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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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des Heiligen Vaters beschafft worden -- der Segen des Statthalters Christi für
Organe des Hasses! Przyniczynski, als umsichtiger Geschäftsmann, kündigte diesen
Segen gegen das Ende des Quartals an, behielt ihn aber bis zum Beginn
des neuen Vierteljahrs im Sack, damit ihn -- recht viele neue Abonnenten
mitgenießen könnten.

Ein Hauptmittel zur Verbreitung der oberschlesischen, wie der anderen
polnischen Hetzblätter bilden die polnischen "Lesevereine", deren sich schon die
Wühler des Jahres 1848 bedient haben, wie oben berichtet wurde. Den
ersten gründete Dr. v. Chlapowskt in Königshütte; jetzt giebt es deren eine
ganze Anzahl in Städten und Dörfern. Sie werden meistens von Kaplänen
geleitet, die durch ihre mündlichen Erläuterungen den Eindruck der Druck¬
schriften bestens zu verstärken bemüht sind. Ueberhaupt ist die römische Geist¬
lichkeit Oberschlesiens, obwohl sie vorwiegend aus Deutschen besteht, die
Hauptstütze der national-polnischen Presse und der ganzen Wühlerei. Durch
sie wird nicht blos das Abonnement auf jene den Bauern und anderen
Gläubigen aufgedrungen, manche Priester halten auch aus eignem Beutel
mehr oder weniger Exemplare derselben und vertheilen sie unter Un¬
bemittelte.

Neu eingeführt wurden durch I)r. v. Chlapowski die "Kolko", polnische
Unterhaltungsgesellschaften, in denen bei Tanz, Musik, Bier und heiteren
Gesprächen die "nationale Idee" verbreitet werden soll. Diese Art von pol¬
nischen Bereinen ist die unschädlichste; wenn die Gründer derselben oder doch
irgend ein geistlicher Führer nicht beständig gegenwärtig sind, so tritt in ihnen
bald der Branntwein als erstes nationales Unterhaltungsmittel in seine
Rechte. Dr. v. Chlapowskt gründete zuerst in Königshütte ein Kollo, dann
in Beuthen, als er nach mehrmonatlichen Reisen dorthin seinen Aufenthalt
verlegte. Letzterer Verein besteht hauptsächlich aus vorstädtischen Bauern,
außerdem aus einigen Schuhmachern und anderen kleinen Handwerkern-
Aehnlich wird vermuthlich die Zusammensetzung der übrigen gleichen Vereine
in mehreren kleinen Städten und Dörfern des östlichen Oberschlestens be¬
schaffen sein. Dennoch hat sich unter den Mitgliedern der Kolkos das Ma¬
terial gefunden, aus dem besonders der vielseitige Redakteur Przyniczynski
Schauspieler drillte, indem er mit ihnen, z. Th. unter Zuziehung einzelner
wirklicher Schauspieler, in einigen Städten Theaterstücke zur Aufführung
brachte. In Beuthen wurde u. A. die Geburt Jesu zum Besten gegeben, in
der als Verkündigungs-Engel bei den Hirten ein strammes Frauenzimmer
mit mächtigen Papier-Fittigen auftrat und fast den meisten Beifall bei der
dankbaren Zuhörerschaft erntete. Unabhängig von Herrn Przyniczynski leitete
sein Konkurrent. Herr Miarka, die nationalen Bühnen in Nikolai und in
dem benachbarten Sohrau. Er speiste diese Kunstanstalten z. Th. mit eignen


des Heiligen Vaters beschafft worden — der Segen des Statthalters Christi für
Organe des Hasses! Przyniczynski, als umsichtiger Geschäftsmann, kündigte diesen
Segen gegen das Ende des Quartals an, behielt ihn aber bis zum Beginn
des neuen Vierteljahrs im Sack, damit ihn — recht viele neue Abonnenten
mitgenießen könnten.

Ein Hauptmittel zur Verbreitung der oberschlesischen, wie der anderen
polnischen Hetzblätter bilden die polnischen „Lesevereine", deren sich schon die
Wühler des Jahres 1848 bedient haben, wie oben berichtet wurde. Den
ersten gründete Dr. v. Chlapowskt in Königshütte; jetzt giebt es deren eine
ganze Anzahl in Städten und Dörfern. Sie werden meistens von Kaplänen
geleitet, die durch ihre mündlichen Erläuterungen den Eindruck der Druck¬
schriften bestens zu verstärken bemüht sind. Ueberhaupt ist die römische Geist¬
lichkeit Oberschlesiens, obwohl sie vorwiegend aus Deutschen besteht, die
Hauptstütze der national-polnischen Presse und der ganzen Wühlerei. Durch
sie wird nicht blos das Abonnement auf jene den Bauern und anderen
Gläubigen aufgedrungen, manche Priester halten auch aus eignem Beutel
mehr oder weniger Exemplare derselben und vertheilen sie unter Un¬
bemittelte.

Neu eingeführt wurden durch I)r. v. Chlapowski die „Kolko", polnische
Unterhaltungsgesellschaften, in denen bei Tanz, Musik, Bier und heiteren
Gesprächen die „nationale Idee" verbreitet werden soll. Diese Art von pol¬
nischen Bereinen ist die unschädlichste; wenn die Gründer derselben oder doch
irgend ein geistlicher Führer nicht beständig gegenwärtig sind, so tritt in ihnen
bald der Branntwein als erstes nationales Unterhaltungsmittel in seine
Rechte. Dr. v. Chlapowskt gründete zuerst in Königshütte ein Kollo, dann
in Beuthen, als er nach mehrmonatlichen Reisen dorthin seinen Aufenthalt
verlegte. Letzterer Verein besteht hauptsächlich aus vorstädtischen Bauern,
außerdem aus einigen Schuhmachern und anderen kleinen Handwerkern-
Aehnlich wird vermuthlich die Zusammensetzung der übrigen gleichen Vereine
in mehreren kleinen Städten und Dörfern des östlichen Oberschlestens be¬
schaffen sein. Dennoch hat sich unter den Mitgliedern der Kolkos das Ma¬
terial gefunden, aus dem besonders der vielseitige Redakteur Przyniczynski
Schauspieler drillte, indem er mit ihnen, z. Th. unter Zuziehung einzelner
wirklicher Schauspieler, in einigen Städten Theaterstücke zur Aufführung
brachte. In Beuthen wurde u. A. die Geburt Jesu zum Besten gegeben, in
der als Verkündigungs-Engel bei den Hirten ein strammes Frauenzimmer
mit mächtigen Papier-Fittigen auftrat und fast den meisten Beifall bei der
dankbaren Zuhörerschaft erntete. Unabhängig von Herrn Przyniczynski leitete
sein Konkurrent. Herr Miarka, die nationalen Bühnen in Nikolai und in
dem benachbarten Sohrau. Er speiste diese Kunstanstalten z. Th. mit eignen


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[0346] des Heiligen Vaters beschafft worden — der Segen des Statthalters Christi für Organe des Hasses! Przyniczynski, als umsichtiger Geschäftsmann, kündigte diesen Segen gegen das Ende des Quartals an, behielt ihn aber bis zum Beginn des neuen Vierteljahrs im Sack, damit ihn — recht viele neue Abonnenten mitgenießen könnten. Ein Hauptmittel zur Verbreitung der oberschlesischen, wie der anderen polnischen Hetzblätter bilden die polnischen „Lesevereine", deren sich schon die Wühler des Jahres 1848 bedient haben, wie oben berichtet wurde. Den ersten gründete Dr. v. Chlapowskt in Königshütte; jetzt giebt es deren eine ganze Anzahl in Städten und Dörfern. Sie werden meistens von Kaplänen geleitet, die durch ihre mündlichen Erläuterungen den Eindruck der Druck¬ schriften bestens zu verstärken bemüht sind. Ueberhaupt ist die römische Geist¬ lichkeit Oberschlesiens, obwohl sie vorwiegend aus Deutschen besteht, die Hauptstütze der national-polnischen Presse und der ganzen Wühlerei. Durch sie wird nicht blos das Abonnement auf jene den Bauern und anderen Gläubigen aufgedrungen, manche Priester halten auch aus eignem Beutel mehr oder weniger Exemplare derselben und vertheilen sie unter Un¬ bemittelte. Neu eingeführt wurden durch I)r. v. Chlapowski die „Kolko", polnische Unterhaltungsgesellschaften, in denen bei Tanz, Musik, Bier und heiteren Gesprächen die „nationale Idee" verbreitet werden soll. Diese Art von pol¬ nischen Bereinen ist die unschädlichste; wenn die Gründer derselben oder doch irgend ein geistlicher Führer nicht beständig gegenwärtig sind, so tritt in ihnen bald der Branntwein als erstes nationales Unterhaltungsmittel in seine Rechte. Dr. v. Chlapowskt gründete zuerst in Königshütte ein Kollo, dann in Beuthen, als er nach mehrmonatlichen Reisen dorthin seinen Aufenthalt verlegte. Letzterer Verein besteht hauptsächlich aus vorstädtischen Bauern, außerdem aus einigen Schuhmachern und anderen kleinen Handwerkern- Aehnlich wird vermuthlich die Zusammensetzung der übrigen gleichen Vereine in mehreren kleinen Städten und Dörfern des östlichen Oberschlestens be¬ schaffen sein. Dennoch hat sich unter den Mitgliedern der Kolkos das Ma¬ terial gefunden, aus dem besonders der vielseitige Redakteur Przyniczynski Schauspieler drillte, indem er mit ihnen, z. Th. unter Zuziehung einzelner wirklicher Schauspieler, in einigen Städten Theaterstücke zur Aufführung brachte. In Beuthen wurde u. A. die Geburt Jesu zum Besten gegeben, in der als Verkündigungs-Engel bei den Hirten ein strammes Frauenzimmer mit mächtigen Papier-Fittigen auftrat und fast den meisten Beifall bei der dankbaren Zuhörerschaft erntete. Unabhängig von Herrn Przyniczynski leitete sein Konkurrent. Herr Miarka, die nationalen Bühnen in Nikolai und in dem benachbarten Sohrau. Er speiste diese Kunstanstalten z. Th. mit eignen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/346>, abgerufen am 27.09.2024.