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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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theilung aller Abweichungen zu entsprechen, jedoch mit dem zweifachen Vor¬
behalt, daß einmal aus diesem für die parlamentarische Action der Bundes¬
regierungen nicht günstigen Verfahren kein Präeedens hergeleitet werde für
künftige ähnliche Fälle, und daß zweitens sowohl für die Gesammtheit der
Bundesregierungen als für jede einzelne derselben das Recht unbeschränkt
bleibe, bei der zweiten und dritten Lesung ihre Bedenken gegen einzelne
Punkte geltend zu machen, gleichviel ob diese Punkte schon in der vorläufigen
Gesammtübersicht beanstandet worden, oder nicht.

Am 7. November nun stand die geschäftliche Behandlung der Justiz¬
gesetze bei der zweiten Berathung als besonderer Gegenstand auf der Tages¬
ordnung, während am 3. November nur gelegentlich, aus Anlaß der zu
bildenden besonderen Commissionen davon die Rede gewesen. Der Abgeord¬
nete Miquel schlug namens der Justizcommission vor, eine Anzahl Punkte
aus den Gesetzentwürfen als nicht geeignet für eine weitere Behandlung
durch die Commission sofort zur Berathung im Plenum zu bestimmen.
Nach einer kurzen Verhandlung fand dieser Antrag indeß nicht die Zustim¬
mung des Reichstags. Statt dessen wurde beschlossen, alle Anträge des
Bundesrathes an die Commission zu verweisen, dieselbe jedoch gleichzeitig
zu ermächtigen, diejenigen Differenzpunkte, zu denen sie neue Erledigungsvor¬
schläge nicht glaubte aufsuchen zu sollen, ohne nochmalige Berathung sofort
dem Plenum vorzulegen. Die Commission glaubt nach den seitdem ange¬
stellten Erwägungen, ihre neue Ausgleichungs- und bezw. Nichtausgleichungs-
arbeit soweit beschleunigen zu können, daß der Reichstag am 16. November
in die zweite Lesung einzutreten im Stande ist.

Neben dem Interesse an dem großen Werke der Justizgesetze verschwinden
alle anderen Gegenstände der diesmaligen Reichstagsarbeit. Am 3. November
begann die erste Berathung des Reichshaushalts für die Zeit vom 1. Januar
bis 31. März 1877. Die Feststellung eines Haushaltplanes, der nur drei
Monate umfaßt, ist bekanntlich zur Nothwendigkeit geworden, weil das
Haushaltsjahr künftig mit dem 1. April beginnt und weil mit dieser Jahres-
eintheilung am 1. April 1877 der Anfang gemacht wird. Der erste Haus¬
haltsplan nach der neuen Eintheilung wird von dem neu zu wählenden
Reichstag in seiner ersten Session zu Anfang des Jahres 1877 festgestellt
werden. -- Daß die Haushaltsberathungen zum Tummelplatz unberufener
Kritik gemacht werden, die sich ohne Zusammenhang an alles mögliche und
unmögliche heftet, ist eine eingebürgerte Gewohnheit der meisten Parlamente.
Nach den derzeitigen Parteiverhältnissen des deutschen Reichstages sind es
die Ultramontanen, welche sich aus diesem Tummelplatz hervorthun. Es wäre
jedoch ohne Nutzen, an dieser Stelle allen guten und schlechten Scherzen,
allen scheinbaren und unscheinbaren Quängeleien, man verzeihe den Ausdruck


theilung aller Abweichungen zu entsprechen, jedoch mit dem zweifachen Vor¬
behalt, daß einmal aus diesem für die parlamentarische Action der Bundes¬
regierungen nicht günstigen Verfahren kein Präeedens hergeleitet werde für
künftige ähnliche Fälle, und daß zweitens sowohl für die Gesammtheit der
Bundesregierungen als für jede einzelne derselben das Recht unbeschränkt
bleibe, bei der zweiten und dritten Lesung ihre Bedenken gegen einzelne
Punkte geltend zu machen, gleichviel ob diese Punkte schon in der vorläufigen
Gesammtübersicht beanstandet worden, oder nicht.

Am 7. November nun stand die geschäftliche Behandlung der Justiz¬
gesetze bei der zweiten Berathung als besonderer Gegenstand auf der Tages¬
ordnung, während am 3. November nur gelegentlich, aus Anlaß der zu
bildenden besonderen Commissionen davon die Rede gewesen. Der Abgeord¬
nete Miquel schlug namens der Justizcommission vor, eine Anzahl Punkte
aus den Gesetzentwürfen als nicht geeignet für eine weitere Behandlung
durch die Commission sofort zur Berathung im Plenum zu bestimmen.
Nach einer kurzen Verhandlung fand dieser Antrag indeß nicht die Zustim¬
mung des Reichstags. Statt dessen wurde beschlossen, alle Anträge des
Bundesrathes an die Commission zu verweisen, dieselbe jedoch gleichzeitig
zu ermächtigen, diejenigen Differenzpunkte, zu denen sie neue Erledigungsvor¬
schläge nicht glaubte aufsuchen zu sollen, ohne nochmalige Berathung sofort
dem Plenum vorzulegen. Die Commission glaubt nach den seitdem ange¬
stellten Erwägungen, ihre neue Ausgleichungs- und bezw. Nichtausgleichungs-
arbeit soweit beschleunigen zu können, daß der Reichstag am 16. November
in die zweite Lesung einzutreten im Stande ist.

Neben dem Interesse an dem großen Werke der Justizgesetze verschwinden
alle anderen Gegenstände der diesmaligen Reichstagsarbeit. Am 3. November
begann die erste Berathung des Reichshaushalts für die Zeit vom 1. Januar
bis 31. März 1877. Die Feststellung eines Haushaltplanes, der nur drei
Monate umfaßt, ist bekanntlich zur Nothwendigkeit geworden, weil das
Haushaltsjahr künftig mit dem 1. April beginnt und weil mit dieser Jahres-
eintheilung am 1. April 1877 der Anfang gemacht wird. Der erste Haus¬
haltsplan nach der neuen Eintheilung wird von dem neu zu wählenden
Reichstag in seiner ersten Session zu Anfang des Jahres 1877 festgestellt
werden. — Daß die Haushaltsberathungen zum Tummelplatz unberufener
Kritik gemacht werden, die sich ohne Zusammenhang an alles mögliche und
unmögliche heftet, ist eine eingebürgerte Gewohnheit der meisten Parlamente.
Nach den derzeitigen Parteiverhältnissen des deutschen Reichstages sind es
die Ultramontanen, welche sich aus diesem Tummelplatz hervorthun. Es wäre
jedoch ohne Nutzen, an dieser Stelle allen guten und schlechten Scherzen,
allen scheinbaren und unscheinbaren Quängeleien, man verzeihe den Ausdruck


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/320>, abgerufen am 27.09.2024.