Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

stücke bearbeitet sei und daher ohne großen Schaden der Bauplan nicht mehr
geändert werden könne, und da auch der Brandenburger Kurfürst, dem die
Zeichnungen und Modelle eingesandt worden waren, seinen Einfluß geltend
machte, so willigte der Administrator endlich ein, daß nach dem ursprünglichen
Plane weiter gearbeitet, jedoch die Arbeit verzögert werden sollte, damit die
Baukosten sich auf mehrere Jahre vertheilten. Nun goß Cesare, mit Hilfe eines
einheimischen Gießers, wahrscheinlich Martin Hilliger's, die oben erwähn¬
ten sechzehn Figuren, zu denen dann noch das Crucifix für den Altar, die
Statuen des Johannes und Paulus, die Statue Christian's I. und die zahl¬
reichen Stuckfiguren kamen. Der Maler Hans Richter aus Freiberg
bemalte die Figuren und Wolken am Chorgewölbe und bronzirte die Stuck¬
figuren, der Freiberger Steinmetz Hierony mus Eck ar de übernahm die Sand¬
steinarbeiten. Im Herbst 1S94 war der Bau vollendet und wurde nur noch
ein Jahr darauf durch die prachtvollen schmiedeeisernen Gitter (Tafel 7) vom
Domschiff getrennt, ein Werk der beiden Dresdner Schlossermeister Hans
Weber und Hans Klencke. Endlich war auch dem Grabmale Christian's I.
gegenüber schon die Stätte bereitet worden, die einst das Standbild seiner
Wittwe, Sophie von Brandenburg, aufnehmen sollte. Zwei Jahre nach dem
Tode dieser Fürstin, 1624, wurde denn auch der Nachfolger Nossent's am
sächsischen Hofe, Sebastian Walther, mit den Bildhauerarbeiten, der kur¬
fürstliche Stückgießer Hans Hilliger mit dem Guß der Statue beauftragt.
Doch kam der Auftrag nicht zur Ausführung, wahrscheinlich weil der Guß
mißlang, und so erblicken wir jetzt an dieser Stelle die Statue Johann
Georg's I. (1- 1636) von der Hand des venetianischen Erzgießers Pietro
Boselli.

Zu den merkwürdigsten Kunstdenkmälern des Freiberger Doms gehören
die zahlreichen, auf dem Boden der Begräbnißkapelle befestigten messingenen
Grabplatten mit den lebensgroßen Bildnissen der darunter begrabenen Glie¬
der des sächsischen Fürstenhauses. Nirgend in ganz Deutschland findet
sich ein solcher Reichthum derartiger Platten wie hier.*) Der Meißner
Dom besitzt deren elf, welche sämmtlich dem Ausgange des fünfzehnten und
Anfang des sechzehnten Jahrhundertsangehören; die früheste ist dem 1487 ge¬
storbnen Bischof Sigismund von Würzburg, dem Sohne Kurfürst Friedrich's des
streitbaren, die beiden jüngsten Herzog Georg dem Bärtigen und seinem Sohne
Herzog Friedrich, beide 1539 gestorben, geweiht**). Im Freiberger Dom aber
befinden sich deren 28 -- nicht 24, wie Andreae gezählt hat -- elf von er-




") Vgl. die Zusammenstellung, die Lisch im Deutschen Kunstblatt von 1852, S. 368
gegeben hat.
Eine gute Abbildung einer Grabplatte aus dem Meißner Dom bei Bucher und "ranks
im "Kunsthandwerk", 3. Jahrg. Tf. 17.

stücke bearbeitet sei und daher ohne großen Schaden der Bauplan nicht mehr
geändert werden könne, und da auch der Brandenburger Kurfürst, dem die
Zeichnungen und Modelle eingesandt worden waren, seinen Einfluß geltend
machte, so willigte der Administrator endlich ein, daß nach dem ursprünglichen
Plane weiter gearbeitet, jedoch die Arbeit verzögert werden sollte, damit die
Baukosten sich auf mehrere Jahre vertheilten. Nun goß Cesare, mit Hilfe eines
einheimischen Gießers, wahrscheinlich Martin Hilliger's, die oben erwähn¬
ten sechzehn Figuren, zu denen dann noch das Crucifix für den Altar, die
Statuen des Johannes und Paulus, die Statue Christian's I. und die zahl¬
reichen Stuckfiguren kamen. Der Maler Hans Richter aus Freiberg
bemalte die Figuren und Wolken am Chorgewölbe und bronzirte die Stuck¬
figuren, der Freiberger Steinmetz Hierony mus Eck ar de übernahm die Sand¬
steinarbeiten. Im Herbst 1S94 war der Bau vollendet und wurde nur noch
ein Jahr darauf durch die prachtvollen schmiedeeisernen Gitter (Tafel 7) vom
Domschiff getrennt, ein Werk der beiden Dresdner Schlossermeister Hans
Weber und Hans Klencke. Endlich war auch dem Grabmale Christian's I.
gegenüber schon die Stätte bereitet worden, die einst das Standbild seiner
Wittwe, Sophie von Brandenburg, aufnehmen sollte. Zwei Jahre nach dem
Tode dieser Fürstin, 1624, wurde denn auch der Nachfolger Nossent's am
sächsischen Hofe, Sebastian Walther, mit den Bildhauerarbeiten, der kur¬
fürstliche Stückgießer Hans Hilliger mit dem Guß der Statue beauftragt.
Doch kam der Auftrag nicht zur Ausführung, wahrscheinlich weil der Guß
mißlang, und so erblicken wir jetzt an dieser Stelle die Statue Johann
Georg's I. (1- 1636) von der Hand des venetianischen Erzgießers Pietro
Boselli.

Zu den merkwürdigsten Kunstdenkmälern des Freiberger Doms gehören
die zahlreichen, auf dem Boden der Begräbnißkapelle befestigten messingenen
Grabplatten mit den lebensgroßen Bildnissen der darunter begrabenen Glie¬
der des sächsischen Fürstenhauses. Nirgend in ganz Deutschland findet
sich ein solcher Reichthum derartiger Platten wie hier.*) Der Meißner
Dom besitzt deren elf, welche sämmtlich dem Ausgange des fünfzehnten und
Anfang des sechzehnten Jahrhundertsangehören; die früheste ist dem 1487 ge¬
storbnen Bischof Sigismund von Würzburg, dem Sohne Kurfürst Friedrich's des
streitbaren, die beiden jüngsten Herzog Georg dem Bärtigen und seinem Sohne
Herzog Friedrich, beide 1539 gestorben, geweiht**). Im Freiberger Dom aber
befinden sich deren 28 — nicht 24, wie Andreae gezählt hat — elf von er-




") Vgl. die Zusammenstellung, die Lisch im Deutschen Kunstblatt von 1852, S. 368
gegeben hat.
Eine gute Abbildung einer Grabplatte aus dem Meißner Dom bei Bucher und «ranks
im „Kunsthandwerk", 3. Jahrg. Tf. 17.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137111"/>
          <p xml:id="ID_1477" prev="#ID_1476"> stücke bearbeitet sei und daher ohne großen Schaden der Bauplan nicht mehr<lb/>
geändert werden könne, und da auch der Brandenburger Kurfürst, dem die<lb/>
Zeichnungen und Modelle eingesandt worden waren, seinen Einfluß geltend<lb/>
machte, so willigte der Administrator endlich ein, daß nach dem ursprünglichen<lb/>
Plane weiter gearbeitet, jedoch die Arbeit verzögert werden sollte, damit die<lb/>
Baukosten sich auf mehrere Jahre vertheilten. Nun goß Cesare, mit Hilfe eines<lb/>
einheimischen Gießers, wahrscheinlich Martin Hilliger's, die oben erwähn¬<lb/>
ten sechzehn Figuren, zu denen dann noch das Crucifix für den Altar, die<lb/>
Statuen des Johannes und Paulus, die Statue Christian's I. und die zahl¬<lb/>
reichen Stuckfiguren kamen. Der Maler Hans Richter aus Freiberg<lb/>
bemalte die Figuren und Wolken am Chorgewölbe und bronzirte die Stuck¬<lb/>
figuren, der Freiberger Steinmetz Hierony mus Eck ar de übernahm die Sand¬<lb/>
steinarbeiten. Im Herbst 1S94 war der Bau vollendet und wurde nur noch<lb/>
ein Jahr darauf durch die prachtvollen schmiedeeisernen Gitter (Tafel 7) vom<lb/>
Domschiff getrennt, ein Werk der beiden Dresdner Schlossermeister Hans<lb/>
Weber und Hans Klencke. Endlich war auch dem Grabmale Christian's I.<lb/>
gegenüber schon die Stätte bereitet worden, die einst das Standbild seiner<lb/>
Wittwe, Sophie von Brandenburg, aufnehmen sollte. Zwei Jahre nach dem<lb/>
Tode dieser Fürstin, 1624, wurde denn auch der Nachfolger Nossent's am<lb/>
sächsischen Hofe, Sebastian Walther, mit den Bildhauerarbeiten, der kur¬<lb/>
fürstliche Stückgießer Hans Hilliger mit dem Guß der Statue beauftragt.<lb/>
Doch kam der Auftrag nicht zur Ausführung, wahrscheinlich weil der Guß<lb/>
mißlang, und so erblicken wir jetzt an dieser Stelle die Statue Johann<lb/>
Georg's I. (1- 1636) von der Hand des venetianischen Erzgießers Pietro<lb/>
Boselli.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1478" next="#ID_1479"> Zu den merkwürdigsten Kunstdenkmälern des Freiberger Doms gehören<lb/>
die zahlreichen, auf dem Boden der Begräbnißkapelle befestigten messingenen<lb/>
Grabplatten mit den lebensgroßen Bildnissen der darunter begrabenen Glie¬<lb/>
der des sächsischen Fürstenhauses. Nirgend in ganz Deutschland findet<lb/>
sich ein solcher Reichthum derartiger Platten wie hier.*) Der Meißner<lb/>
Dom besitzt deren elf, welche sämmtlich dem Ausgange des fünfzehnten und<lb/>
Anfang des sechzehnten Jahrhundertsangehören; die früheste ist dem 1487 ge¬<lb/>
storbnen Bischof Sigismund von Würzburg, dem Sohne Kurfürst Friedrich's des<lb/>
streitbaren, die beiden jüngsten Herzog Georg dem Bärtigen und seinem Sohne<lb/>
Herzog Friedrich, beide 1539 gestorben, geweiht**). Im Freiberger Dom aber<lb/>
befinden sich deren 28 &#x2014; nicht 24, wie Andreae gezählt hat &#x2014; elf von er-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_38" place="foot"> ") Vgl. die Zusammenstellung, die Lisch im Deutschen Kunstblatt von 1852, S. 368<lb/>
gegeben hat.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_39" place="foot"> Eine gute Abbildung einer Grabplatte aus dem Meißner Dom bei Bucher und «ranks<lb/>
im &#x201E;Kunsthandwerk", 3. Jahrg. Tf. 17.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] stücke bearbeitet sei und daher ohne großen Schaden der Bauplan nicht mehr geändert werden könne, und da auch der Brandenburger Kurfürst, dem die Zeichnungen und Modelle eingesandt worden waren, seinen Einfluß geltend machte, so willigte der Administrator endlich ein, daß nach dem ursprünglichen Plane weiter gearbeitet, jedoch die Arbeit verzögert werden sollte, damit die Baukosten sich auf mehrere Jahre vertheilten. Nun goß Cesare, mit Hilfe eines einheimischen Gießers, wahrscheinlich Martin Hilliger's, die oben erwähn¬ ten sechzehn Figuren, zu denen dann noch das Crucifix für den Altar, die Statuen des Johannes und Paulus, die Statue Christian's I. und die zahl¬ reichen Stuckfiguren kamen. Der Maler Hans Richter aus Freiberg bemalte die Figuren und Wolken am Chorgewölbe und bronzirte die Stuck¬ figuren, der Freiberger Steinmetz Hierony mus Eck ar de übernahm die Sand¬ steinarbeiten. Im Herbst 1S94 war der Bau vollendet und wurde nur noch ein Jahr darauf durch die prachtvollen schmiedeeisernen Gitter (Tafel 7) vom Domschiff getrennt, ein Werk der beiden Dresdner Schlossermeister Hans Weber und Hans Klencke. Endlich war auch dem Grabmale Christian's I. gegenüber schon die Stätte bereitet worden, die einst das Standbild seiner Wittwe, Sophie von Brandenburg, aufnehmen sollte. Zwei Jahre nach dem Tode dieser Fürstin, 1624, wurde denn auch der Nachfolger Nossent's am sächsischen Hofe, Sebastian Walther, mit den Bildhauerarbeiten, der kur¬ fürstliche Stückgießer Hans Hilliger mit dem Guß der Statue beauftragt. Doch kam der Auftrag nicht zur Ausführung, wahrscheinlich weil der Guß mißlang, und so erblicken wir jetzt an dieser Stelle die Statue Johann Georg's I. (1- 1636) von der Hand des venetianischen Erzgießers Pietro Boselli. Zu den merkwürdigsten Kunstdenkmälern des Freiberger Doms gehören die zahlreichen, auf dem Boden der Begräbnißkapelle befestigten messingenen Grabplatten mit den lebensgroßen Bildnissen der darunter begrabenen Glie¬ der des sächsischen Fürstenhauses. Nirgend in ganz Deutschland findet sich ein solcher Reichthum derartiger Platten wie hier.*) Der Meißner Dom besitzt deren elf, welche sämmtlich dem Ausgange des fünfzehnten und Anfang des sechzehnten Jahrhundertsangehören; die früheste ist dem 1487 ge¬ storbnen Bischof Sigismund von Würzburg, dem Sohne Kurfürst Friedrich's des streitbaren, die beiden jüngsten Herzog Georg dem Bärtigen und seinem Sohne Herzog Friedrich, beide 1539 gestorben, geweiht**). Im Freiberger Dom aber befinden sich deren 28 — nicht 24, wie Andreae gezählt hat — elf von er- ") Vgl. die Zusammenstellung, die Lisch im Deutschen Kunstblatt von 1852, S. 368 gegeben hat. Eine gute Abbildung einer Grabplatte aus dem Meißner Dom bei Bucher und «ranks im „Kunsthandwerk", 3. Jahrg. Tf. 17.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/472>, abgerufen am 27.09.2024.