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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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einer Opposition yuanä mLms zu folgen. -- Am 6. November wurde ein
Gesetzentwurf über die Untersuchung von Seeunfällen vorgelegt, der einer
Commission von 14 Mitgliedern überwiesen ward. -- Die Haushaltsberathung
gelangte zu den Ausgaben des Auswärtigen Amtes, wobei die Ultramontanen
einen mißglückter Versuch machten, die Haltung der deutschen Politik in der
schwebenden Orient-Krisis irgend wie zu verdächtigen oder zu compromittiren
oder die Leiter derselben auf's Glatteis zu locken. Genau wußten die Herren
Wohl selbst nicht, was herauskommen könne, aber sie hofften, es werde etwas
der Leitung der deutschen Politik Unangenehmes oder Schädliches heraus¬
kommen. Aber es kam Nichts heraus, oder vielmehr, es kam etwas für die
Ultramontanen Unangenehmes heraus, nämlich ein Vertrauensvotum für die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des deutschen Reiches. --

Am 7. November gelangte die Haushaltsberathung zu den Ausgaben
des Reichskanzleramtes. Seitdem dieses Amt gleichzeitig mit dem norddeut¬
schen Bund gegründet worden, sind bereits eine ganze Anzahl selbständiger
Reichsverwaltungszweige aus dem Anfangs einzigen Amt herausgewachsen.
Zuerst das Auswärtige Amt, diesem sind gefolgt: das Marineamt, das Eisen¬
bahnamt, das Generalpostamt. Immer noch vereinigte das Kanzleramt eine
Reihe verschiedener Zweige der inneren Reichsverwaltung. Das ging jedoch
nur an, so lange Delbrück mit seiner das gewöhnliche Maß weit übersteigen¬
den Arbeitskraft und mit seiner ebenso ungewöhnlichen administrativen Viel¬
seitigkeit dem Reichskanzleramt prästdirte. Allein auch Delbrück konnte zuletzt
nicht mehr durchkommen, und dieser Umstand, verbunden mit dem natür¬
lichen Unbehagen an einer Arbeitstheilung mag ein Hauptgrund seines Rück¬
tritts gewesen sein. Für den Nachfolger Delbrücks war die wettere Theilung
des Kanzleramtes die Vorbedingung zum Antritt der Führung desselben. Es
werden daher jetzt aus dem Reichskanzleramt ausgeschieden: das Amt für
Elsaß-Lothringen, welches als eigenes Reichsamt unter dem Kanzler einen
Unterstaatssekretär erhält, und das Justizamt, welches zum Leiter einen
Staatssekretär erhält, ohne darum dem Kanzler weniger untergeordnet zu
sein. Das Reichskanzleramt umfaßt nun nur noch eine Centralabtheilung und
eine Finanzabtheilung. Der oberste Chef ist der Kanzler, unter diesem der
Präsident, unter diesem ein Unterstaatssekretär, welcher zugleich SpezialVor¬
stand oder Direktor der Centralabtheilung ist; an die Spitze der Finanzab¬
theilung tritt ein Direktor. Vielerseits hat man befremdete Augen zu dieser
Eintheilung der Reichsverwaltung und ihren verschiedenen Rangstufen gemacht.
Die Zweckmäßigkeit liegt aber doch wahrlich nicht tief verborgen. Ich halte
sonst viel von der Schablone, auf die alle Welt schimpft. Allein hier die
Schablone eines sogenannten konstitutionellen, collegialischen Reichsministeriums
auf die Bedürfnisse der Reichsverwaltung anzuwenden, wäre offenbar die helle


einer Opposition yuanä mLms zu folgen. — Am 6. November wurde ein
Gesetzentwurf über die Untersuchung von Seeunfällen vorgelegt, der einer
Commission von 14 Mitgliedern überwiesen ward. — Die Haushaltsberathung
gelangte zu den Ausgaben des Auswärtigen Amtes, wobei die Ultramontanen
einen mißglückter Versuch machten, die Haltung der deutschen Politik in der
schwebenden Orient-Krisis irgend wie zu verdächtigen oder zu compromittiren
oder die Leiter derselben auf's Glatteis zu locken. Genau wußten die Herren
Wohl selbst nicht, was herauskommen könne, aber sie hofften, es werde etwas
der Leitung der deutschen Politik Unangenehmes oder Schädliches heraus¬
kommen. Aber es kam Nichts heraus, oder vielmehr, es kam etwas für die
Ultramontanen Unangenehmes heraus, nämlich ein Vertrauensvotum für die
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten des deutschen Reiches. —

Am 7. November gelangte die Haushaltsberathung zu den Ausgaben
des Reichskanzleramtes. Seitdem dieses Amt gleichzeitig mit dem norddeut¬
schen Bund gegründet worden, sind bereits eine ganze Anzahl selbständiger
Reichsverwaltungszweige aus dem Anfangs einzigen Amt herausgewachsen.
Zuerst das Auswärtige Amt, diesem sind gefolgt: das Marineamt, das Eisen¬
bahnamt, das Generalpostamt. Immer noch vereinigte das Kanzleramt eine
Reihe verschiedener Zweige der inneren Reichsverwaltung. Das ging jedoch
nur an, so lange Delbrück mit seiner das gewöhnliche Maß weit übersteigen¬
den Arbeitskraft und mit seiner ebenso ungewöhnlichen administrativen Viel¬
seitigkeit dem Reichskanzleramt prästdirte. Allein auch Delbrück konnte zuletzt
nicht mehr durchkommen, und dieser Umstand, verbunden mit dem natür¬
lichen Unbehagen an einer Arbeitstheilung mag ein Hauptgrund seines Rück¬
tritts gewesen sein. Für den Nachfolger Delbrücks war die wettere Theilung
des Kanzleramtes die Vorbedingung zum Antritt der Führung desselben. Es
werden daher jetzt aus dem Reichskanzleramt ausgeschieden: das Amt für
Elsaß-Lothringen, welches als eigenes Reichsamt unter dem Kanzler einen
Unterstaatssekretär erhält, und das Justizamt, welches zum Leiter einen
Staatssekretär erhält, ohne darum dem Kanzler weniger untergeordnet zu
sein. Das Reichskanzleramt umfaßt nun nur noch eine Centralabtheilung und
eine Finanzabtheilung. Der oberste Chef ist der Kanzler, unter diesem der
Präsident, unter diesem ein Unterstaatssekretär, welcher zugleich SpezialVor¬
stand oder Direktor der Centralabtheilung ist; an die Spitze der Finanzab¬
theilung tritt ein Direktor. Vielerseits hat man befremdete Augen zu dieser
Eintheilung der Reichsverwaltung und ihren verschiedenen Rangstufen gemacht.
Die Zweckmäßigkeit liegt aber doch wahrlich nicht tief verborgen. Ich halte
sonst viel von der Schablone, auf die alle Welt schimpft. Allein hier die
Schablone eines sogenannten konstitutionellen, collegialischen Reichsministeriums
auf die Bedürfnisse der Reichsverwaltung anzuwenden, wäre offenbar die helle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/321>, abgerufen am 27.09.2024.