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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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auch gedenkt, sie richtiger als ein Werk "in elegcu.ten Renaissancesormen, mit
tüchtigen Reliefs" bezeichnet.

Das ärgste und eigentlich etwas geradezu lächerliches leisten die An-
dreae'schen Erläuterungen betreffs der sechsten Tafel, welche das prachtvolle
Grabmonument des Kurfürsten Moritz vorführt. Der Herausgeber nennt es
kurzweg "das von schönem Eisengitter umgebene, reich aus Marmor. Ala¬
baster und Bronze gebildete Moritzmonument/' Hiermit ist sein Wissen er¬
schöpft. Dagegen verabsäumt er nicht hinzuzufügen: "Im Hintergrunde links
oben an der Wand die Rüstung des Kurfürsten, welche er in der Schlacht
von Stevershausen trug, als er den tödtlichen Schuß unter dem Gürtel in
die Hüfte erhielt, worauf am 11. Juli 1653 sein Tod erfolgte." Also von
der Geschichte des herrlichen Kunstwerkes nicht ein Wort, dagegen mit um¬
ständlicher Genauigkeit die Stelle, wo den Kurfürsten Moritz die tödtliche
Kugel traf. Ist es nicht, als ob man den Küster hörte, welcher den
"artistischen Leiter" in der Kirche herumgeführt haben mag?

Da Andreae die Erbauung der Begräbnißkapelle in das Jahr 1388
setzt und über die Entstehungszeit des Moritzmonumentes nicht einmal eine
Vermuthung äußert, so scheint er zu glauben, -- und auch der Leser muß
das annehmen, -- es sei dies zu derselben Zeit errichtet worden. Dem ist
jedoch nicht so. Das Grabmal des Kurfürsten Moritz ist in den Jahren
1569 bis 1563 entstanden, und zwar sind wir -- Dank den archivalischen
Forschungen, die G. v. Berlepsch und Jul. Schmidt darüber veröffentlicht
haben*) -- über die Geschichte desselben so genau unterrichtet, daß ich sagen
möchte, wir kennen jeden Gesellen mit Namen, der daran geholfen hat. Die
Schmidt'schen Forschungen hat überdies Lübke in seiner "Geschichte der deutschen
Renaissance", wenigstens in der zweiten Hälfte derselben (S. 776 und 800), bereits
verwerthet.

Den Entschluß, das Andenken seines Bruders durch ein außergewöhn¬
lich prächtiges Grabmal zu ehren, faßte Kurfürst August schon 1668. Die
damals am sächsischen Hofe weilenden Maler aus Brescia, die Gebrüder
Gabriel und Benedict deTola. die seit 1550 hauptsächlich mit der De¬
koration des Dresdner Schlosses beschäftigt waren, erhielten damals den Auftrag.
Zeichnungen dazu zu entwerfen, und nach mannichfachen Abänderungen derselben
mußte der Hofschreiner Georg Fleischer nach diesen Zeichnungen ein
Modell "im Jungen", d. h. im verjüngten Maßstabe, schnitzen. Der Gedanke,
das ganze Denkmal in Metall gießen zu lassen, wurde wegen der zu hohen



") Der erstere in seinem Aufsatz: "Die Erbauung des dem Churfürsten Moritz von
Sachsen etc- errichteten Monuments", im Deutscken Kunstblatt von 1854, S. 444 ff., der
letztere in seinen "Beiträgen zur Kunstgeschichte Sachsens im ZK. Jahrhundert" im Archiv für
die sächsische Geschichte, XI., S. 81 fg.
Grenzvotm IV. 187". 59

auch gedenkt, sie richtiger als ein Werk „in elegcu.ten Renaissancesormen, mit
tüchtigen Reliefs" bezeichnet.

Das ärgste und eigentlich etwas geradezu lächerliches leisten die An-
dreae'schen Erläuterungen betreffs der sechsten Tafel, welche das prachtvolle
Grabmonument des Kurfürsten Moritz vorführt. Der Herausgeber nennt es
kurzweg „das von schönem Eisengitter umgebene, reich aus Marmor. Ala¬
baster und Bronze gebildete Moritzmonument/' Hiermit ist sein Wissen er¬
schöpft. Dagegen verabsäumt er nicht hinzuzufügen: „Im Hintergrunde links
oben an der Wand die Rüstung des Kurfürsten, welche er in der Schlacht
von Stevershausen trug, als er den tödtlichen Schuß unter dem Gürtel in
die Hüfte erhielt, worauf am 11. Juli 1653 sein Tod erfolgte." Also von
der Geschichte des herrlichen Kunstwerkes nicht ein Wort, dagegen mit um¬
ständlicher Genauigkeit die Stelle, wo den Kurfürsten Moritz die tödtliche
Kugel traf. Ist es nicht, als ob man den Küster hörte, welcher den
„artistischen Leiter" in der Kirche herumgeführt haben mag?

Da Andreae die Erbauung der Begräbnißkapelle in das Jahr 1388
setzt und über die Entstehungszeit des Moritzmonumentes nicht einmal eine
Vermuthung äußert, so scheint er zu glauben, — und auch der Leser muß
das annehmen, — es sei dies zu derselben Zeit errichtet worden. Dem ist
jedoch nicht so. Das Grabmal des Kurfürsten Moritz ist in den Jahren
1569 bis 1563 entstanden, und zwar sind wir — Dank den archivalischen
Forschungen, die G. v. Berlepsch und Jul. Schmidt darüber veröffentlicht
haben*) — über die Geschichte desselben so genau unterrichtet, daß ich sagen
möchte, wir kennen jeden Gesellen mit Namen, der daran geholfen hat. Die
Schmidt'schen Forschungen hat überdies Lübke in seiner „Geschichte der deutschen
Renaissance", wenigstens in der zweiten Hälfte derselben (S. 776 und 800), bereits
verwerthet.

Den Entschluß, das Andenken seines Bruders durch ein außergewöhn¬
lich prächtiges Grabmal zu ehren, faßte Kurfürst August schon 1668. Die
damals am sächsischen Hofe weilenden Maler aus Brescia, die Gebrüder
Gabriel und Benedict deTola. die seit 1550 hauptsächlich mit der De¬
koration des Dresdner Schlosses beschäftigt waren, erhielten damals den Auftrag.
Zeichnungen dazu zu entwerfen, und nach mannichfachen Abänderungen derselben
mußte der Hofschreiner Georg Fleischer nach diesen Zeichnungen ein
Modell „im Jungen", d. h. im verjüngten Maßstabe, schnitzen. Der Gedanke,
das ganze Denkmal in Metall gießen zu lassen, wurde wegen der zu hohen



") Der erstere in seinem Aufsatz: „Die Erbauung des dem Churfürsten Moritz von
Sachsen etc- errichteten Monuments", im Deutscken Kunstblatt von 1854, S. 444 ff., der
letztere in seinen „Beiträgen zur Kunstgeschichte Sachsens im ZK. Jahrhundert" im Archiv für
die sächsische Geschichte, XI., S. 81 fg.
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[0469] auch gedenkt, sie richtiger als ein Werk „in elegcu.ten Renaissancesormen, mit tüchtigen Reliefs" bezeichnet. Das ärgste und eigentlich etwas geradezu lächerliches leisten die An- dreae'schen Erläuterungen betreffs der sechsten Tafel, welche das prachtvolle Grabmonument des Kurfürsten Moritz vorführt. Der Herausgeber nennt es kurzweg „das von schönem Eisengitter umgebene, reich aus Marmor. Ala¬ baster und Bronze gebildete Moritzmonument/' Hiermit ist sein Wissen er¬ schöpft. Dagegen verabsäumt er nicht hinzuzufügen: „Im Hintergrunde links oben an der Wand die Rüstung des Kurfürsten, welche er in der Schlacht von Stevershausen trug, als er den tödtlichen Schuß unter dem Gürtel in die Hüfte erhielt, worauf am 11. Juli 1653 sein Tod erfolgte." Also von der Geschichte des herrlichen Kunstwerkes nicht ein Wort, dagegen mit um¬ ständlicher Genauigkeit die Stelle, wo den Kurfürsten Moritz die tödtliche Kugel traf. Ist es nicht, als ob man den Küster hörte, welcher den „artistischen Leiter" in der Kirche herumgeführt haben mag? Da Andreae die Erbauung der Begräbnißkapelle in das Jahr 1388 setzt und über die Entstehungszeit des Moritzmonumentes nicht einmal eine Vermuthung äußert, so scheint er zu glauben, — und auch der Leser muß das annehmen, — es sei dies zu derselben Zeit errichtet worden. Dem ist jedoch nicht so. Das Grabmal des Kurfürsten Moritz ist in den Jahren 1569 bis 1563 entstanden, und zwar sind wir — Dank den archivalischen Forschungen, die G. v. Berlepsch und Jul. Schmidt darüber veröffentlicht haben*) — über die Geschichte desselben so genau unterrichtet, daß ich sagen möchte, wir kennen jeden Gesellen mit Namen, der daran geholfen hat. Die Schmidt'schen Forschungen hat überdies Lübke in seiner „Geschichte der deutschen Renaissance", wenigstens in der zweiten Hälfte derselben (S. 776 und 800), bereits verwerthet. Den Entschluß, das Andenken seines Bruders durch ein außergewöhn¬ lich prächtiges Grabmal zu ehren, faßte Kurfürst August schon 1668. Die damals am sächsischen Hofe weilenden Maler aus Brescia, die Gebrüder Gabriel und Benedict deTola. die seit 1550 hauptsächlich mit der De¬ koration des Dresdner Schlosses beschäftigt waren, erhielten damals den Auftrag. Zeichnungen dazu zu entwerfen, und nach mannichfachen Abänderungen derselben mußte der Hofschreiner Georg Fleischer nach diesen Zeichnungen ein Modell „im Jungen", d. h. im verjüngten Maßstabe, schnitzen. Der Gedanke, das ganze Denkmal in Metall gießen zu lassen, wurde wegen der zu hohen ") Der erstere in seinem Aufsatz: „Die Erbauung des dem Churfürsten Moritz von Sachsen etc- errichteten Monuments", im Deutscken Kunstblatt von 1854, S. 444 ff., der letztere in seinen „Beiträgen zur Kunstgeschichte Sachsens im ZK. Jahrhundert" im Archiv für die sächsische Geschichte, XI., S. 81 fg. Grenzvotm IV. 187«. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/469>, abgerufen am 27.09.2024.