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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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bildungen einen Text gefunden, der gegen seine eignen mageren Notizen
geradezu verschwenderisch genannt werden kann, und den er nur einfach hätte
zu excerpiren brauchen. Für Annaberg hätte er das Nöthigste selbst in
Lübke's "Geschichte der Plastik" (2. Aufl. S. 664) finden können.

Der Bau der Klosterkirche von S es l oß-Ch e ani ez wurde im Jahre
1514 durch den Abt Heinrich von Schleinitz begonnen und 1525 durch seinen
Nachfolger, den Abt Hilarius von Rehburg vollendet. Beide Data sind
an der Kirche selbst bezeugt, das letztere in der über dem abgebildeten Portale
befindlichen Inschrift, welche im Texte mitzutheilen der Herausgeber sich
natürlich wieder erspart hat. Der Name des Baumeisters ist unbekannt.
Waagen hat eine gute Beschreibung der Kirche gegeben (a. a, O. S. 21--24).
auch an mehr als einer Stelle bereits darauf hingewiesen, daß in dem
Sculpturenschmucke des Portales sich unverkennbar Dürer'scher Einfluß zeigt.
Von der -- übrigens aus einem einzigen Holzstamm geschnitzten und mit
grellen Farben bemalten -- Geißelungsgruppe, die früher im sogenannten
Geißelsaal des Klosters stand und im vorigen Jahrhundert nach der Kirche
gebracht wurde, hätte es um so eher einer Beschreibung bedurft, da die
phntographische Aufnahme hier wieder zu wünschen übrig läßt und weder
deutlich zu sehen ist, daß es vier Schergen sind, die um den Heiland hier
gruppirt sind, noch daß außer den zwei Geißelnden der Dritte damit be¬
schäftigt ist, die Bande des Heilandes fester anzuschnüren, der Vierte, die
Dornenkrone zu flechten. Der Abbildung nach zu urtheilen, ist es übrigens
eine Schöpfung des häßlichsten Naturalismus und, augenscheinlich nur der
Grille zu liebe, das Ganze aus einem Stück zu schneiden, lahm und unfrei
in den Bewegungen.

Die Annenkirche von Annaberg ist von 1499 bis 1525 durch den Bau-
meister Erasmus Jacob von Schweinfurt erbaut, einen stolzen und
eigenmächtigen Herren, der im Jahre 1618 mit dem Werkmeister in Magde¬
burg, welcher durch die Straßburger Bauhütte als Verweser der Steinmetzbrüder¬
schaft in Sachsen eingesetzt war, in heftigen Streit gerieth, weil er sich den An¬
ordnungen desselben nicht fügen wollte; trotz der Einsprache Herzog Georgs
wurde sein Steinmetzzeichen in die "Schelmentafel" eingetragen, und 1521
entschied sogar der Straßburger Werkmeister gegen ihn dahin, "daß man
sein ganz müßig gehn, kein redlicher Steinmetz bei ihm stehn, zu ihm in
seine Forderung ziehn solle, bei Strafe und Pön der Untauglichst."*)



führe außerdem für Chemnitz noch an: Kretschmar, Chemnitz wie es war und ist (1822),
für Annaberg: Chr. Emmerlingen, Die Herrlichkeit des berühmten Annabergischcn Tem¬
pels (1713) und Spieß, Rückblicke auf Annaberg's Vorzeit (1.859).
-
) Vgl. Archiv für die sächsische Geschichte VIl, S. 424 fg.

bildungen einen Text gefunden, der gegen seine eignen mageren Notizen
geradezu verschwenderisch genannt werden kann, und den er nur einfach hätte
zu excerpiren brauchen. Für Annaberg hätte er das Nöthigste selbst in
Lübke's „Geschichte der Plastik" (2. Aufl. S. 664) finden können.

Der Bau der Klosterkirche von S es l oß-Ch e ani ez wurde im Jahre
1514 durch den Abt Heinrich von Schleinitz begonnen und 1525 durch seinen
Nachfolger, den Abt Hilarius von Rehburg vollendet. Beide Data sind
an der Kirche selbst bezeugt, das letztere in der über dem abgebildeten Portale
befindlichen Inschrift, welche im Texte mitzutheilen der Herausgeber sich
natürlich wieder erspart hat. Der Name des Baumeisters ist unbekannt.
Waagen hat eine gute Beschreibung der Kirche gegeben (a. a, O. S. 21—24).
auch an mehr als einer Stelle bereits darauf hingewiesen, daß in dem
Sculpturenschmucke des Portales sich unverkennbar Dürer'scher Einfluß zeigt.
Von der — übrigens aus einem einzigen Holzstamm geschnitzten und mit
grellen Farben bemalten — Geißelungsgruppe, die früher im sogenannten
Geißelsaal des Klosters stand und im vorigen Jahrhundert nach der Kirche
gebracht wurde, hätte es um so eher einer Beschreibung bedurft, da die
phntographische Aufnahme hier wieder zu wünschen übrig läßt und weder
deutlich zu sehen ist, daß es vier Schergen sind, die um den Heiland hier
gruppirt sind, noch daß außer den zwei Geißelnden der Dritte damit be¬
schäftigt ist, die Bande des Heilandes fester anzuschnüren, der Vierte, die
Dornenkrone zu flechten. Der Abbildung nach zu urtheilen, ist es übrigens
eine Schöpfung des häßlichsten Naturalismus und, augenscheinlich nur der
Grille zu liebe, das Ganze aus einem Stück zu schneiden, lahm und unfrei
in den Bewegungen.

Die Annenkirche von Annaberg ist von 1499 bis 1525 durch den Bau-
meister Erasmus Jacob von Schweinfurt erbaut, einen stolzen und
eigenmächtigen Herren, der im Jahre 1618 mit dem Werkmeister in Magde¬
burg, welcher durch die Straßburger Bauhütte als Verweser der Steinmetzbrüder¬
schaft in Sachsen eingesetzt war, in heftigen Streit gerieth, weil er sich den An¬
ordnungen desselben nicht fügen wollte; trotz der Einsprache Herzog Georgs
wurde sein Steinmetzzeichen in die „Schelmentafel" eingetragen, und 1521
entschied sogar der Straßburger Werkmeister gegen ihn dahin, „daß man
sein ganz müßig gehn, kein redlicher Steinmetz bei ihm stehn, zu ihm in
seine Forderung ziehn solle, bei Strafe und Pön der Untauglichst."*)



führe außerdem für Chemnitz noch an: Kretschmar, Chemnitz wie es war und ist (1822),
für Annaberg: Chr. Emmerlingen, Die Herrlichkeit des berühmten Annabergischcn Tem¬
pels (1713) und Spieß, Rückblicke auf Annaberg's Vorzeit (1.859).
-
) Vgl. Archiv für die sächsische Geschichte VIl, S. 424 fg.
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[0498] bildungen einen Text gefunden, der gegen seine eignen mageren Notizen geradezu verschwenderisch genannt werden kann, und den er nur einfach hätte zu excerpiren brauchen. Für Annaberg hätte er das Nöthigste selbst in Lübke's „Geschichte der Plastik" (2. Aufl. S. 664) finden können. Der Bau der Klosterkirche von S es l oß-Ch e ani ez wurde im Jahre 1514 durch den Abt Heinrich von Schleinitz begonnen und 1525 durch seinen Nachfolger, den Abt Hilarius von Rehburg vollendet. Beide Data sind an der Kirche selbst bezeugt, das letztere in der über dem abgebildeten Portale befindlichen Inschrift, welche im Texte mitzutheilen der Herausgeber sich natürlich wieder erspart hat. Der Name des Baumeisters ist unbekannt. Waagen hat eine gute Beschreibung der Kirche gegeben (a. a, O. S. 21—24). auch an mehr als einer Stelle bereits darauf hingewiesen, daß in dem Sculpturenschmucke des Portales sich unverkennbar Dürer'scher Einfluß zeigt. Von der — übrigens aus einem einzigen Holzstamm geschnitzten und mit grellen Farben bemalten — Geißelungsgruppe, die früher im sogenannten Geißelsaal des Klosters stand und im vorigen Jahrhundert nach der Kirche gebracht wurde, hätte es um so eher einer Beschreibung bedurft, da die phntographische Aufnahme hier wieder zu wünschen übrig läßt und weder deutlich zu sehen ist, daß es vier Schergen sind, die um den Heiland hier gruppirt sind, noch daß außer den zwei Geißelnden der Dritte damit be¬ schäftigt ist, die Bande des Heilandes fester anzuschnüren, der Vierte, die Dornenkrone zu flechten. Der Abbildung nach zu urtheilen, ist es übrigens eine Schöpfung des häßlichsten Naturalismus und, augenscheinlich nur der Grille zu liebe, das Ganze aus einem Stück zu schneiden, lahm und unfrei in den Bewegungen. Die Annenkirche von Annaberg ist von 1499 bis 1525 durch den Bau- meister Erasmus Jacob von Schweinfurt erbaut, einen stolzen und eigenmächtigen Herren, der im Jahre 1618 mit dem Werkmeister in Magde¬ burg, welcher durch die Straßburger Bauhütte als Verweser der Steinmetzbrüder¬ schaft in Sachsen eingesetzt war, in heftigen Streit gerieth, weil er sich den An¬ ordnungen desselben nicht fügen wollte; trotz der Einsprache Herzog Georgs wurde sein Steinmetzzeichen in die „Schelmentafel" eingetragen, und 1521 entschied sogar der Straßburger Werkmeister gegen ihn dahin, „daß man sein ganz müßig gehn, kein redlicher Steinmetz bei ihm stehn, zu ihm in seine Forderung ziehn solle, bei Strafe und Pön der Untauglichst."*) führe außerdem für Chemnitz noch an: Kretschmar, Chemnitz wie es war und ist (1822), für Annaberg: Chr. Emmerlingen, Die Herrlichkeit des berühmten Annabergischcn Tem¬ pels (1713) und Spieß, Rückblicke auf Annaberg's Vorzeit (1.859). - ) Vgl. Archiv für die sächsische Geschichte VIl, S. 424 fg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/498>, abgerufen am 27.09.2024.