Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.Augenscheinlich sollen die ornamentalen Motive der Bogen stets dieselben setu, Ueber das Innere der Kirche berichtet Andreas in zwei Zeilen nach "Otto's Die kunstvolle "Tulpenkanzel" stammt sicherlich bereits aus dem Ende Augenscheinlich sollen die ornamentalen Motive der Bogen stets dieselben setu, Ueber das Innere der Kirche berichtet Andreas in zwei Zeilen nach „Otto's Die kunstvolle „Tulpenkanzel" stammt sicherlich bereits aus dem Ende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137107"/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> Augenscheinlich sollen die ornamentalen Motive der Bogen stets dieselben setu,<lb/> wie die der Säulen, aus denen sie hervorwachsen; sie sind nur von einer viel<lb/> plumperen Hand ausgeführt worden. Aber auch sonst zeigt die Ornamentik<lb/> der „Goldner Pforte" mancherlei Ungleichheiten, auf welche der Herausgeber<lb/> hätte aufmerksam machen müssen. Die zweite Säule von links und rechts<lb/> herein hat einfach cannelirten Schaft; die linke hat aber halb so breite und<lb/> deshalb gerade doppelt so viel Cannelüren wie die rechte. Aus der dritten,<lb/> rautenförmig gemusterten Säule sind die Theile, welche an der linken ver¬<lb/> tieft ausgearbeitet sind, an der rechten erhaben behandelt, und umgekehrt.<lb/> Sehr auffällig ist es endlich auch, daß an den beiden inneren, spiralförmig<lb/> ornamentirter Säulen die Spirale an beiden nach derselben Richtung<lb/> umläuft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1466"> Ueber das Innere der Kirche berichtet Andreas in zwei Zeilen nach „Otto's<lb/> (sie) Handbuch u. s. w.", womit jedenfalls Otte's „Handbuch der christlichen<lb/> Kunstarchäologie" gemeint ist. Ueber die auf der fünften Tafel abgebildeten<lb/> beiden Kanzeln weiß er weiter nichts anzugeben, als daß die ältere, die so¬<lb/> genannte Tulpenkanzel, kurz vor 1S20 — wo nach seiner Ansicht der Bau<lb/> des Doms vollendet war — entstanden sein müsse, daß sie „mehr ähnlich<lb/> einem Throne für Oberon und Titania, als einer Kanzel, übrigens ein<lb/> Meisterstück der Technik" sei, und daß sie „ihrer überzierlichen und luftigen<lb/> Structur wegen sich als halsbrecherisch erweisen mußte"; von der andern schreibt<lb/> er, daß sie, „gestützt vom stattlichen Bergmanne, der zum völligen Durchbruch<lb/> der Renaissance gelangten folgenden Periode angehört." Ueber den Gegen¬<lb/> stand der Darstellung nicht eine Silbe; nicht einmal das erfährt man, aus<lb/> welchem Material die beiden Kanzeln gefertigt sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467" next="#ID_1468"> Die kunstvolle „Tulpenkanzel" stammt sicherlich bereits aus dem Ende<lb/> des fünfzehnten Jahrhundets. Sie ist durchweg aus Sandstein gearbeitet, und<lb/> nur der vom Deckengewölbe herabhängende Schalldeckel ist aus Holz geschnitzt.<lb/> Eine eingehende Beschreibung derselben giebt Heuchler (a. a. O. S. 20 f.),<lb/> eine kürzere Lübke in seiner „Geschichte der Plastik" (2. Aufl. S. 634), welcher<lb/> wohl mit Recht schwäbische Einflüsse in dem Werke erkennt. Die andere, eben¬<lb/> falls steinerne Kanzel stammt nicht aus der Zeit des „völligen Durchbruchs der<lb/> Renaissance" — das würde in Deutschland die zweite Hälfte des sechzehnten<lb/> Jahrhunderts sein. — sondern sie ist erst 1638 auf Kosten des Freiberger Bürger¬<lb/> meisters Jonas Schönleben erbaut worden. Auch von ihr hat Heuchler<lb/> eine sorgfältige Beschreibung (a. a. O. S. 42) geliefert, der freilich bei seiner<lb/> einseitigen Vorliebe für die Gothik ihrer künstlerischen Bedeutung nicht gerecht<lb/> wird; er ist der Ansicht, daß hier nur „Gewöhnliches geleistet" sei, während<lb/> Lübke, der ihrer in seiner „Geschichte der deutschen Renaissance" (S. 800)</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
Augenscheinlich sollen die ornamentalen Motive der Bogen stets dieselben setu,
wie die der Säulen, aus denen sie hervorwachsen; sie sind nur von einer viel
plumperen Hand ausgeführt worden. Aber auch sonst zeigt die Ornamentik
der „Goldner Pforte" mancherlei Ungleichheiten, auf welche der Herausgeber
hätte aufmerksam machen müssen. Die zweite Säule von links und rechts
herein hat einfach cannelirten Schaft; die linke hat aber halb so breite und
deshalb gerade doppelt so viel Cannelüren wie die rechte. Aus der dritten,
rautenförmig gemusterten Säule sind die Theile, welche an der linken ver¬
tieft ausgearbeitet sind, an der rechten erhaben behandelt, und umgekehrt.
Sehr auffällig ist es endlich auch, daß an den beiden inneren, spiralförmig
ornamentirter Säulen die Spirale an beiden nach derselben Richtung
umläuft.
Ueber das Innere der Kirche berichtet Andreas in zwei Zeilen nach „Otto's
(sie) Handbuch u. s. w.", womit jedenfalls Otte's „Handbuch der christlichen
Kunstarchäologie" gemeint ist. Ueber die auf der fünften Tafel abgebildeten
beiden Kanzeln weiß er weiter nichts anzugeben, als daß die ältere, die so¬
genannte Tulpenkanzel, kurz vor 1S20 — wo nach seiner Ansicht der Bau
des Doms vollendet war — entstanden sein müsse, daß sie „mehr ähnlich
einem Throne für Oberon und Titania, als einer Kanzel, übrigens ein
Meisterstück der Technik" sei, und daß sie „ihrer überzierlichen und luftigen
Structur wegen sich als halsbrecherisch erweisen mußte"; von der andern schreibt
er, daß sie, „gestützt vom stattlichen Bergmanne, der zum völligen Durchbruch
der Renaissance gelangten folgenden Periode angehört." Ueber den Gegen¬
stand der Darstellung nicht eine Silbe; nicht einmal das erfährt man, aus
welchem Material die beiden Kanzeln gefertigt sind.
Die kunstvolle „Tulpenkanzel" stammt sicherlich bereits aus dem Ende
des fünfzehnten Jahrhundets. Sie ist durchweg aus Sandstein gearbeitet, und
nur der vom Deckengewölbe herabhängende Schalldeckel ist aus Holz geschnitzt.
Eine eingehende Beschreibung derselben giebt Heuchler (a. a. O. S. 20 f.),
eine kürzere Lübke in seiner „Geschichte der Plastik" (2. Aufl. S. 634), welcher
wohl mit Recht schwäbische Einflüsse in dem Werke erkennt. Die andere, eben¬
falls steinerne Kanzel stammt nicht aus der Zeit des „völligen Durchbruchs der
Renaissance" — das würde in Deutschland die zweite Hälfte des sechzehnten
Jahrhunderts sein. — sondern sie ist erst 1638 auf Kosten des Freiberger Bürger¬
meisters Jonas Schönleben erbaut worden. Auch von ihr hat Heuchler
eine sorgfältige Beschreibung (a. a. O. S. 42) geliefert, der freilich bei seiner
einseitigen Vorliebe für die Gothik ihrer künstlerischen Bedeutung nicht gerecht
wird; er ist der Ansicht, daß hier nur „Gewöhnliches geleistet" sei, während
Lübke, der ihrer in seiner „Geschichte der deutschen Renaissance" (S. 800)
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