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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Der Genuß des Tat"ks ist der alten Welt also mit der Pflanze aus
der neuen jenseits des atlantischen Meeres zugekommen, nur war er dort
weniger ein Genuß, als ein religiöser Gebrauch, ein Opfer, ein Mittel zur Ver¬
setzung des Rauchers in fromme Ekstase und daneben eine Arzenei. Die
Behauptungen, daß er schon vor der Entdeckung Amerikas, ja schon dem
grauen Alterthum bekannt gewesen sei, sind sämmtlich unhaltbar. Die "Ueber¬
lieferung" der griechischen Kirche, daß Noah sich mit Tabaksrauch berauscht,
ist selbstverständlich ein Product desselben unbewußten Humors, der den
Raskolnicken die Pfeife versagt, weil gewisse Stellen des Neuen Testaments
ste verbieten sollen. Wenn man gesagt hat, in China und Japan sei lange
vor Christi Geburt schon geraucht worden, so ist das möglich, ja wahrscheinlich,
Wenn man dabei an andere medicinische Pflanzen denkt, sonst aber sehr un¬
wahrscheinlich, weil sich in diesem Falle die Sitte bald über die benachbarten
Völker und von diesen über den Westen verbreitet haben würde. Wenn
endlich ein Engländer, der Dr. Aales, in einem altägyptischen Grabe die
Darstellung einer rauchenden Gesellschaft entdeckt haben will, so hat er ent¬
weder Glasbläser für Raucher gehalten oder sich von einem Kisselak täuschen
lassen, der den schlechten Geschmack hatte, gewissen Mizraimiten der Pharaonen-
Zeit die Tabakspfeife des neunzehnten Jahrhunderts an den Mund zu malen.

Zu welcher Zeit die ersten Tabakspflanzen nach Europa gelangt sind,
ist ungewiß. Gonzalo Hernandez de Toledo soll den ersten Samen nach
Spanien gebracht haben, wo der Tabak Anfangs nur als Zierpflanze an¬
gebaut wurde. Später pries ihn Nicolo Menardez als Arzenei an, die man
schnupfen sollte, und so entstand zu Sevilla eine Schnupftabakfabrik, die den
berühmten Spaniol lieferte.

Nach Frankreich soll das Kraut durch Andr6 TH6vet d'Angoul6me ge¬
kommen sein, und zwar im Jahre 1336. Bekannter aber wurde es hier
durch A>an Nicol de Villemain, der 1339 als Gesandter von Paris an den
portugiesischen Hof ging und in Lissabon von einem vlämischen Kaufmann, der
"us Florida kam, eine Quantität Tabakssamen kaufte. Er schickte ihn dem
^roßprior von Frankreich, weshalb die Pflanze eine Zeitlang "Herbe an
^rana krieur" hieß. Andere nannten sie "Herde ^ l'^mbasLei-deur." Als
^leve 1361 nach Paris zurückkehrte, brachte er der Königin Marie de Me-
dicis einige Pflanzen mit, und so verwandelte sich der bisherige Name des
^als im Munde der Höflinge, dann auch im Sprachgebrauch des Volkes
^lant und ehrerbietig in "Herbe ^ 1a Reine" oder "Herbe NeÄieSe",
Ehrenb die Wissenschaft ihn nach Nicol "Meotiang, herba" nannte. Die
^tztere schrieb dem Kraute auch hier heilsame Eigenschaften zu, und auch hier
^urbe es im Hinblick darauf zunächst blos geschnupft. Zuerst nur als bestes
Mittel gegen Migräne empfohlen, sollte es später so ziemlich alle Krankheiten


Der Genuß des Tat»ks ist der alten Welt also mit der Pflanze aus
der neuen jenseits des atlantischen Meeres zugekommen, nur war er dort
weniger ein Genuß, als ein religiöser Gebrauch, ein Opfer, ein Mittel zur Ver¬
setzung des Rauchers in fromme Ekstase und daneben eine Arzenei. Die
Behauptungen, daß er schon vor der Entdeckung Amerikas, ja schon dem
grauen Alterthum bekannt gewesen sei, sind sämmtlich unhaltbar. Die „Ueber¬
lieferung" der griechischen Kirche, daß Noah sich mit Tabaksrauch berauscht,
ist selbstverständlich ein Product desselben unbewußten Humors, der den
Raskolnicken die Pfeife versagt, weil gewisse Stellen des Neuen Testaments
ste verbieten sollen. Wenn man gesagt hat, in China und Japan sei lange
vor Christi Geburt schon geraucht worden, so ist das möglich, ja wahrscheinlich,
Wenn man dabei an andere medicinische Pflanzen denkt, sonst aber sehr un¬
wahrscheinlich, weil sich in diesem Falle die Sitte bald über die benachbarten
Völker und von diesen über den Westen verbreitet haben würde. Wenn
endlich ein Engländer, der Dr. Aales, in einem altägyptischen Grabe die
Darstellung einer rauchenden Gesellschaft entdeckt haben will, so hat er ent¬
weder Glasbläser für Raucher gehalten oder sich von einem Kisselak täuschen
lassen, der den schlechten Geschmack hatte, gewissen Mizraimiten der Pharaonen-
Zeit die Tabakspfeife des neunzehnten Jahrhunderts an den Mund zu malen.

Zu welcher Zeit die ersten Tabakspflanzen nach Europa gelangt sind,
ist ungewiß. Gonzalo Hernandez de Toledo soll den ersten Samen nach
Spanien gebracht haben, wo der Tabak Anfangs nur als Zierpflanze an¬
gebaut wurde. Später pries ihn Nicolo Menardez als Arzenei an, die man
schnupfen sollte, und so entstand zu Sevilla eine Schnupftabakfabrik, die den
berühmten Spaniol lieferte.

Nach Frankreich soll das Kraut durch Andr6 TH6vet d'Angoul6me ge¬
kommen sein, und zwar im Jahre 1336. Bekannter aber wurde es hier
durch A>an Nicol de Villemain, der 1339 als Gesandter von Paris an den
portugiesischen Hof ging und in Lissabon von einem vlämischen Kaufmann, der
"us Florida kam, eine Quantität Tabakssamen kaufte. Er schickte ihn dem
^roßprior von Frankreich, weshalb die Pflanze eine Zeitlang «Herbe an
^rana krieur" hieß. Andere nannten sie „Herde ^ l'^mbasLei-deur." Als
^leve 1361 nach Paris zurückkehrte, brachte er der Königin Marie de Me-
dicis einige Pflanzen mit, und so verwandelte sich der bisherige Name des
^als im Munde der Höflinge, dann auch im Sprachgebrauch des Volkes
^lant und ehrerbietig in „Herbe ^ 1a Reine" oder «Herbe NeÄieSe«,
Ehrenb die Wissenschaft ihn nach Nicol „Meotiang, herba" nannte. Die
^tztere schrieb dem Kraute auch hier heilsame Eigenschaften zu, und auch hier
^urbe es im Hinblick darauf zunächst blos geschnupft. Zuerst nur als bestes
Mittel gegen Migräne empfohlen, sollte es später so ziemlich alle Krankheiten


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[0327] Der Genuß des Tat»ks ist der alten Welt also mit der Pflanze aus der neuen jenseits des atlantischen Meeres zugekommen, nur war er dort weniger ein Genuß, als ein religiöser Gebrauch, ein Opfer, ein Mittel zur Ver¬ setzung des Rauchers in fromme Ekstase und daneben eine Arzenei. Die Behauptungen, daß er schon vor der Entdeckung Amerikas, ja schon dem grauen Alterthum bekannt gewesen sei, sind sämmtlich unhaltbar. Die „Ueber¬ lieferung" der griechischen Kirche, daß Noah sich mit Tabaksrauch berauscht, ist selbstverständlich ein Product desselben unbewußten Humors, der den Raskolnicken die Pfeife versagt, weil gewisse Stellen des Neuen Testaments ste verbieten sollen. Wenn man gesagt hat, in China und Japan sei lange vor Christi Geburt schon geraucht worden, so ist das möglich, ja wahrscheinlich, Wenn man dabei an andere medicinische Pflanzen denkt, sonst aber sehr un¬ wahrscheinlich, weil sich in diesem Falle die Sitte bald über die benachbarten Völker und von diesen über den Westen verbreitet haben würde. Wenn endlich ein Engländer, der Dr. Aales, in einem altägyptischen Grabe die Darstellung einer rauchenden Gesellschaft entdeckt haben will, so hat er ent¬ weder Glasbläser für Raucher gehalten oder sich von einem Kisselak täuschen lassen, der den schlechten Geschmack hatte, gewissen Mizraimiten der Pharaonen- Zeit die Tabakspfeife des neunzehnten Jahrhunderts an den Mund zu malen. Zu welcher Zeit die ersten Tabakspflanzen nach Europa gelangt sind, ist ungewiß. Gonzalo Hernandez de Toledo soll den ersten Samen nach Spanien gebracht haben, wo der Tabak Anfangs nur als Zierpflanze an¬ gebaut wurde. Später pries ihn Nicolo Menardez als Arzenei an, die man schnupfen sollte, und so entstand zu Sevilla eine Schnupftabakfabrik, die den berühmten Spaniol lieferte. Nach Frankreich soll das Kraut durch Andr6 TH6vet d'Angoul6me ge¬ kommen sein, und zwar im Jahre 1336. Bekannter aber wurde es hier durch A>an Nicol de Villemain, der 1339 als Gesandter von Paris an den portugiesischen Hof ging und in Lissabon von einem vlämischen Kaufmann, der "us Florida kam, eine Quantität Tabakssamen kaufte. Er schickte ihn dem ^roßprior von Frankreich, weshalb die Pflanze eine Zeitlang «Herbe an ^rana krieur" hieß. Andere nannten sie „Herde ^ l'^mbasLei-deur." Als ^leve 1361 nach Paris zurückkehrte, brachte er der Königin Marie de Me- dicis einige Pflanzen mit, und so verwandelte sich der bisherige Name des ^als im Munde der Höflinge, dann auch im Sprachgebrauch des Volkes ^lant und ehrerbietig in „Herbe ^ 1a Reine" oder «Herbe NeÄieSe«, Ehrenb die Wissenschaft ihn nach Nicol „Meotiang, herba" nannte. Die ^tztere schrieb dem Kraute auch hier heilsame Eigenschaften zu, und auch hier ^urbe es im Hinblick darauf zunächst blos geschnupft. Zuerst nur als bestes Mittel gegen Migräne empfohlen, sollte es später so ziemlich alle Krankheiten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/327>, abgerufen am 27.09.2024.