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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Und die geheimnißvolle Lade des Horus, sowie den Serapis auf seinem
Throne, die Rechte auf den dreiköpfigen Hund stützend, dessen Hals von einer
Schlange umschlossen war. -- Den oberen Theil der Zimmerwände umzog
ein zierlicher vergoldeter Karnies und unter demselben eine Reihe von heiteren
Miniaturdarstellungen, in denen man Amoretten zu Roß und zu Wagen,
Genien mit Jagd und Vogelfang beschäftigt und Pygmäen mit Kranichen
und Schildkröten kämpfen sah. Ueber der Mitte der Hinteren Wand befand
sich ein bronzener Rabe, welcher die Schnüre des Vorhanges in seinem
Schnabel zusammenzuhalten schien.

Meine Augen waren der unterhaltenden Bilderreihe gefolgt und zu dem
schwarzen Vorhange zurückgekehrt, dessen seltsame Verzierung jetzt wie von
rothem Feuer durchglüht erschien. -- Plötzlich ertönte ein donnerndes Ge¬
räusch wie von Pauken und zusammengeschlagenen Metalldecken, untermischt
mit Jauchzen und Jubelrufen; der Vorhang riß auseinander, und das
Peristyl des Hauses lag vor meinen Blicken, glänzend erleuchtet durch rothe
Flammen, welche in Metalldecken brannten, und von einer phantastisch ge¬
kleideten Menge erfüllt, die wie in Verzückung jubelnde Rufe ausstieß und
die Blicke nach dem Hintergrunde des Gartens gerichtet hatte.

Der breite Säulengang auf beiden Seiten war vollständig von ihnen
erfüllt. Die Säulen waren mit Lampenschnüren umwunden und zwischen
ihnen hingen die Feuerbecken herab. Der mittlere unbedeckte Gartenraum
War frei gelassen. Aus dem runden Wasserbassin in seiner Mitte stiegen
glitzernde Wasserstrahlen, wie eine Lotusblume geformt, in die Höhe und er¬
gossen einen sprühenden Regen über die Palmen und die Tamariskensträucher,
welche sie umgaben.

Dies Alles überflog ein schneller Blick, der dann im Hintergrunde des
Gartens haftete. Dort blickte man in den Oenus, den säulengeschmückten
Familiensaal, der jetzt durch Draperien und Eheraten in eine Art von Heilig¬
tum umgewandelt war. Zur Linken sah man einen kleinen kapellenartigen
Holzbau mit niedriger Eingangsthür, dessen Wände mit Götterfiguren be¬
walt waren, zur Rechten ein mannshohes ehernes Wasserbecken, in dem es
Wie in einem Strome wallte und rauschte. Jünglinge und Jungfrauen, be¬
kränzt und Sistren in den Händen, knieten auf dem Boden des Gemaches.
Im Hintergrunde war zwischen den beiden Säulenreihen eine Estrade errichtet,
in welcher neun Stufen hinaufführten. Auf derselben stand auf einem altar-
svrmigen Postament ein Bild der Göttin Isis, das man mit glänzendem
Goldschmuck behängt hatte. Das faltige mit langen zottigen Fransen be-
^ste Gewand der Göttin war nicht gegürtet; die Enden waren über die
^use heraufgezogen, so daß das Kleid fest an den Körper anschloß. In der
Achten hielt sie ein Sistrum, in der Linken den Schlüssel der Unterwelt. --


Grenzbote" IV. 1876. 39

Und die geheimnißvolle Lade des Horus, sowie den Serapis auf seinem
Throne, die Rechte auf den dreiköpfigen Hund stützend, dessen Hals von einer
Schlange umschlossen war. — Den oberen Theil der Zimmerwände umzog
ein zierlicher vergoldeter Karnies und unter demselben eine Reihe von heiteren
Miniaturdarstellungen, in denen man Amoretten zu Roß und zu Wagen,
Genien mit Jagd und Vogelfang beschäftigt und Pygmäen mit Kranichen
und Schildkröten kämpfen sah. Ueber der Mitte der Hinteren Wand befand
sich ein bronzener Rabe, welcher die Schnüre des Vorhanges in seinem
Schnabel zusammenzuhalten schien.

Meine Augen waren der unterhaltenden Bilderreihe gefolgt und zu dem
schwarzen Vorhange zurückgekehrt, dessen seltsame Verzierung jetzt wie von
rothem Feuer durchglüht erschien. — Plötzlich ertönte ein donnerndes Ge¬
räusch wie von Pauken und zusammengeschlagenen Metalldecken, untermischt
mit Jauchzen und Jubelrufen; der Vorhang riß auseinander, und das
Peristyl des Hauses lag vor meinen Blicken, glänzend erleuchtet durch rothe
Flammen, welche in Metalldecken brannten, und von einer phantastisch ge¬
kleideten Menge erfüllt, die wie in Verzückung jubelnde Rufe ausstieß und
die Blicke nach dem Hintergrunde des Gartens gerichtet hatte.

Der breite Säulengang auf beiden Seiten war vollständig von ihnen
erfüllt. Die Säulen waren mit Lampenschnüren umwunden und zwischen
ihnen hingen die Feuerbecken herab. Der mittlere unbedeckte Gartenraum
War frei gelassen. Aus dem runden Wasserbassin in seiner Mitte stiegen
glitzernde Wasserstrahlen, wie eine Lotusblume geformt, in die Höhe und er¬
gossen einen sprühenden Regen über die Palmen und die Tamariskensträucher,
welche sie umgaben.

Dies Alles überflog ein schneller Blick, der dann im Hintergrunde des
Gartens haftete. Dort blickte man in den Oenus, den säulengeschmückten
Familiensaal, der jetzt durch Draperien und Eheraten in eine Art von Heilig¬
tum umgewandelt war. Zur Linken sah man einen kleinen kapellenartigen
Holzbau mit niedriger Eingangsthür, dessen Wände mit Götterfiguren be¬
walt waren, zur Rechten ein mannshohes ehernes Wasserbecken, in dem es
Wie in einem Strome wallte und rauschte. Jünglinge und Jungfrauen, be¬
kränzt und Sistren in den Händen, knieten auf dem Boden des Gemaches.
Im Hintergrunde war zwischen den beiden Säulenreihen eine Estrade errichtet,
in welcher neun Stufen hinaufführten. Auf derselben stand auf einem altar-
svrmigen Postament ein Bild der Göttin Isis, das man mit glänzendem
Goldschmuck behängt hatte. Das faltige mit langen zottigen Fransen be-
^ste Gewand der Göttin war nicht gegürtet; die Enden waren über die
^use heraufgezogen, so daß das Kleid fest an den Körper anschloß. In der
Achten hielt sie ein Sistrum, in der Linken den Schlüssel der Unterwelt. —


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[0309] Und die geheimnißvolle Lade des Horus, sowie den Serapis auf seinem Throne, die Rechte auf den dreiköpfigen Hund stützend, dessen Hals von einer Schlange umschlossen war. — Den oberen Theil der Zimmerwände umzog ein zierlicher vergoldeter Karnies und unter demselben eine Reihe von heiteren Miniaturdarstellungen, in denen man Amoretten zu Roß und zu Wagen, Genien mit Jagd und Vogelfang beschäftigt und Pygmäen mit Kranichen und Schildkröten kämpfen sah. Ueber der Mitte der Hinteren Wand befand sich ein bronzener Rabe, welcher die Schnüre des Vorhanges in seinem Schnabel zusammenzuhalten schien. Meine Augen waren der unterhaltenden Bilderreihe gefolgt und zu dem schwarzen Vorhange zurückgekehrt, dessen seltsame Verzierung jetzt wie von rothem Feuer durchglüht erschien. — Plötzlich ertönte ein donnerndes Ge¬ räusch wie von Pauken und zusammengeschlagenen Metalldecken, untermischt mit Jauchzen und Jubelrufen; der Vorhang riß auseinander, und das Peristyl des Hauses lag vor meinen Blicken, glänzend erleuchtet durch rothe Flammen, welche in Metalldecken brannten, und von einer phantastisch ge¬ kleideten Menge erfüllt, die wie in Verzückung jubelnde Rufe ausstieß und die Blicke nach dem Hintergrunde des Gartens gerichtet hatte. Der breite Säulengang auf beiden Seiten war vollständig von ihnen erfüllt. Die Säulen waren mit Lampenschnüren umwunden und zwischen ihnen hingen die Feuerbecken herab. Der mittlere unbedeckte Gartenraum War frei gelassen. Aus dem runden Wasserbassin in seiner Mitte stiegen glitzernde Wasserstrahlen, wie eine Lotusblume geformt, in die Höhe und er¬ gossen einen sprühenden Regen über die Palmen und die Tamariskensträucher, welche sie umgaben. Dies Alles überflog ein schneller Blick, der dann im Hintergrunde des Gartens haftete. Dort blickte man in den Oenus, den säulengeschmückten Familiensaal, der jetzt durch Draperien und Eheraten in eine Art von Heilig¬ tum umgewandelt war. Zur Linken sah man einen kleinen kapellenartigen Holzbau mit niedriger Eingangsthür, dessen Wände mit Götterfiguren be¬ walt waren, zur Rechten ein mannshohes ehernes Wasserbecken, in dem es Wie in einem Strome wallte und rauschte. Jünglinge und Jungfrauen, be¬ kränzt und Sistren in den Händen, knieten auf dem Boden des Gemaches. Im Hintergrunde war zwischen den beiden Säulenreihen eine Estrade errichtet, in welcher neun Stufen hinaufführten. Auf derselben stand auf einem altar- svrmigen Postament ein Bild der Göttin Isis, das man mit glänzendem Goldschmuck behängt hatte. Das faltige mit langen zottigen Fransen be- ^ste Gewand der Göttin war nicht gegürtet; die Enden waren über die ^use heraufgezogen, so daß das Kleid fest an den Körper anschloß. In der Achten hielt sie ein Sistrum, in der Linken den Schlüssel der Unterwelt. — Grenzbote» IV. 1876. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/309>, abgerufen am 27.09.2024.