Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber selbst, wenn es wirklich nicht so schlecht bestellt wäre mit der Zu¬
kunft der Panzerschiffe und den "canons ILruxx", wie Paul Merruau eben
erzählt hat, ja selbst wenn die Engländer ganz zum Hinterlader übergingen/)
eine Angelegenheit, die ihm schwere Sorge macht, so hat Paul Merruau
noch einen Pfeil im Köcher, um die preußische Flotte, "die noch in den
Windeln liegt", in's Herz zu treffen! Es fehlt ihr nämlich durchaus an
Matrosen, da alle die Bewohner der deutschen Seeküste millionenweise aus¬
wandern, um dem Joche der verhaßten Preußen zu entgehen. Wo er diesen
Unsinn aufgeschnappt hat, das verräth er uns nicht. Seine Einleitung zu
diesem Kapitel hat P. Merruau nicht sehr glücklich gewählt: Indem er näm¬
lich die Schöpfung der französischen Marine durch Colbert vermittelst ein¬
facher Kabinetsordres erwähnt, will er die Ansicht begründen, daß es mehrerer
Menschenalter bedürfe, bis aus dem freien Fischergeschlecht ein tüchtiger
Kriegsmatrose werde. Dabei entschlüpft ihm die Erklärung, daß heute noch
die französische Küstenbevölkerung ihren Antheil an der Vertheidigung der
"more-xg.erit" nur mit "uns resignAtion Mtrivtiyus" erfüllt. Man könnte
hier mit vollkommenem Recht auch übersetzen: "mit patriotischer Beklemmung".
Er will damit sagen, daß es auch bei der deutschen Küstenbevölkerung Jahr.
Hunderte dauern müßte, ehe sie so weit käme. Wer, wie ich, jahrelang an
der deutschen Seeküste gelebt hat, zuckt über solchen Unsinn verächtlich die
Achseln. Man sieht aber, wie sich in französischen Köpfen der Zustand der
deutschen Wehrkraft abspiegelt, wenn man liest: "Was die deutsche Küsten-
bevölkerung betrifft, so war sie bis vor wenigen Jahren von jedem Staats¬
dienst befreit." (Lieber Mann. Sie irren sich schon wieder!) "Seit diese
Bevölkerung borussificirt ist, wird Jeder, ohne Ausnahme, zum Dienst auf
den Kriegsschiffen gezwungen; sie findet sich in einem Netze gefangen, aus
dessen Maschen kein Entrinnen, außer durch Auswanderung, möglich ist. Was
ist die Folge? Die Auswanderung ist die blutende Wunde der preußischen
Flotte. Sie würde große Mühe haben, wenn sie im Beginne des Krieges
einige Tausend Matrosen verlieren sollte, Ersatz zu finden." Paulchen. Sie
sind von einer erfrischenden Naivetät! Welcher Flotte, und sei es die eng¬
lische oder amerikanische, würde es anders ergehen? Bon der französischen
wollen wir gar nicht reden; mit ihren "patriotisch beklemmten" Matrosen
wäre sie dann einfach vernichtet.



*) "Rsturn" oontinninx "un oomplktinx tlo information ok tuo rilleS guns. OrSorea
leis Kouss ok Lomnions w hö priutvcl tus ki. ^nAust 1875. N. ^V. 1875. Ur. 3".:
"Aus der zweiten Tabelle ersehen wir, daß Groß-Britannien nicht weniger als 3508
gezogne Hinterlader hat. Ebendas. Mil. Woch. 1875 Ur. 39 resumirt ein Berichterstatter
die Resultate des 81 Tons-Geschützes gegen den Krupp'schen Hinterlader von 35 ^ Centim.
ganz unabhängig von der oben citirten Quelle durchaus zu Gunsten der Kruppkanone.

Aber selbst, wenn es wirklich nicht so schlecht bestellt wäre mit der Zu¬
kunft der Panzerschiffe und den „canons ILruxx", wie Paul Merruau eben
erzählt hat, ja selbst wenn die Engländer ganz zum Hinterlader übergingen/)
eine Angelegenheit, die ihm schwere Sorge macht, so hat Paul Merruau
noch einen Pfeil im Köcher, um die preußische Flotte, „die noch in den
Windeln liegt", in's Herz zu treffen! Es fehlt ihr nämlich durchaus an
Matrosen, da alle die Bewohner der deutschen Seeküste millionenweise aus¬
wandern, um dem Joche der verhaßten Preußen zu entgehen. Wo er diesen
Unsinn aufgeschnappt hat, das verräth er uns nicht. Seine Einleitung zu
diesem Kapitel hat P. Merruau nicht sehr glücklich gewählt: Indem er näm¬
lich die Schöpfung der französischen Marine durch Colbert vermittelst ein¬
facher Kabinetsordres erwähnt, will er die Ansicht begründen, daß es mehrerer
Menschenalter bedürfe, bis aus dem freien Fischergeschlecht ein tüchtiger
Kriegsmatrose werde. Dabei entschlüpft ihm die Erklärung, daß heute noch
die französische Küstenbevölkerung ihren Antheil an der Vertheidigung der
„more-xg.erit" nur mit «uns resignAtion Mtrivtiyus" erfüllt. Man könnte
hier mit vollkommenem Recht auch übersetzen: „mit patriotischer Beklemmung".
Er will damit sagen, daß es auch bei der deutschen Küstenbevölkerung Jahr.
Hunderte dauern müßte, ehe sie so weit käme. Wer, wie ich, jahrelang an
der deutschen Seeküste gelebt hat, zuckt über solchen Unsinn verächtlich die
Achseln. Man sieht aber, wie sich in französischen Köpfen der Zustand der
deutschen Wehrkraft abspiegelt, wenn man liest: „Was die deutsche Küsten-
bevölkerung betrifft, so war sie bis vor wenigen Jahren von jedem Staats¬
dienst befreit." (Lieber Mann. Sie irren sich schon wieder!) „Seit diese
Bevölkerung borussificirt ist, wird Jeder, ohne Ausnahme, zum Dienst auf
den Kriegsschiffen gezwungen; sie findet sich in einem Netze gefangen, aus
dessen Maschen kein Entrinnen, außer durch Auswanderung, möglich ist. Was
ist die Folge? Die Auswanderung ist die blutende Wunde der preußischen
Flotte. Sie würde große Mühe haben, wenn sie im Beginne des Krieges
einige Tausend Matrosen verlieren sollte, Ersatz zu finden." Paulchen. Sie
sind von einer erfrischenden Naivetät! Welcher Flotte, und sei es die eng¬
lische oder amerikanische, würde es anders ergehen? Bon der französischen
wollen wir gar nicht reden; mit ihren „patriotisch beklemmten" Matrosen
wäre sie dann einfach vernichtet.



*) „Rsturn" oontinninx »un oomplktinx tlo information ok tuo rilleS guns. OrSorea
leis Kouss ok Lomnions w hö priutvcl tus ki. ^nAust 1875. N. ^V. 1875. Ur. 3».:
„Aus der zweiten Tabelle ersehen wir, daß Groß-Britannien nicht weniger als 3508
gezogne Hinterlader hat. Ebendas. Mil. Woch. 1875 Ur. 39 resumirt ein Berichterstatter
die Resultate des 81 Tons-Geschützes gegen den Krupp'schen Hinterlader von 35 ^ Centim.
ganz unabhängig von der oben citirten Quelle durchaus zu Gunsten der Kruppkanone.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0460" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137099"/>
          <p xml:id="ID_1445"> Aber selbst, wenn es wirklich nicht so schlecht bestellt wäre mit der Zu¬<lb/>
kunft der Panzerschiffe und den &#x201E;canons ILruxx", wie Paul Merruau eben<lb/>
erzählt hat, ja selbst wenn die Engländer ganz zum Hinterlader übergingen/)<lb/>
eine Angelegenheit, die ihm schwere Sorge macht, so hat Paul Merruau<lb/>
noch einen Pfeil im Köcher, um die preußische Flotte, &#x201E;die noch in den<lb/>
Windeln liegt", in's Herz zu treffen! Es fehlt ihr nämlich durchaus an<lb/>
Matrosen, da alle die Bewohner der deutschen Seeküste millionenweise aus¬<lb/>
wandern, um dem Joche der verhaßten Preußen zu entgehen. Wo er diesen<lb/>
Unsinn aufgeschnappt hat, das verräth er uns nicht. Seine Einleitung zu<lb/>
diesem Kapitel hat P. Merruau nicht sehr glücklich gewählt: Indem er näm¬<lb/>
lich die Schöpfung der französischen Marine durch Colbert vermittelst ein¬<lb/>
facher Kabinetsordres erwähnt, will er die Ansicht begründen, daß es mehrerer<lb/>
Menschenalter bedürfe, bis aus dem freien Fischergeschlecht ein tüchtiger<lb/>
Kriegsmatrose werde. Dabei entschlüpft ihm die Erklärung, daß heute noch<lb/>
die französische Küstenbevölkerung ihren Antheil an der Vertheidigung der<lb/>
&#x201E;more-xg.erit" nur mit «uns resignAtion Mtrivtiyus" erfüllt. Man könnte<lb/>
hier mit vollkommenem Recht auch übersetzen: &#x201E;mit patriotischer Beklemmung".<lb/>
Er will damit sagen, daß es auch bei der deutschen Küstenbevölkerung Jahr.<lb/>
Hunderte dauern müßte, ehe sie so weit käme. Wer, wie ich, jahrelang an<lb/>
der deutschen Seeküste gelebt hat, zuckt über solchen Unsinn verächtlich die<lb/>
Achseln. Man sieht aber, wie sich in französischen Köpfen der Zustand der<lb/>
deutschen Wehrkraft abspiegelt, wenn man liest: &#x201E;Was die deutsche Küsten-<lb/>
bevölkerung betrifft, so war sie bis vor wenigen Jahren von jedem Staats¬<lb/>
dienst befreit." (Lieber Mann. Sie irren sich schon wieder!) &#x201E;Seit diese<lb/>
Bevölkerung borussificirt ist, wird Jeder, ohne Ausnahme, zum Dienst auf<lb/>
den Kriegsschiffen gezwungen; sie findet sich in einem Netze gefangen, aus<lb/>
dessen Maschen kein Entrinnen, außer durch Auswanderung, möglich ist. Was<lb/>
ist die Folge? Die Auswanderung ist die blutende Wunde der preußischen<lb/>
Flotte. Sie würde große Mühe haben, wenn sie im Beginne des Krieges<lb/>
einige Tausend Matrosen verlieren sollte, Ersatz zu finden." Paulchen. Sie<lb/>
sind von einer erfrischenden Naivetät! Welcher Flotte, und sei es die eng¬<lb/>
lische oder amerikanische, würde es anders ergehen? Bon der französischen<lb/>
wollen wir gar nicht reden; mit ihren &#x201E;patriotisch beklemmten" Matrosen<lb/>
wäre sie dann einfach vernichtet.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_30" place="foot"> *) &#x201E;Rsturn" oontinninx »un oomplktinx tlo information ok tuo rilleS guns. OrSorea<lb/>
leis Kouss ok Lomnions w hö priutvcl tus ki. ^nAust 1875. N. ^V. 1875. Ur. 3».:<lb/>
&#x201E;Aus der zweiten Tabelle ersehen wir, daß Groß-Britannien nicht weniger als 3508<lb/>
gezogne Hinterlader hat. Ebendas. Mil. Woch. 1875 Ur. 39 resumirt ein Berichterstatter<lb/>
die Resultate des 81 Tons-Geschützes gegen den Krupp'schen Hinterlader von 35 ^ Centim.<lb/>
ganz unabhängig von der oben citirten Quelle durchaus zu Gunsten der Kruppkanone.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0460] Aber selbst, wenn es wirklich nicht so schlecht bestellt wäre mit der Zu¬ kunft der Panzerschiffe und den „canons ILruxx", wie Paul Merruau eben erzählt hat, ja selbst wenn die Engländer ganz zum Hinterlader übergingen/) eine Angelegenheit, die ihm schwere Sorge macht, so hat Paul Merruau noch einen Pfeil im Köcher, um die preußische Flotte, „die noch in den Windeln liegt", in's Herz zu treffen! Es fehlt ihr nämlich durchaus an Matrosen, da alle die Bewohner der deutschen Seeküste millionenweise aus¬ wandern, um dem Joche der verhaßten Preußen zu entgehen. Wo er diesen Unsinn aufgeschnappt hat, das verräth er uns nicht. Seine Einleitung zu diesem Kapitel hat P. Merruau nicht sehr glücklich gewählt: Indem er näm¬ lich die Schöpfung der französischen Marine durch Colbert vermittelst ein¬ facher Kabinetsordres erwähnt, will er die Ansicht begründen, daß es mehrerer Menschenalter bedürfe, bis aus dem freien Fischergeschlecht ein tüchtiger Kriegsmatrose werde. Dabei entschlüpft ihm die Erklärung, daß heute noch die französische Küstenbevölkerung ihren Antheil an der Vertheidigung der „more-xg.erit" nur mit «uns resignAtion Mtrivtiyus" erfüllt. Man könnte hier mit vollkommenem Recht auch übersetzen: „mit patriotischer Beklemmung". Er will damit sagen, daß es auch bei der deutschen Küstenbevölkerung Jahr. Hunderte dauern müßte, ehe sie so weit käme. Wer, wie ich, jahrelang an der deutschen Seeküste gelebt hat, zuckt über solchen Unsinn verächtlich die Achseln. Man sieht aber, wie sich in französischen Köpfen der Zustand der deutschen Wehrkraft abspiegelt, wenn man liest: „Was die deutsche Küsten- bevölkerung betrifft, so war sie bis vor wenigen Jahren von jedem Staats¬ dienst befreit." (Lieber Mann. Sie irren sich schon wieder!) „Seit diese Bevölkerung borussificirt ist, wird Jeder, ohne Ausnahme, zum Dienst auf den Kriegsschiffen gezwungen; sie findet sich in einem Netze gefangen, aus dessen Maschen kein Entrinnen, außer durch Auswanderung, möglich ist. Was ist die Folge? Die Auswanderung ist die blutende Wunde der preußischen Flotte. Sie würde große Mühe haben, wenn sie im Beginne des Krieges einige Tausend Matrosen verlieren sollte, Ersatz zu finden." Paulchen. Sie sind von einer erfrischenden Naivetät! Welcher Flotte, und sei es die eng¬ lische oder amerikanische, würde es anders ergehen? Bon der französischen wollen wir gar nicht reden; mit ihren „patriotisch beklemmten" Matrosen wäre sie dann einfach vernichtet. *) „Rsturn" oontinninx »un oomplktinx tlo information ok tuo rilleS guns. OrSorea leis Kouss ok Lomnions w hö priutvcl tus ki. ^nAust 1875. N. ^V. 1875. Ur. 3».: „Aus der zweiten Tabelle ersehen wir, daß Groß-Britannien nicht weniger als 3508 gezogne Hinterlader hat. Ebendas. Mil. Woch. 1875 Ur. 39 resumirt ein Berichterstatter die Resultate des 81 Tons-Geschützes gegen den Krupp'schen Hinterlader von 35 ^ Centim. ganz unabhängig von der oben citirten Quelle durchaus zu Gunsten der Kruppkanone.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/460
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/460>, abgerufen am 27.09.2024.