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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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von Hausbergen eine glänzende Probe abgelegt; seitdem hatten sie sich darin
noch vervollkommnet. Während die Constofler ihre edle Zeit in Streifzügen
und Fehden oder in Turnierspielen zubrachten, die den Verfall des Ritter-
thums bezeichnen, übten sich die Zunftgenossen im Wachdienst, in leiblichen
Uebungen und in treuer militärischer Pflichterfüllung. Gerade das 14. Jahr¬
hundert sah die Tüchtigkeit dieser bürgerlichen, städtischen Kriegerschaaren,
die den Kern der Nation bildeten und in dem Kampfe zwischen Ludwig dem
Bayer und Friedrich dem Schönen den Ausschlag gaben, von Tag zu Tag
wachsen und zunehmen.

Doch kehren wir zu unserem speziellen Gegenstande zurück. Was für
Veränderungen in Verwaltungsangelegenheiten und Verfassungsfragen brachte
die Revolution von 1332 in Straßburg hervor? Genau läßt sich dies im
Anfang nicht bestimmen. Nur so viel läßt sich im Allgemeinen sagen, daß
zu Straßburg vom Jahre 1332 an der Einfluß der "Geschlechter" oder Con¬
stofler immer mehr abnahm und das bürgerliche Element zunahm. Das war
übrigens im übrigen Reiche auch der Fall. Ist doch die zweite Hälfte des
14. Jahrhunderts die Blüthezeit des Städtewesens in ganz Deutschland, die
Zeit, wo Städte und Fürsten im Kampfe um die Gewalt mit einander
rangen. Die Städte, die von 1381 an mit einander Bündnisse gegen die
Fürsten geschlossen hatten, unterlagen schließlich und auch Straßburg mußte
im Jahre 1389 den Landfrieden von Eger mitunterzeichnen und große
Kriegskosten bezahlen. Trotzdem und abgesehen von den großen Landplagen,
die das Elsaß verheerten, wie das Sterbotte von 1349, die Einfälle der "wilden
Engelländer" in den Jahren 1365 und 1376, nimmt Straßburgs politische
Bedeutung von 1332 bis 1392 beständig zu. Eine Hauptursache ihrer Macht¬
entfaltung liegt in dem Institut der Pfahl- und Ausbürger. Eine
wichtige Urkunde darüber erschien gerade in Straßburg im Jahre 1698; sie
hat den gelehrten Archivaren Jakob Wemker zum Verfasser und ist be¬
titelt: vo VtalüburZerls, as Ilsdurggris et KlevendurMris. ^.rZ. 1698.
Die Stadt Straßburg besaß nämlich, wie andere Reichsstädte, das Recht,
auswärtige Bürger auszunehmen, die, wo sie auch immer restdirten, der Stadt
Schutz und Schirm genossen. Die Bauern und Unedlen, die so aufgenommen
wurden, hieß man Pfahlbürger, die Adeligen Ausbürger. Dieses
Recht hatte zwei Seiten, eine Licht- und eine Schattenseite. Wenn einerseits
das Ansehen der Stadt nach Außen hin sich vermehrte, so wurde dadurch
die Stadt andrerseits in manche Fehden verwickelt, welchen nicht städtische,
sondern lediglich Privatinteressen zu Grunde lagen. Kaiser Karl IV. hatte
durch die Goldene Bulle das Psahlbürgerat, das zu vielen Mißbräuchen
Anlaß gab, förmlich aufgehoben. Das Ausbürgerthum aber bestand
bis zu Ende des 14. Jahrhunderts in Straßburg fort und zog der Stadt


von Hausbergen eine glänzende Probe abgelegt; seitdem hatten sie sich darin
noch vervollkommnet. Während die Constofler ihre edle Zeit in Streifzügen
und Fehden oder in Turnierspielen zubrachten, die den Verfall des Ritter-
thums bezeichnen, übten sich die Zunftgenossen im Wachdienst, in leiblichen
Uebungen und in treuer militärischer Pflichterfüllung. Gerade das 14. Jahr¬
hundert sah die Tüchtigkeit dieser bürgerlichen, städtischen Kriegerschaaren,
die den Kern der Nation bildeten und in dem Kampfe zwischen Ludwig dem
Bayer und Friedrich dem Schönen den Ausschlag gaben, von Tag zu Tag
wachsen und zunehmen.

Doch kehren wir zu unserem speziellen Gegenstande zurück. Was für
Veränderungen in Verwaltungsangelegenheiten und Verfassungsfragen brachte
die Revolution von 1332 in Straßburg hervor? Genau läßt sich dies im
Anfang nicht bestimmen. Nur so viel läßt sich im Allgemeinen sagen, daß
zu Straßburg vom Jahre 1332 an der Einfluß der „Geschlechter" oder Con¬
stofler immer mehr abnahm und das bürgerliche Element zunahm. Das war
übrigens im übrigen Reiche auch der Fall. Ist doch die zweite Hälfte des
14. Jahrhunderts die Blüthezeit des Städtewesens in ganz Deutschland, die
Zeit, wo Städte und Fürsten im Kampfe um die Gewalt mit einander
rangen. Die Städte, die von 1381 an mit einander Bündnisse gegen die
Fürsten geschlossen hatten, unterlagen schließlich und auch Straßburg mußte
im Jahre 1389 den Landfrieden von Eger mitunterzeichnen und große
Kriegskosten bezahlen. Trotzdem und abgesehen von den großen Landplagen,
die das Elsaß verheerten, wie das Sterbotte von 1349, die Einfälle der „wilden
Engelländer" in den Jahren 1365 und 1376, nimmt Straßburgs politische
Bedeutung von 1332 bis 1392 beständig zu. Eine Hauptursache ihrer Macht¬
entfaltung liegt in dem Institut der Pfahl- und Ausbürger. Eine
wichtige Urkunde darüber erschien gerade in Straßburg im Jahre 1698; sie
hat den gelehrten Archivaren Jakob Wemker zum Verfasser und ist be¬
titelt: vo VtalüburZerls, as Ilsdurggris et KlevendurMris. ^.rZ. 1698.
Die Stadt Straßburg besaß nämlich, wie andere Reichsstädte, das Recht,
auswärtige Bürger auszunehmen, die, wo sie auch immer restdirten, der Stadt
Schutz und Schirm genossen. Die Bauern und Unedlen, die so aufgenommen
wurden, hieß man Pfahlbürger, die Adeligen Ausbürger. Dieses
Recht hatte zwei Seiten, eine Licht- und eine Schattenseite. Wenn einerseits
das Ansehen der Stadt nach Außen hin sich vermehrte, so wurde dadurch
die Stadt andrerseits in manche Fehden verwickelt, welchen nicht städtische,
sondern lediglich Privatinteressen zu Grunde lagen. Kaiser Karl IV. hatte
durch die Goldene Bulle das Psahlbürgerat, das zu vielen Mißbräuchen
Anlaß gab, förmlich aufgehoben. Das Ausbürgerthum aber bestand
bis zu Ende des 14. Jahrhunderts in Straßburg fort und zog der Stadt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/51>, abgerufen am 27.09.2024.