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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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fafsung, das 1482 vollendet ist, abgeschlossen. Nach Außen hin vertreten
Ammeister, Stallmeister und Rath die Stadt, nach Innen üben die eigent¬
liche gesetzgeberische und vollziehende Gewalt die drei angegebenen Raths-
eollegien aus.

Hand in Hand mit diesem Aufbau der Constitution nach Oben, ging
auch eine schärfere Abgrenzung der Aemter und ihrer hierarchischen Abtheilung
nach unten. In der Justiz und innern Verwaltung entstanden gleich¬
falls Neuerungen von ebenso großer Bedeutung und Wichtigkeit als die
konstitutionellen Reformen. Zunächst erlangte die Stadt Straßburg, die die
Eingriffe der Westphälischen Vehmgerichte standhaft zurückgewiesen hatte, die
Vergünstigung, daß das Dreizehnereollegium als delegirtes Organ des Reichs¬
kammergerichts von Speyer functioniren durfte. Die Criminaljustiz behielt
sich der große Rath vor, die Civiljustiz ging in den meisten Fällen auf den
kleinen Rath und die drei städtischen Niedergerichte über. Gegen 1433 ent¬
stand auch ein eigenes Polizeigericht, die sog. Siebenzüchtiger, dessen
Mitglieder "sieben erbare man" waren, welche die Stadtpolizei unter ihrer
Aufsicht hatten. Unter ihnen standen die zwei Siebenerknechte, die
nebst'den Ammeisterknechten gefurchtere Persönlichkeiten in der Stadt
waren. Die Siebenerknechte waren die Chefs der sulbalternen Polizei; unter
ihnen und den Ammeisterknechten standen die Thurmhüter, die Wächter und
die Söldner der Stadt.

Auch in der Verwaltung fanden von 1405 an große Verbesserungen
statt. Wohl finden wir in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einzelne
selbständige Verwaltungsbehörden, wie die Dreier vom Pfennigthurm, den
Kaufhausverwalter, den Lohnherrn, den Rentmeister u. a. in.,
allein die Competenzen derselben sind nicht genau bestimmt. Von 1405 an
wird das anders, es wird die Stadtverwaltung eine geordnete und geregelte.
Die Amtleute d. h. Beamte der Stadt werden besoldet und müssen jede
Woche ihren Kostbrief, das heißt ihr Ausgabebuch, vorlegen und ein Buch
über ihre Einnahmen führen; ihre eigenen Gehälter werden fixirt, die viel¬
fachen Aenderungen im Dienstpersonal hören auf. Die wichtigsten städtischen
Aemter im 15. Jahrhundert waren: die Dreier vom Pfennigthurm, die
das Finanzwesen der Stadt unter ihrer Aufsicht hatten, der Lohnherr, der
über das städtische Bauwesen gesetzt war, der Kaufhausverwalter, der
über das Steuerwesen die Aufsicht führte, unter ihm standen die sog. Um-
gelder und Zöller, die aber mehr von den Dreiern abhingen; die
Münzherren, die Stallherren, welche die Einkommensteuer einzogen,
die Zinsmeister, der Armbrustmeister und der Kranichmeister be¬
kleideten gleichfalls einflußreiche Stadtämter. Schließlich erwähnen wir noch
die Stadtschreiber, deren Ansehen vom I. 1500 an bedeutend wuchs.


fafsung, das 1482 vollendet ist, abgeschlossen. Nach Außen hin vertreten
Ammeister, Stallmeister und Rath die Stadt, nach Innen üben die eigent¬
liche gesetzgeberische und vollziehende Gewalt die drei angegebenen Raths-
eollegien aus.

Hand in Hand mit diesem Aufbau der Constitution nach Oben, ging
auch eine schärfere Abgrenzung der Aemter und ihrer hierarchischen Abtheilung
nach unten. In der Justiz und innern Verwaltung entstanden gleich¬
falls Neuerungen von ebenso großer Bedeutung und Wichtigkeit als die
konstitutionellen Reformen. Zunächst erlangte die Stadt Straßburg, die die
Eingriffe der Westphälischen Vehmgerichte standhaft zurückgewiesen hatte, die
Vergünstigung, daß das Dreizehnereollegium als delegirtes Organ des Reichs¬
kammergerichts von Speyer functioniren durfte. Die Criminaljustiz behielt
sich der große Rath vor, die Civiljustiz ging in den meisten Fällen auf den
kleinen Rath und die drei städtischen Niedergerichte über. Gegen 1433 ent¬
stand auch ein eigenes Polizeigericht, die sog. Siebenzüchtiger, dessen
Mitglieder „sieben erbare man" waren, welche die Stadtpolizei unter ihrer
Aufsicht hatten. Unter ihnen standen die zwei Siebenerknechte, die
nebst'den Ammeisterknechten gefurchtere Persönlichkeiten in der Stadt
waren. Die Siebenerknechte waren die Chefs der sulbalternen Polizei; unter
ihnen und den Ammeisterknechten standen die Thurmhüter, die Wächter und
die Söldner der Stadt.

Auch in der Verwaltung fanden von 1405 an große Verbesserungen
statt. Wohl finden wir in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts einzelne
selbständige Verwaltungsbehörden, wie die Dreier vom Pfennigthurm, den
Kaufhausverwalter, den Lohnherrn, den Rentmeister u. a. in.,
allein die Competenzen derselben sind nicht genau bestimmt. Von 1405 an
wird das anders, es wird die Stadtverwaltung eine geordnete und geregelte.
Die Amtleute d. h. Beamte der Stadt werden besoldet und müssen jede
Woche ihren Kostbrief, das heißt ihr Ausgabebuch, vorlegen und ein Buch
über ihre Einnahmen führen; ihre eigenen Gehälter werden fixirt, die viel¬
fachen Aenderungen im Dienstpersonal hören auf. Die wichtigsten städtischen
Aemter im 15. Jahrhundert waren: die Dreier vom Pfennigthurm, die
das Finanzwesen der Stadt unter ihrer Aufsicht hatten, der Lohnherr, der
über das städtische Bauwesen gesetzt war, der Kaufhausverwalter, der
über das Steuerwesen die Aufsicht führte, unter ihm standen die sog. Um-
gelder und Zöller, die aber mehr von den Dreiern abhingen; die
Münzherren, die Stallherren, welche die Einkommensteuer einzogen,
die Zinsmeister, der Armbrustmeister und der Kranichmeister be¬
kleideten gleichfalls einflußreiche Stadtämter. Schließlich erwähnen wir noch
die Stadtschreiber, deren Ansehen vom I. 1500 an bedeutend wuchs.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/55>, abgerufen am 27.09.2024.