Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des Treppenplanes stand und entfachten ein Feuer auf demselben. Als es
hoch aufloderte, trat der Oberpriester herzu und goß den Inhalt einer herz¬
förmigen Schale hinein. Eine Dampfsäule stieg auf, und ein rother Licht¬
schein übergoß die ganze phantastische Menge und den weißglänzenden Tempel,
mit dem bleichen Lichte des Mondes sich mischend.

Jetzt hoben die Geweihten, welche zu beiden Seiten des Altars standen,
einen Gesang an. Die Priester und Priesterinnen, letztere in weißen Kleidern
mit dunkeln Ueberwürfen, schritten wieder die Treppe hinab und stellten sich,
zwei Reihen bildend, zur Seite auf den Stufen auf. Auch die Menge am
Fuße der Treppe theilte sich, so daß ein breiter Zwischengang bis zu dem
großen inmitten des Forums stehenden Brandopferaltare des Jupiter frei
blieb, und aus der Tiefe herauf schritt, während hinter ihm gleichfalls eine
Opferflamme aufloderte, ein in ein violettes und weißes Kleid gehüllter
Priester auf den Tempel zu. Seine Hände waren in das Gewand geborgen.
An die Brust gedrückt hielt er in ihnen ein verschlossenes Metallgefäß in
Form einer cylindrischen Büchse, auf das er unverwandt die Augen heftete.
Ihn begleiteten Priesterinnen, in der rechten Hand das Sistrum, in der
Linken einen ehernen Eimer haltend; Männer und Frauen mit Tymvanen,
Flötenbläser und Mädchen mit metallenen Becken. Ein Schwertträger
von schwarzer Hautfarbe, bis zum Gürtel unbekleidet, machte den Beschluß.

An den Fuß der Freitreppe gelangt, blieb die gesammte Begleitung
dort stehen; nur der Priester schritt hinauf zu dem Altar. Er hielt das
Gefäß mit den verhüllten Händen in die Flamme -- die Flamme erlosch.
Dann wendete er sich wieder zu der versammelten Menge um, trat in die
Mitte der Treppe und hob das unversehrte Gefäß hoch empor. In diesem
Augenblick sprangen die Thürflügel des Tempels auf, und man sah im
Hintergrunde der dunkeln Cella die riesige marmorne Statue des höchsten
Gottes.

Wie ein zurückgehaltener Sturm brach jetzt der Freudenruf der An¬
dächtigen wieder los. Die Flöten. Tympanen und rasselnden Becken ertönten,
die Sistren schlugen klappernd an einander, die neugeweihten erhoben, um
den Altar knieend, einen begeisterten Gesang, und die Menge begann in
Verzückung einen Tanz, der mit dem Getöse der Instrumente immer wilder
und verwirrender wurde, und machte Miene in voller Aufregung die Stufen
hinaufzustürmen. Aber auf der ersten derselben stand der schwarze Hüter
mit dem langen bloßen Schwert, und wer sich ihm genaht hatte, fuhr scheu
wieder zurück.

Jetzt erhoben die Priester das Bild der Isis und trugen es langsam
dem Eingange des Allerheiligsten entgegen. Der Priester mit dem heiligen


des Treppenplanes stand und entfachten ein Feuer auf demselben. Als es
hoch aufloderte, trat der Oberpriester herzu und goß den Inhalt einer herz¬
förmigen Schale hinein. Eine Dampfsäule stieg auf, und ein rother Licht¬
schein übergoß die ganze phantastische Menge und den weißglänzenden Tempel,
mit dem bleichen Lichte des Mondes sich mischend.

Jetzt hoben die Geweihten, welche zu beiden Seiten des Altars standen,
einen Gesang an. Die Priester und Priesterinnen, letztere in weißen Kleidern
mit dunkeln Ueberwürfen, schritten wieder die Treppe hinab und stellten sich,
zwei Reihen bildend, zur Seite auf den Stufen auf. Auch die Menge am
Fuße der Treppe theilte sich, so daß ein breiter Zwischengang bis zu dem
großen inmitten des Forums stehenden Brandopferaltare des Jupiter frei
blieb, und aus der Tiefe herauf schritt, während hinter ihm gleichfalls eine
Opferflamme aufloderte, ein in ein violettes und weißes Kleid gehüllter
Priester auf den Tempel zu. Seine Hände waren in das Gewand geborgen.
An die Brust gedrückt hielt er in ihnen ein verschlossenes Metallgefäß in
Form einer cylindrischen Büchse, auf das er unverwandt die Augen heftete.
Ihn begleiteten Priesterinnen, in der rechten Hand das Sistrum, in der
Linken einen ehernen Eimer haltend; Männer und Frauen mit Tymvanen,
Flötenbläser und Mädchen mit metallenen Becken. Ein Schwertträger
von schwarzer Hautfarbe, bis zum Gürtel unbekleidet, machte den Beschluß.

An den Fuß der Freitreppe gelangt, blieb die gesammte Begleitung
dort stehen; nur der Priester schritt hinauf zu dem Altar. Er hielt das
Gefäß mit den verhüllten Händen in die Flamme — die Flamme erlosch.
Dann wendete er sich wieder zu der versammelten Menge um, trat in die
Mitte der Treppe und hob das unversehrte Gefäß hoch empor. In diesem
Augenblick sprangen die Thürflügel des Tempels auf, und man sah im
Hintergrunde der dunkeln Cella die riesige marmorne Statue des höchsten
Gottes.

Wie ein zurückgehaltener Sturm brach jetzt der Freudenruf der An¬
dächtigen wieder los. Die Flöten. Tympanen und rasselnden Becken ertönten,
die Sistren schlugen klappernd an einander, die neugeweihten erhoben, um
den Altar knieend, einen begeisterten Gesang, und die Menge begann in
Verzückung einen Tanz, der mit dem Getöse der Instrumente immer wilder
und verwirrender wurde, und machte Miene in voller Aufregung die Stufen
hinaufzustürmen. Aber auf der ersten derselben stand der schwarze Hüter
mit dem langen bloßen Schwert, und wer sich ihm genaht hatte, fuhr scheu
wieder zurück.

Jetzt erhoben die Priester das Bild der Isis und trugen es langsam
dem Eingange des Allerheiligsten entgegen. Der Priester mit dem heiligen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136952"/>
          <p xml:id="ID_996" prev="#ID_995"> des Treppenplanes stand und entfachten ein Feuer auf demselben. Als es<lb/>
hoch aufloderte, trat der Oberpriester herzu und goß den Inhalt einer herz¬<lb/>
förmigen Schale hinein. Eine Dampfsäule stieg auf, und ein rother Licht¬<lb/>
schein übergoß die ganze phantastische Menge und den weißglänzenden Tempel,<lb/>
mit dem bleichen Lichte des Mondes sich mischend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_997"> Jetzt hoben die Geweihten, welche zu beiden Seiten des Altars standen,<lb/>
einen Gesang an. Die Priester und Priesterinnen, letztere in weißen Kleidern<lb/>
mit dunkeln Ueberwürfen, schritten wieder die Treppe hinab und stellten sich,<lb/>
zwei Reihen bildend, zur Seite auf den Stufen auf. Auch die Menge am<lb/>
Fuße der Treppe theilte sich, so daß ein breiter Zwischengang bis zu dem<lb/>
großen inmitten des Forums stehenden Brandopferaltare des Jupiter frei<lb/>
blieb, und aus der Tiefe herauf schritt, während hinter ihm gleichfalls eine<lb/>
Opferflamme aufloderte, ein in ein violettes und weißes Kleid gehüllter<lb/>
Priester auf den Tempel zu. Seine Hände waren in das Gewand geborgen.<lb/>
An die Brust gedrückt hielt er in ihnen ein verschlossenes Metallgefäß in<lb/>
Form einer cylindrischen Büchse, auf das er unverwandt die Augen heftete.<lb/>
Ihn begleiteten Priesterinnen, in der rechten Hand das Sistrum, in der<lb/>
Linken einen ehernen Eimer haltend; Männer und Frauen mit Tymvanen,<lb/>
Flötenbläser und Mädchen mit metallenen Becken. Ein Schwertträger<lb/>
von schwarzer Hautfarbe, bis zum Gürtel unbekleidet, machte den Beschluß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_998"> An den Fuß der Freitreppe gelangt, blieb die gesammte Begleitung<lb/>
dort stehen; nur der Priester schritt hinauf zu dem Altar. Er hielt das<lb/>
Gefäß mit den verhüllten Händen in die Flamme &#x2014; die Flamme erlosch.<lb/>
Dann wendete er sich wieder zu der versammelten Menge um, trat in die<lb/>
Mitte der Treppe und hob das unversehrte Gefäß hoch empor. In diesem<lb/>
Augenblick sprangen die Thürflügel des Tempels auf, und man sah im<lb/>
Hintergrunde der dunkeln Cella die riesige marmorne Statue des höchsten<lb/>
Gottes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_999"> Wie ein zurückgehaltener Sturm brach jetzt der Freudenruf der An¬<lb/>
dächtigen wieder los. Die Flöten. Tympanen und rasselnden Becken ertönten,<lb/>
die Sistren schlugen klappernd an einander, die neugeweihten erhoben, um<lb/>
den Altar knieend, einen begeisterten Gesang, und die Menge begann in<lb/>
Verzückung einen Tanz, der mit dem Getöse der Instrumente immer wilder<lb/>
und verwirrender wurde, und machte Miene in voller Aufregung die Stufen<lb/>
hinaufzustürmen. Aber auf der ersten derselben stand der schwarze Hüter<lb/>
mit dem langen bloßen Schwert, und wer sich ihm genaht hatte, fuhr scheu<lb/>
wieder zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1000" next="#ID_1001"> Jetzt erhoben die Priester das Bild der Isis und trugen es langsam<lb/>
dem Eingange des Allerheiligsten entgegen. Der Priester mit dem heiligen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] des Treppenplanes stand und entfachten ein Feuer auf demselben. Als es hoch aufloderte, trat der Oberpriester herzu und goß den Inhalt einer herz¬ förmigen Schale hinein. Eine Dampfsäule stieg auf, und ein rother Licht¬ schein übergoß die ganze phantastische Menge und den weißglänzenden Tempel, mit dem bleichen Lichte des Mondes sich mischend. Jetzt hoben die Geweihten, welche zu beiden Seiten des Altars standen, einen Gesang an. Die Priester und Priesterinnen, letztere in weißen Kleidern mit dunkeln Ueberwürfen, schritten wieder die Treppe hinab und stellten sich, zwei Reihen bildend, zur Seite auf den Stufen auf. Auch die Menge am Fuße der Treppe theilte sich, so daß ein breiter Zwischengang bis zu dem großen inmitten des Forums stehenden Brandopferaltare des Jupiter frei blieb, und aus der Tiefe herauf schritt, während hinter ihm gleichfalls eine Opferflamme aufloderte, ein in ein violettes und weißes Kleid gehüllter Priester auf den Tempel zu. Seine Hände waren in das Gewand geborgen. An die Brust gedrückt hielt er in ihnen ein verschlossenes Metallgefäß in Form einer cylindrischen Büchse, auf das er unverwandt die Augen heftete. Ihn begleiteten Priesterinnen, in der rechten Hand das Sistrum, in der Linken einen ehernen Eimer haltend; Männer und Frauen mit Tymvanen, Flötenbläser und Mädchen mit metallenen Becken. Ein Schwertträger von schwarzer Hautfarbe, bis zum Gürtel unbekleidet, machte den Beschluß. An den Fuß der Freitreppe gelangt, blieb die gesammte Begleitung dort stehen; nur der Priester schritt hinauf zu dem Altar. Er hielt das Gefäß mit den verhüllten Händen in die Flamme — die Flamme erlosch. Dann wendete er sich wieder zu der versammelten Menge um, trat in die Mitte der Treppe und hob das unversehrte Gefäß hoch empor. In diesem Augenblick sprangen die Thürflügel des Tempels auf, und man sah im Hintergrunde der dunkeln Cella die riesige marmorne Statue des höchsten Gottes. Wie ein zurückgehaltener Sturm brach jetzt der Freudenruf der An¬ dächtigen wieder los. Die Flöten. Tympanen und rasselnden Becken ertönten, die Sistren schlugen klappernd an einander, die neugeweihten erhoben, um den Altar knieend, einen begeisterten Gesang, und die Menge begann in Verzückung einen Tanz, der mit dem Getöse der Instrumente immer wilder und verwirrender wurde, und machte Miene in voller Aufregung die Stufen hinaufzustürmen. Aber auf der ersten derselben stand der schwarze Hüter mit dem langen bloßen Schwert, und wer sich ihm genaht hatte, fuhr scheu wieder zurück. Jetzt erhoben die Priester das Bild der Isis und trugen es langsam dem Eingange des Allerheiligsten entgegen. Der Priester mit dem heiligen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/313>, abgerufen am 27.09.2024.