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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Dame wendete sich, da sie sich unschuldig wußte, an Kentigern und bat ihn,
ihr zur Rettung ihrer Ehre behilflich zu sein. Nicht lange nachher ging
der Heilige am Flusse spazieren, und als er jemand dort fischen sah, gebot
er ihm, ihm den ersten Fisch, den er fangen würde, zu bringen. Dieß geschah,
und siehe da, der Fisch hatte den Ring der Dame im Munde, und als
derselbe ihr dann übersandt wurde, war das Mißtrauen des Gemahls
beschwichtigt."

Gordon erzählt die Sage nach dem Aberdeen Brevier in seiner "Geschichte
Glasgows" anders. "Die Königin von Cadzow hatte bei ihrem Gemahl,
dem König Roderick, den Verdacht erregt, mit einem Ritter, den er zur Jagd
eingeladen, ein vertrautes Verhältniß zu haben. Da er aber keine Beweise
hatte, so wartete er eine Gelegenheit ab, um den Mantelsack des Ritters,
wenn er schliefe, zu durchsuchen. Die Gelegenheit fand sich, und der König
entdeckte in dem Sacke einen Ring, welchen die Königin dem Ritter geschenkt
hatte. In seinem Zorne warf er ihn in den Clyde, und als sie nach be¬
endigter Jagd in das Schloß zurückkehrten, fragte der König im Laufe des
Abends seine Frau, wo sie den Ring hätte. Sie konnte ihn nicht vorzeigen.
Darauf bedrohte sie ihr Gemahl mit dem Tode, wenn sie nicht stracks den
Ring herbeischaffe. Sie schickte erst eine ihrer Mägde zu dem Ritter, und
da dieser den Ring auch nicht fand, wurde ein Bote nach Cathures (Glasgow)
gesandt, welcher dem heiligen Mungo Alles gestehen und ihn um seine Hülfe
angehen sollte. Der Apostel von Strathclyde empfand Mitleid mit der
reuigen Königin. Sofort schickte er einen seiner Mönche nach dem Flusse,
um dort zu angeln, wobei er ihm die Weisung ertheilte, den ersten Fisch,
den er fangen würde, lebendig heimzubringen. Der Mönch that, wie ihm
geheißen, Sanct Mungo fand den Ring im Maule des wunderbaren Fisches
und übersandte ihn der Königin, die ihn ihrem Gemahl übergab und dadurch
ihr Leben errettete."

Wir brauchen kaum hinzuzufügen, daß eine richtigere Erklärung jenes
Wappens des alten Bisthums Glasgow in dem Ringe den Bischofsring und
in dem Fische ein Sinnbild des Reichthums an Lachsen erblickt, dessen sich
früher der Fluß erfreute, der am Fuße der Cathedrale von Glasgow vor¬
beiströmt.

Eine alte Ballade, die sich "Der grausame Ritter" (IKo 0-not XnigKt,)
nennt, erzählt, daß ein Ritter einst an einer Hütte vorbeiging, in der eine
Frau in Kindesnöthen lag. Seine Kenntniß der geheimen Wissenschaften
sagte ihm, daß das Kind, welches hier geboren werde, bestimmt sei, einst seine
Gemahlin zu werden. Er versuchte, dem, was das Schicksal verhängt hatte,
zu entgehen und einen so unedlen Ehebund unmöglich zu machen, indem er
zu verschiedenen Malen das Kind umzubringen bemüht war. Aber immer


Dame wendete sich, da sie sich unschuldig wußte, an Kentigern und bat ihn,
ihr zur Rettung ihrer Ehre behilflich zu sein. Nicht lange nachher ging
der Heilige am Flusse spazieren, und als er jemand dort fischen sah, gebot
er ihm, ihm den ersten Fisch, den er fangen würde, zu bringen. Dieß geschah,
und siehe da, der Fisch hatte den Ring der Dame im Munde, und als
derselbe ihr dann übersandt wurde, war das Mißtrauen des Gemahls
beschwichtigt."

Gordon erzählt die Sage nach dem Aberdeen Brevier in seiner „Geschichte
Glasgows" anders. „Die Königin von Cadzow hatte bei ihrem Gemahl,
dem König Roderick, den Verdacht erregt, mit einem Ritter, den er zur Jagd
eingeladen, ein vertrautes Verhältniß zu haben. Da er aber keine Beweise
hatte, so wartete er eine Gelegenheit ab, um den Mantelsack des Ritters,
wenn er schliefe, zu durchsuchen. Die Gelegenheit fand sich, und der König
entdeckte in dem Sacke einen Ring, welchen die Königin dem Ritter geschenkt
hatte. In seinem Zorne warf er ihn in den Clyde, und als sie nach be¬
endigter Jagd in das Schloß zurückkehrten, fragte der König im Laufe des
Abends seine Frau, wo sie den Ring hätte. Sie konnte ihn nicht vorzeigen.
Darauf bedrohte sie ihr Gemahl mit dem Tode, wenn sie nicht stracks den
Ring herbeischaffe. Sie schickte erst eine ihrer Mägde zu dem Ritter, und
da dieser den Ring auch nicht fand, wurde ein Bote nach Cathures (Glasgow)
gesandt, welcher dem heiligen Mungo Alles gestehen und ihn um seine Hülfe
angehen sollte. Der Apostel von Strathclyde empfand Mitleid mit der
reuigen Königin. Sofort schickte er einen seiner Mönche nach dem Flusse,
um dort zu angeln, wobei er ihm die Weisung ertheilte, den ersten Fisch,
den er fangen würde, lebendig heimzubringen. Der Mönch that, wie ihm
geheißen, Sanct Mungo fand den Ring im Maule des wunderbaren Fisches
und übersandte ihn der Königin, die ihn ihrem Gemahl übergab und dadurch
ihr Leben errettete."

Wir brauchen kaum hinzuzufügen, daß eine richtigere Erklärung jenes
Wappens des alten Bisthums Glasgow in dem Ringe den Bischofsring und
in dem Fische ein Sinnbild des Reichthums an Lachsen erblickt, dessen sich
früher der Fluß erfreute, der am Fuße der Cathedrale von Glasgow vor¬
beiströmt.

Eine alte Ballade, die sich „Der grausame Ritter" (IKo 0-not XnigKt,)
nennt, erzählt, daß ein Ritter einst an einer Hütte vorbeiging, in der eine
Frau in Kindesnöthen lag. Seine Kenntniß der geheimen Wissenschaften
sagte ihm, daß das Kind, welches hier geboren werde, bestimmt sei, einst seine
Gemahlin zu werden. Er versuchte, dem, was das Schicksal verhängt hatte,
zu entgehen und einen so unedlen Ehebund unmöglich zu machen, indem er
zu verschiedenen Malen das Kind umzubringen bemüht war. Aber immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/490>, abgerufen am 27.09.2024.