem Bügerthum dadurch edle Kräfte
zuführte. Daß auch durch gelehrte Anstalten, wie das Thomasstift eine war,
das geistige Leben reiche Nahrung erhielt, ist ein bekannte Thatsache. Die
Väter der Stadt hatten Sinn für höhere Bildung und Geistesarbeit; aus
diesem Sinn ist das Gymnasium und die Hochschule Straßburgs hervorge¬
gangen, die als deutsche Universität im Jahre 1871 in verjüngter Gestalt
wieder erstanden ist und in anderer Form die Traditionen der Vergangenheit
und die Arbeiten früherer Jahrhunderte fortsetzen will.

Somit wären wir am Schlüsse der gediegenen Monographien von
Professor Schmoller angelangt. Drei Punkte wollen wir aus denselben
noch hervorheben. Wir erhalten einmal dadurch ein Bild von dem mittel¬
alterlichen, bisher in mystisches Dunkel eingehüllten Straßburg, das an Klar-
heit und lebendiger Anschaulichkeit wenig zu wünschen übrig läßt; zum Andern
bekommen wir über die Entstehung und die Competenz der drei Rathscollegien
der XIII, XV und XXI die bestimmtesten Aufschlüsse. Viel ist über diesen
Gegenstand schon geschrieben worden; im Allgemeinen war der Mechanis¬
mus derselben auch bekannt; viel unklare Vorstellungen herrschten aber darüber,
hauptsächlich aus dem Grunde, weil die alten Ordnungen derselben nicht ge-
hörig bekannt waren. Das ist aber das dritte und nicht das geringste
Verdienst des geehrten Verfassers, daß er zwei der wichtigsten Urkunden des
alten Straßburg, die Reformation der Stadtordnung von 1405
und die Ordnung der Fünfzehner von 1433 veröffentlichte. Dieselben
werfen ein ganz neues Licht auf die mittelalterliche Periode der Stra߬
burger Geschichte. Möchten wir, und das ist der Wunsch, mit dem wir
schließen, noch recht oft mit ähnlichen Abhandlungen aus der Feder des
Straßburger Nationalökonomen erfreut werden! Möchte jede Rectoratsrede
er Straßburger Universitätslehrer einen solchen Beitrag zur gründlichen
Kenntniß der elsässtschen Geschichte liefern, wie die beiden angezeigten Schriften,
die einen ehrenvollen Platz in den Quellen und Forschungen zur
Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker ein¬
nehmen.

In der ersten angezeigten Monographie von Prof. Schmoller "Stra߬
burgs Blüte u. f. w. im XIII. Jahrhundert" heißt es S. 28, es sei ein
Ruhm der Stadt gewesen, Leute in ihrem Dienst gehabt zu haben, wie den


Jakob Sturm von Sturmeck, ein Martin Butzer, ein Wolfgang
Capito und Andere mit, um Straßburg im Zeitalter des Humanismus und
der Reformation auf die Höhe zu bringen, die es erreicht hat. Daß aber
solche Männer auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens sich vorfanden, die
neben den materiellen Wohle der Stadt auch treue Pfleger ihrer geistigen Güter
waren, das ist ein Segen der alten Zeit, die dem Patrizierstand in der Stadt¬
verwaltung noch eine Stelle ließ und dem Bügerthum dadurch edle Kräfte
zuführte. Daß auch durch gelehrte Anstalten, wie das Thomasstift eine war,
das geistige Leben reiche Nahrung erhielt, ist ein bekannte Thatsache. Die
Väter der Stadt hatten Sinn für höhere Bildung und Geistesarbeit; aus
diesem Sinn ist das Gymnasium und die Hochschule Straßburgs hervorge¬
gangen, die als deutsche Universität im Jahre 1871 in verjüngter Gestalt
wieder erstanden ist und in anderer Form die Traditionen der Vergangenheit
und die Arbeiten früherer Jahrhunderte fortsetzen will.

Somit wären wir am Schlüsse der gediegenen Monographien von
Professor Schmoller angelangt. Drei Punkte wollen wir aus denselben
noch hervorheben. Wir erhalten einmal dadurch ein Bild von dem mittel¬
alterlichen, bisher in mystisches Dunkel eingehüllten Straßburg, das an Klar-
heit und lebendiger Anschaulichkeit wenig zu wünschen übrig läßt; zum Andern
bekommen wir über die Entstehung und die Competenz der drei Rathscollegien
der XIII, XV und XXI die bestimmtesten Aufschlüsse. Viel ist über diesen
Gegenstand schon geschrieben worden; im Allgemeinen war der Mechanis¬
mus derselben auch bekannt; viel unklare Vorstellungen herrschten aber darüber,
hauptsächlich aus dem Grunde, weil die alten Ordnungen derselben nicht ge-
hörig bekannt waren. Das ist aber das dritte und nicht das geringste
Verdienst des geehrten Verfassers, daß er zwei der wichtigsten Urkunden des
alten Straßburg, die Reformation der Stadtordnung von 1405
und die Ordnung der Fünfzehner von 1433 veröffentlichte. Dieselben
werfen ein ganz neues Licht auf die mittelalterliche Periode der Stra߬
burger Geschichte. Möchten wir, und das ist der Wunsch, mit dem wir
schließen, noch recht oft mit ähnlichen Abhandlungen aus der Feder des
Straßburger Nationalökonomen erfreut werden! Möchte jede Rectoratsrede
er Straßburger Universitätslehrer einen solchen Beitrag zur gründlichen
Kenntniß der elsässtschen Geschichte liefern, wie die beiden angezeigten Schriften,
die einen ehrenvollen Platz in den Quellen und Forschungen zur
Sprach- und Culturgeschichte der germanischen Völker ein¬
nehmen.

In der ersten angezeigten Monographie von Prof. Schmoller „Stra߬
burgs Blüte u. f. w. im XIII. Jahrhundert" heißt es S. 28, es sei ein
Ruhm der Stadt gewesen, Leute in ihrem Dienst gehabt zu haben, wie den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/57>, abgerufen am 27.09.2024.