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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Dieser berühmte Witzbold, der 1388 starb, rauchte nur, weil es Mode war.
Eines Tages aber saß er mit einer Gesellschaft, von der einige zu tief in's
Weinglas gesehen hatten, die Pfeife im Munde am Tische, als jene, die von
derartigem Vergnügen noch nichts gehört, beim Anblick der ihm aus der
Nase quellenden Dampfwolken plötzlich aufsprangen, "Feuer! Feuer!" riefen
und ihm ein Glas Wein in's Gesicht gossen. "Laßt nun den Lärm", sagte
Tarlton, "das Feuer ist gelöscht. Wenn die Sheriffs kommen, wird es eine
Geldstrafe geben, wie es Gebrauch ist." Damit schmauchte er weiter. Von
denen, die gelöscht hatten, rief darauf einer: "Pfui, Teufel, was für einen
Gestank es macht, mir ist, als wäre ich vergiftet." "Wen'es ärgert", er¬
widerte Tarlton, "der möge selber ein paar Züge thun, so wird der üble
Geruch bald vergehen." Aber sein Qualmen machte, daß sie davon liefen
und ihn die Zeche bezahlen ließen.

Mit der Zeit jedoch eroberte sich die Mode mehr Terrain, und nach
etwa zehn Jahren rauchte trotzdem, daß die Satiriker ihre besten Pfeile nach
dem "giftigen Kraute" und seinen Verehrern abschossen, fast alle Welt mit
Einschluß nicht weniger Angehörigen des schönen Geschlechts. Zu derselben
Zeit aber galt der Tabak wie im übrigen Europa auch den Engländern als
ein Mittel gegen alle möglichen Gebrechen, und selbst die Dichter waren
seines Lobes voll. Spencer feiert ihn in seiner (Zuosv" als "göttlich",
und William Lilly, der Hofpoet Elisabeths, nennt ihn "unser heiliges Kraut."
Die Aerzte aber, bei denen er "Lang, Sanct-z. Inävrum" hieß, mischten ihn bei¬
nahe unter alle ihre Recepte.

Von England drang das Rauchen nach allen germanischen Ländern vor.
Wohl schon 1580, jedenfalls noch im sechzehnten Jahrhundert, verpflanzten
englische Studenten es nach Leyden, von wo es sich rasch über ganz Holland
verbreitete, und wo man schon von 1613 an Tabak baute. Um 1620 brachten
englische Truppen, die dem König Friedrich von Böhmen zu Hülfe zogen, die
Sitte nach Deutschland, wo sie die kaiserlichen wie die schwedischen Heere von
Drt zu Ort weiter trugen, und wo u. A. der Friedländer ihr huldigte. Eng¬
lische Seeleute waren es, die um 1650 die Tabakspfeife in Schweden ein¬
heimisch machten, englische Kaufleute endlich führten sie unter den fernen
Moskowitern ein. Lange vor diesen, um 1601 bereits, rauchte der Türke am
Bosporus und am Nil vergnügte Tschibbuks. Vier Jahre später fingen die
Muselmänner im Reiche des Großmoguls an, es ihm nachzuthun, und un¬
gefähr in derselben Zeit, nach Andern erst 1617, begannen, von Portugiesen
gebracht, auf Java die ersten Tabakspfeifen zu glimmen. Zu Anfang der
ätzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts hatte der Tabak die gesammte
damals bekannte Welt erobert: Amerika genoß seine Pfeife wie vor Alters,
Europa rauchte und schnupfte von einem Ende bis zum andern, Afrika und


Dieser berühmte Witzbold, der 1388 starb, rauchte nur, weil es Mode war.
Eines Tages aber saß er mit einer Gesellschaft, von der einige zu tief in's
Weinglas gesehen hatten, die Pfeife im Munde am Tische, als jene, die von
derartigem Vergnügen noch nichts gehört, beim Anblick der ihm aus der
Nase quellenden Dampfwolken plötzlich aufsprangen, „Feuer! Feuer!" riefen
und ihm ein Glas Wein in's Gesicht gossen. „Laßt nun den Lärm", sagte
Tarlton, „das Feuer ist gelöscht. Wenn die Sheriffs kommen, wird es eine
Geldstrafe geben, wie es Gebrauch ist." Damit schmauchte er weiter. Von
denen, die gelöscht hatten, rief darauf einer: „Pfui, Teufel, was für einen
Gestank es macht, mir ist, als wäre ich vergiftet." „Wen'es ärgert", er¬
widerte Tarlton, „der möge selber ein paar Züge thun, so wird der üble
Geruch bald vergehen." Aber sein Qualmen machte, daß sie davon liefen
und ihn die Zeche bezahlen ließen.

Mit der Zeit jedoch eroberte sich die Mode mehr Terrain, und nach
etwa zehn Jahren rauchte trotzdem, daß die Satiriker ihre besten Pfeile nach
dem „giftigen Kraute" und seinen Verehrern abschossen, fast alle Welt mit
Einschluß nicht weniger Angehörigen des schönen Geschlechts. Zu derselben
Zeit aber galt der Tabak wie im übrigen Europa auch den Engländern als
ein Mittel gegen alle möglichen Gebrechen, und selbst die Dichter waren
seines Lobes voll. Spencer feiert ihn in seiner (Zuosv" als „göttlich",
und William Lilly, der Hofpoet Elisabeths, nennt ihn „unser heiliges Kraut."
Die Aerzte aber, bei denen er „Lang, Sanct-z. Inävrum" hieß, mischten ihn bei¬
nahe unter alle ihre Recepte.

Von England drang das Rauchen nach allen germanischen Ländern vor.
Wohl schon 1580, jedenfalls noch im sechzehnten Jahrhundert, verpflanzten
englische Studenten es nach Leyden, von wo es sich rasch über ganz Holland
verbreitete, und wo man schon von 1613 an Tabak baute. Um 1620 brachten
englische Truppen, die dem König Friedrich von Böhmen zu Hülfe zogen, die
Sitte nach Deutschland, wo sie die kaiserlichen wie die schwedischen Heere von
Drt zu Ort weiter trugen, und wo u. A. der Friedländer ihr huldigte. Eng¬
lische Seeleute waren es, die um 1650 die Tabakspfeife in Schweden ein¬
heimisch machten, englische Kaufleute endlich führten sie unter den fernen
Moskowitern ein. Lange vor diesen, um 1601 bereits, rauchte der Türke am
Bosporus und am Nil vergnügte Tschibbuks. Vier Jahre später fingen die
Muselmänner im Reiche des Großmoguls an, es ihm nachzuthun, und un¬
gefähr in derselben Zeit, nach Andern erst 1617, begannen, von Portugiesen
gebracht, auf Java die ersten Tabakspfeifen zu glimmen. Zu Anfang der
ätzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts hatte der Tabak die gesammte
damals bekannte Welt erobert: Amerika genoß seine Pfeife wie vor Alters,
Europa rauchte und schnupfte von einem Ende bis zum andern, Afrika und


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[0329] Dieser berühmte Witzbold, der 1388 starb, rauchte nur, weil es Mode war. Eines Tages aber saß er mit einer Gesellschaft, von der einige zu tief in's Weinglas gesehen hatten, die Pfeife im Munde am Tische, als jene, die von derartigem Vergnügen noch nichts gehört, beim Anblick der ihm aus der Nase quellenden Dampfwolken plötzlich aufsprangen, „Feuer! Feuer!" riefen und ihm ein Glas Wein in's Gesicht gossen. „Laßt nun den Lärm", sagte Tarlton, „das Feuer ist gelöscht. Wenn die Sheriffs kommen, wird es eine Geldstrafe geben, wie es Gebrauch ist." Damit schmauchte er weiter. Von denen, die gelöscht hatten, rief darauf einer: „Pfui, Teufel, was für einen Gestank es macht, mir ist, als wäre ich vergiftet." „Wen'es ärgert", er¬ widerte Tarlton, „der möge selber ein paar Züge thun, so wird der üble Geruch bald vergehen." Aber sein Qualmen machte, daß sie davon liefen und ihn die Zeche bezahlen ließen. Mit der Zeit jedoch eroberte sich die Mode mehr Terrain, und nach etwa zehn Jahren rauchte trotzdem, daß die Satiriker ihre besten Pfeile nach dem „giftigen Kraute" und seinen Verehrern abschossen, fast alle Welt mit Einschluß nicht weniger Angehörigen des schönen Geschlechts. Zu derselben Zeit aber galt der Tabak wie im übrigen Europa auch den Engländern als ein Mittel gegen alle möglichen Gebrechen, und selbst die Dichter waren seines Lobes voll. Spencer feiert ihn in seiner (Zuosv" als „göttlich", und William Lilly, der Hofpoet Elisabeths, nennt ihn „unser heiliges Kraut." Die Aerzte aber, bei denen er „Lang, Sanct-z. Inävrum" hieß, mischten ihn bei¬ nahe unter alle ihre Recepte. Von England drang das Rauchen nach allen germanischen Ländern vor. Wohl schon 1580, jedenfalls noch im sechzehnten Jahrhundert, verpflanzten englische Studenten es nach Leyden, von wo es sich rasch über ganz Holland verbreitete, und wo man schon von 1613 an Tabak baute. Um 1620 brachten englische Truppen, die dem König Friedrich von Böhmen zu Hülfe zogen, die Sitte nach Deutschland, wo sie die kaiserlichen wie die schwedischen Heere von Drt zu Ort weiter trugen, und wo u. A. der Friedländer ihr huldigte. Eng¬ lische Seeleute waren es, die um 1650 die Tabakspfeife in Schweden ein¬ heimisch machten, englische Kaufleute endlich führten sie unter den fernen Moskowitern ein. Lange vor diesen, um 1601 bereits, rauchte der Türke am Bosporus und am Nil vergnügte Tschibbuks. Vier Jahre später fingen die Muselmänner im Reiche des Großmoguls an, es ihm nachzuthun, und un¬ gefähr in derselben Zeit, nach Andern erst 1617, begannen, von Portugiesen gebracht, auf Java die ersten Tabakspfeifen zu glimmen. Zu Anfang der ätzten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts hatte der Tabak die gesammte damals bekannte Welt erobert: Amerika genoß seine Pfeife wie vor Alters, Europa rauchte und schnupfte von einem Ende bis zum andern, Afrika und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/329>, abgerufen am 27.09.2024.