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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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eine große Schlacht liefern. Die fremden Völker werden Mützen tragen und
von den Dörfern Ahligsen und Schillerslage heranziehen. In der Schlacht
wird es so grausam hergehen, daß das Blut gleich Strömen bergab in den
Stadtgraben laufen und daß das Wasser in letzterem kaum noch erkennbar
sein wird. Den Burgdorfern selbst aber wird dabei kein Leid widerfahren,
nur werden sie sich vor Rauch und Dampf kaum bergen können, auch
wird einmal Feuer hinter dem Wall ausbrechen, doch wird es sogleich ge¬
löscht werden." Wer von den Einwohnern aber fliehen wolle, räth Wicken-
thies, der solle nach dem Rischmoor gehen. In Braunschweig aber werde
es ganz sicher sein. In der Schlacht würde unter einem dicken Baume, unter
welchem vorher eine Sau ein Nest mit Eiern ausgewühlt haben werde, ein
General todtgeschossen werden. Sie würde Anfangs sehr zweifelhaft sein.
Wenn aber der Reiter auf dem weißen Pferde von Celle her erscheine, wür¬
den die Feinde, welche kein undeutsches Volk seien, auf einmal in die Flucht
geschlagen werden und sich so eilig zurückziehen, daß, wenn ein Brot auf dem
Schlagbaum läge und sie noch so hungrig wären, sich doch keiner die Zeit
nehmen würde, es wegzutragen. Nach der Schlacht, in welcher das Heer
des Königs der sieben Länder neun Fuder Gold und andere unermeßliche
Kriegsbeute gewinnen werde, würde der Weg nach Celle frei sein. Das ge-
sammte Kriegsvolk würde dann nach Hannover hinrücken und Alles hinter
sich verwüsten. Auch die Stadt Hannover würde in einen Steinhaufen ver¬
wandelt werden. Dagegen würden die Burgdorfer sich bei der bösen Zeit
gut stehen, indem ihnen zwei Fuder Gold von dem Schatze des Feindes, die
im Ahrbecker Föhr zurückbleiben gemußt, weil der Damm, der in der Eile ge¬
macht worden, einen Bruch erlitten habe, zur Beute werden sollten. "Die
Ersten, welche es angreifen, verlieren das Leben darüber, die zweite Partei
erobert es ohne Schwertstreich, die dritte hat das leere Nachsehen." Zum
Schluß erfolgt ein erwünschter Friede, den der Reiter auf dem weißen Pferde
von Celle herüberbringt.

Das fremde, aber nicht undeutsche Volk in Mützen, welches die Prophe¬
zeiung als Feinde bezeichnete, sollten vermuthlich die Preußen und der König
der sieben Länder, welcher siegt, sollte wohl Napoleon der Dritte oder Kaiser
Alexander von Nußland sein, auf welchen die Wolfischen -- weßhalb, war
räthselhaft -- damals auch Hoffnungen bauten. Der Reiter auf dem weißen
Pferde konnte ein sehr alter, aber auch ein sehr junger Herr sein: ein sehr
alter, nämlich der Schlachtengott der heidnischen Deutschen, Wuotan auf
dem achtfüßigen Schimmel SIeipner, den man in Sagen der Urzeit oft in
dieser Weise über Schlachten walten sieht, ein sehr junger, nämlich der Kron¬
prinz Ernst August auf einem der "Weißgebornen" des exköniglichen Mar-
stalls. Der gute Jüngling sieht auf seiner Photographie nicht wie ein Held


eine große Schlacht liefern. Die fremden Völker werden Mützen tragen und
von den Dörfern Ahligsen und Schillerslage heranziehen. In der Schlacht
wird es so grausam hergehen, daß das Blut gleich Strömen bergab in den
Stadtgraben laufen und daß das Wasser in letzterem kaum noch erkennbar
sein wird. Den Burgdorfern selbst aber wird dabei kein Leid widerfahren,
nur werden sie sich vor Rauch und Dampf kaum bergen können, auch
wird einmal Feuer hinter dem Wall ausbrechen, doch wird es sogleich ge¬
löscht werden." Wer von den Einwohnern aber fliehen wolle, räth Wicken-
thies, der solle nach dem Rischmoor gehen. In Braunschweig aber werde
es ganz sicher sein. In der Schlacht würde unter einem dicken Baume, unter
welchem vorher eine Sau ein Nest mit Eiern ausgewühlt haben werde, ein
General todtgeschossen werden. Sie würde Anfangs sehr zweifelhaft sein.
Wenn aber der Reiter auf dem weißen Pferde von Celle her erscheine, wür¬
den die Feinde, welche kein undeutsches Volk seien, auf einmal in die Flucht
geschlagen werden und sich so eilig zurückziehen, daß, wenn ein Brot auf dem
Schlagbaum läge und sie noch so hungrig wären, sich doch keiner die Zeit
nehmen würde, es wegzutragen. Nach der Schlacht, in welcher das Heer
des Königs der sieben Länder neun Fuder Gold und andere unermeßliche
Kriegsbeute gewinnen werde, würde der Weg nach Celle frei sein. Das ge-
sammte Kriegsvolk würde dann nach Hannover hinrücken und Alles hinter
sich verwüsten. Auch die Stadt Hannover würde in einen Steinhaufen ver¬
wandelt werden. Dagegen würden die Burgdorfer sich bei der bösen Zeit
gut stehen, indem ihnen zwei Fuder Gold von dem Schatze des Feindes, die
im Ahrbecker Föhr zurückbleiben gemußt, weil der Damm, der in der Eile ge¬
macht worden, einen Bruch erlitten habe, zur Beute werden sollten. „Die
Ersten, welche es angreifen, verlieren das Leben darüber, die zweite Partei
erobert es ohne Schwertstreich, die dritte hat das leere Nachsehen." Zum
Schluß erfolgt ein erwünschter Friede, den der Reiter auf dem weißen Pferde
von Celle herüberbringt.

Das fremde, aber nicht undeutsche Volk in Mützen, welches die Prophe¬
zeiung als Feinde bezeichnete, sollten vermuthlich die Preußen und der König
der sieben Länder, welcher siegt, sollte wohl Napoleon der Dritte oder Kaiser
Alexander von Nußland sein, auf welchen die Wolfischen — weßhalb, war
räthselhaft — damals auch Hoffnungen bauten. Der Reiter auf dem weißen
Pferde konnte ein sehr alter, aber auch ein sehr junger Herr sein: ein sehr
alter, nämlich der Schlachtengott der heidnischen Deutschen, Wuotan auf
dem achtfüßigen Schimmel SIeipner, den man in Sagen der Urzeit oft in
dieser Weise über Schlachten walten sieht, ein sehr junger, nämlich der Kron¬
prinz Ernst August auf einem der „Weißgebornen" des exköniglichen Mar-
stalls. Der gute Jüngling sieht auf seiner Photographie nicht wie ein Held


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[0378] eine große Schlacht liefern. Die fremden Völker werden Mützen tragen und von den Dörfern Ahligsen und Schillerslage heranziehen. In der Schlacht wird es so grausam hergehen, daß das Blut gleich Strömen bergab in den Stadtgraben laufen und daß das Wasser in letzterem kaum noch erkennbar sein wird. Den Burgdorfern selbst aber wird dabei kein Leid widerfahren, nur werden sie sich vor Rauch und Dampf kaum bergen können, auch wird einmal Feuer hinter dem Wall ausbrechen, doch wird es sogleich ge¬ löscht werden." Wer von den Einwohnern aber fliehen wolle, räth Wicken- thies, der solle nach dem Rischmoor gehen. In Braunschweig aber werde es ganz sicher sein. In der Schlacht würde unter einem dicken Baume, unter welchem vorher eine Sau ein Nest mit Eiern ausgewühlt haben werde, ein General todtgeschossen werden. Sie würde Anfangs sehr zweifelhaft sein. Wenn aber der Reiter auf dem weißen Pferde von Celle her erscheine, wür¬ den die Feinde, welche kein undeutsches Volk seien, auf einmal in die Flucht geschlagen werden und sich so eilig zurückziehen, daß, wenn ein Brot auf dem Schlagbaum läge und sie noch so hungrig wären, sich doch keiner die Zeit nehmen würde, es wegzutragen. Nach der Schlacht, in welcher das Heer des Königs der sieben Länder neun Fuder Gold und andere unermeßliche Kriegsbeute gewinnen werde, würde der Weg nach Celle frei sein. Das ge- sammte Kriegsvolk würde dann nach Hannover hinrücken und Alles hinter sich verwüsten. Auch die Stadt Hannover würde in einen Steinhaufen ver¬ wandelt werden. Dagegen würden die Burgdorfer sich bei der bösen Zeit gut stehen, indem ihnen zwei Fuder Gold von dem Schatze des Feindes, die im Ahrbecker Föhr zurückbleiben gemußt, weil der Damm, der in der Eile ge¬ macht worden, einen Bruch erlitten habe, zur Beute werden sollten. „Die Ersten, welche es angreifen, verlieren das Leben darüber, die zweite Partei erobert es ohne Schwertstreich, die dritte hat das leere Nachsehen." Zum Schluß erfolgt ein erwünschter Friede, den der Reiter auf dem weißen Pferde von Celle herüberbringt. Das fremde, aber nicht undeutsche Volk in Mützen, welches die Prophe¬ zeiung als Feinde bezeichnete, sollten vermuthlich die Preußen und der König der sieben Länder, welcher siegt, sollte wohl Napoleon der Dritte oder Kaiser Alexander von Nußland sein, auf welchen die Wolfischen — weßhalb, war räthselhaft — damals auch Hoffnungen bauten. Der Reiter auf dem weißen Pferde konnte ein sehr alter, aber auch ein sehr junger Herr sein: ein sehr alter, nämlich der Schlachtengott der heidnischen Deutschen, Wuotan auf dem achtfüßigen Schimmel SIeipner, den man in Sagen der Urzeit oft in dieser Weise über Schlachten walten sieht, ein sehr junger, nämlich der Kron¬ prinz Ernst August auf einem der „Weißgebornen" des exköniglichen Mar- stalls. Der gute Jüngling sieht auf seiner Photographie nicht wie ein Held

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/378>, abgerufen am 27.09.2024.