Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr sein königliches Wohlwollen zu, und in den letzten Jahrzehnten ist die¬
selbe ziemlich allenthalben in England wieder rehabilitirt und zu ihrer frühe¬
ren Verbreitung gelangt. Nur die Damen haben sich noch nicht wieder zu
ihr bekehrt, aber ihre Aussichten auf Beseitigung des Rauchers bei dem
stärkeren Geschlecht sind nach Thackeray's Meinung trübe. "Was ist denn
dieses Rauchen, daß man es als ein Verbrechen betrachtet?" fragt dieser ge¬
feierte Humorist in seinen "^its-LooÄI" ?g,xors." "Ich bin im Stillen der
Meinung, daß die Damen auf dasselbe eifersüchtig sind wie auf einen Neben¬
buhler. Die Sache steht aber so, daß die Cigarre allerdings eine Neben¬
buhlerin der Damen, aber zugleich ihnen überlegen ist. Man überschaue ein¬
mal die weite Welt, und man wird sehen, wie der Gegner der Damen sie
überwältigt hat. Deutschland qualmt seit hundert und achtzig Jahren,
Frankreich raucht Mann für Mann. Glaubt Ihr, daß Ihr den Feind von
England fern halten könnt? Bah, seht Euch den Fortschritt an. Fragt
die Clubs. Ich meinestheils gerathe nicht in Verzweifelung, wenn ich einen
Bischof mit einem Glimmstengel im Munde oder einer Thonpfeife hinterm
Hutbande aus dem Athenäum herausschlendern sehe."

Was hier Thackeray von Deutschland und Frankreich sagt, ist wahr.
In letzterem war Ludwig der Vierzehnte dem Tabak äußerst abgeneigt, wir
Wissen aber, daß seine Töchter des Nachts sich von der Steifheit des Hofes
bei kleinen Orgien erholten, bei denen sie sich eine Güte mit Pfeifen thaten,
welche die dienstthuenden Schweizer ihnen leihen mußten. Ebenso wurde
damals wie unter den späteren Königen viel geschnupft, und in diesem Jahr¬
hundert ist das Sprichwort "kumer ooinrns un ^.llemanä" in Frankreich
außer Uebung gekommen, weil der Franzose jetzt fast ebenso viel raucht als
sein Herr Nachbar jenseits der Vogesen. Starke Raucher waren unter den
französischen Dichtern Alfred de Musset, Prosper Merimee, Eugene Tue und
Paul de Se. Victor. Auch Madame Düdevant liebte die Cigarre. Balzac,
Dumas und Victor Hugo enthielten sich des Tabaks. Napoleon III.
schmauchte so leidenschaftlich Cigaretten, daß er sie auch während der Be-
kMiung mit Bismarck zwischen Sedan und Donchery (Verfasser spricht als
Augenzeuge) kaum ausgehen ließ. Sein Oheim schnupfte und war nicht der
Erste auf Frankreichs Throne, der dieser Gewohnheit huldigte; denn schon
Ludwig der Fünfzehnte hatte sich von den französischen Fabrikanten an allen
^ujahrstagen mit feinem Rappe' beschenken lassen. Talleyrand aber war der
Meinung, daß jeder bedeutende Diplomat ein Schnupfer sein sollte, da die
^ose ihm Gelegenheit verschaffe, unter dem Vorwand, eine Prise nehmen zu
Müssen, sich auf passende Antworten und Ausflüchte für plötzlich an ihn her¬
antretende unbequeme oder gefährliche Fragsteller zu besinnen. Wenn wir
""s einen deutschen Landpfarrer nicht gut ohne l"nge Pfeife vorstellen können


ihr sein königliches Wohlwollen zu, und in den letzten Jahrzehnten ist die¬
selbe ziemlich allenthalben in England wieder rehabilitirt und zu ihrer frühe¬
ren Verbreitung gelangt. Nur die Damen haben sich noch nicht wieder zu
ihr bekehrt, aber ihre Aussichten auf Beseitigung des Rauchers bei dem
stärkeren Geschlecht sind nach Thackeray's Meinung trübe. „Was ist denn
dieses Rauchen, daß man es als ein Verbrechen betrachtet?" fragt dieser ge¬
feierte Humorist in seinen „^its-LooÄI« ?g,xors." „Ich bin im Stillen der
Meinung, daß die Damen auf dasselbe eifersüchtig sind wie auf einen Neben¬
buhler. Die Sache steht aber so, daß die Cigarre allerdings eine Neben¬
buhlerin der Damen, aber zugleich ihnen überlegen ist. Man überschaue ein¬
mal die weite Welt, und man wird sehen, wie der Gegner der Damen sie
überwältigt hat. Deutschland qualmt seit hundert und achtzig Jahren,
Frankreich raucht Mann für Mann. Glaubt Ihr, daß Ihr den Feind von
England fern halten könnt? Bah, seht Euch den Fortschritt an. Fragt
die Clubs. Ich meinestheils gerathe nicht in Verzweifelung, wenn ich einen
Bischof mit einem Glimmstengel im Munde oder einer Thonpfeife hinterm
Hutbande aus dem Athenäum herausschlendern sehe."

Was hier Thackeray von Deutschland und Frankreich sagt, ist wahr.
In letzterem war Ludwig der Vierzehnte dem Tabak äußerst abgeneigt, wir
Wissen aber, daß seine Töchter des Nachts sich von der Steifheit des Hofes
bei kleinen Orgien erholten, bei denen sie sich eine Güte mit Pfeifen thaten,
welche die dienstthuenden Schweizer ihnen leihen mußten. Ebenso wurde
damals wie unter den späteren Königen viel geschnupft, und in diesem Jahr¬
hundert ist das Sprichwort „kumer ooinrns un ^.llemanä" in Frankreich
außer Uebung gekommen, weil der Franzose jetzt fast ebenso viel raucht als
sein Herr Nachbar jenseits der Vogesen. Starke Raucher waren unter den
französischen Dichtern Alfred de Musset, Prosper Merimee, Eugene Tue und
Paul de Se. Victor. Auch Madame Düdevant liebte die Cigarre. Balzac,
Dumas und Victor Hugo enthielten sich des Tabaks. Napoleon III.
schmauchte so leidenschaftlich Cigaretten, daß er sie auch während der Be-
kMiung mit Bismarck zwischen Sedan und Donchery (Verfasser spricht als
Augenzeuge) kaum ausgehen ließ. Sein Oheim schnupfte und war nicht der
Erste auf Frankreichs Throne, der dieser Gewohnheit huldigte; denn schon
Ludwig der Fünfzehnte hatte sich von den französischen Fabrikanten an allen
^ujahrstagen mit feinem Rappe' beschenken lassen. Talleyrand aber war der
Meinung, daß jeder bedeutende Diplomat ein Schnupfer sein sollte, da die
^ose ihm Gelegenheit verschaffe, unter dem Vorwand, eine Prise nehmen zu
Müssen, sich auf passende Antworten und Ausflüchte für plötzlich an ihn her¬
antretende unbequeme oder gefährliche Fragsteller zu besinnen. Wenn wir
""s einen deutschen Landpfarrer nicht gut ohne l«nge Pfeife vorstellen können


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136976"/>
          <p xml:id="ID_1068" prev="#ID_1067"> ihr sein königliches Wohlwollen zu, und in den letzten Jahrzehnten ist die¬<lb/>
selbe ziemlich allenthalben in England wieder rehabilitirt und zu ihrer frühe¬<lb/>
ren Verbreitung gelangt. Nur die Damen haben sich noch nicht wieder zu<lb/>
ihr bekehrt, aber ihre Aussichten auf Beseitigung des Rauchers bei dem<lb/>
stärkeren Geschlecht sind nach Thackeray's Meinung trübe. &#x201E;Was ist denn<lb/>
dieses Rauchen, daß man es als ein Verbrechen betrachtet?" fragt dieser ge¬<lb/>
feierte Humorist in seinen &#x201E;^its-LooÄI« ?g,xors." &#x201E;Ich bin im Stillen der<lb/>
Meinung, daß die Damen auf dasselbe eifersüchtig sind wie auf einen Neben¬<lb/>
buhler. Die Sache steht aber so, daß die Cigarre allerdings eine Neben¬<lb/>
buhlerin der Damen, aber zugleich ihnen überlegen ist. Man überschaue ein¬<lb/>
mal die weite Welt, und man wird sehen, wie der Gegner der Damen sie<lb/>
überwältigt hat. Deutschland qualmt seit hundert und achtzig Jahren,<lb/>
Frankreich raucht Mann für Mann. Glaubt Ihr, daß Ihr den Feind von<lb/>
England fern halten könnt? Bah, seht Euch den Fortschritt an. Fragt<lb/>
die Clubs. Ich meinestheils gerathe nicht in Verzweifelung, wenn ich einen<lb/>
Bischof mit einem Glimmstengel im Munde oder einer Thonpfeife hinterm<lb/>
Hutbande aus dem Athenäum herausschlendern sehe."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1069" next="#ID_1070"> Was hier Thackeray von Deutschland und Frankreich sagt, ist wahr.<lb/>
In letzterem war Ludwig der Vierzehnte dem Tabak äußerst abgeneigt, wir<lb/>
Wissen aber, daß seine Töchter des Nachts sich von der Steifheit des Hofes<lb/>
bei kleinen Orgien erholten, bei denen sie sich eine Güte mit Pfeifen thaten,<lb/>
welche die dienstthuenden Schweizer ihnen leihen mußten. Ebenso wurde<lb/>
damals wie unter den späteren Königen viel geschnupft, und in diesem Jahr¬<lb/>
hundert ist das Sprichwort &#x201E;kumer ooinrns un ^.llemanä" in Frankreich<lb/>
außer Uebung gekommen, weil der Franzose jetzt fast ebenso viel raucht als<lb/>
sein Herr Nachbar jenseits der Vogesen. Starke Raucher waren unter den<lb/>
französischen Dichtern Alfred de Musset, Prosper Merimee, Eugene Tue und<lb/>
Paul de Se. Victor. Auch Madame Düdevant liebte die Cigarre. Balzac,<lb/>
Dumas und Victor Hugo enthielten sich des Tabaks. Napoleon III.<lb/>
schmauchte so leidenschaftlich Cigaretten, daß er sie auch während der Be-<lb/>
kMiung mit Bismarck zwischen Sedan und Donchery (Verfasser spricht als<lb/>
Augenzeuge) kaum ausgehen ließ. Sein Oheim schnupfte und war nicht der<lb/>
Erste auf Frankreichs Throne, der dieser Gewohnheit huldigte; denn schon<lb/>
Ludwig der Fünfzehnte hatte sich von den französischen Fabrikanten an allen<lb/>
^ujahrstagen mit feinem Rappe' beschenken lassen. Talleyrand aber war der<lb/>
Meinung, daß jeder bedeutende Diplomat ein Schnupfer sein sollte, da die<lb/>
^ose ihm Gelegenheit verschaffe, unter dem Vorwand, eine Prise nehmen zu<lb/>
Müssen, sich auf passende Antworten und Ausflüchte für plötzlich an ihn her¬<lb/>
antretende unbequeme oder gefährliche Fragsteller zu besinnen. Wenn wir<lb/>
""s einen deutschen Landpfarrer nicht gut ohne l«nge Pfeife vorstellen können</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0337] ihr sein königliches Wohlwollen zu, und in den letzten Jahrzehnten ist die¬ selbe ziemlich allenthalben in England wieder rehabilitirt und zu ihrer frühe¬ ren Verbreitung gelangt. Nur die Damen haben sich noch nicht wieder zu ihr bekehrt, aber ihre Aussichten auf Beseitigung des Rauchers bei dem stärkeren Geschlecht sind nach Thackeray's Meinung trübe. „Was ist denn dieses Rauchen, daß man es als ein Verbrechen betrachtet?" fragt dieser ge¬ feierte Humorist in seinen „^its-LooÄI« ?g,xors." „Ich bin im Stillen der Meinung, daß die Damen auf dasselbe eifersüchtig sind wie auf einen Neben¬ buhler. Die Sache steht aber so, daß die Cigarre allerdings eine Neben¬ buhlerin der Damen, aber zugleich ihnen überlegen ist. Man überschaue ein¬ mal die weite Welt, und man wird sehen, wie der Gegner der Damen sie überwältigt hat. Deutschland qualmt seit hundert und achtzig Jahren, Frankreich raucht Mann für Mann. Glaubt Ihr, daß Ihr den Feind von England fern halten könnt? Bah, seht Euch den Fortschritt an. Fragt die Clubs. Ich meinestheils gerathe nicht in Verzweifelung, wenn ich einen Bischof mit einem Glimmstengel im Munde oder einer Thonpfeife hinterm Hutbande aus dem Athenäum herausschlendern sehe." Was hier Thackeray von Deutschland und Frankreich sagt, ist wahr. In letzterem war Ludwig der Vierzehnte dem Tabak äußerst abgeneigt, wir Wissen aber, daß seine Töchter des Nachts sich von der Steifheit des Hofes bei kleinen Orgien erholten, bei denen sie sich eine Güte mit Pfeifen thaten, welche die dienstthuenden Schweizer ihnen leihen mußten. Ebenso wurde damals wie unter den späteren Königen viel geschnupft, und in diesem Jahr¬ hundert ist das Sprichwort „kumer ooinrns un ^.llemanä" in Frankreich außer Uebung gekommen, weil der Franzose jetzt fast ebenso viel raucht als sein Herr Nachbar jenseits der Vogesen. Starke Raucher waren unter den französischen Dichtern Alfred de Musset, Prosper Merimee, Eugene Tue und Paul de Se. Victor. Auch Madame Düdevant liebte die Cigarre. Balzac, Dumas und Victor Hugo enthielten sich des Tabaks. Napoleon III. schmauchte so leidenschaftlich Cigaretten, daß er sie auch während der Be- kMiung mit Bismarck zwischen Sedan und Donchery (Verfasser spricht als Augenzeuge) kaum ausgehen ließ. Sein Oheim schnupfte und war nicht der Erste auf Frankreichs Throne, der dieser Gewohnheit huldigte; denn schon Ludwig der Fünfzehnte hatte sich von den französischen Fabrikanten an allen ^ujahrstagen mit feinem Rappe' beschenken lassen. Talleyrand aber war der Meinung, daß jeder bedeutende Diplomat ein Schnupfer sein sollte, da die ^ose ihm Gelegenheit verschaffe, unter dem Vorwand, eine Prise nehmen zu Müssen, sich auf passende Antworten und Ausflüchte für plötzlich an ihn her¬ antretende unbequeme oder gefährliche Fragsteller zu besinnen. Wenn wir ""s einen deutschen Landpfarrer nicht gut ohne l«nge Pfeife vorstellen können

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/337
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/337>, abgerufen am 27.09.2024.